: „So nich, meine Herrn“
Weibliche Formulierungen in Senatsvorlagen und eine Hotline. Was hat der Frauensenator Gregor Gysi bislang für die Frauen der Stadt getan?
von ADRIENNE WOLTERSDORF
Der Ledersessel knirscht leise, jedesmal wenn der Unternehmensberater aus Mitte mit dem Kopf nickt. Vorne am Rednerpult, mitten in Harry’s New York Bar, steht rauchend Gregor Gysi. Er ist gut einen Kopf kleiner als die meisten Unternehmer, die an diesem Abend zur exklusiven „berlin lounge“ der Berliner Geschäftsleute erschienen sind. Den Teil seiner Rede, wo er auf die Haushaltslage eingeht, hat der PDS-Senator schon parlierend hinter sich gebracht. Nun, kurz vor Schluss, kommt noch der Schlenker zu den Frauen. Während Gysi in kumpelhaftem Ton die Unternehmer ermahnt an die Gleichberechtigung zu denken, hebt er immer wieder den Zeigefinger. Ja, er macht das überzeugend, die Rolle als Frauensenator. Er kokettiert einfach damit. Die Autohausbesitzer und Consultants nicken zustimmend, wenn Gysi ganz ernsthaft davon spricht, dass Frauen leistungsfähiger und bisweilen klüger sind. Dann aber reicht es. Nun erzählt Gysi Dönekens aus dem Dschungel der Bürokratie. Auch, wie er dem gesamten Senat Nachsitzen verordnete. „Ick hab denen jesacht, so jet det nich“, sagt Gysi und erzählt von seiner ersten frauenpolitischen Tat. Sämtliche Schriftstücke der Senatsverwaltung, die bislang nur in der männlichen Form des „Senators“ oder des „Staatssekretärs“ gehalten waren, ließ er umschreiben. Jetzt müssen beide Formen verwendet werden. Gysi schmunzelt, „das macht einen Unterschied“.
Knapp sechs Wochen ist der Frauensenator Gregor Gysi im Amt. Wochen, in denen es immer nur um das eine ging: Haushalt, erklärt seine Sprecherin Heike Engelhardt. Gefragt nach den frauenpolitischen Initiativen des Senators muss sie eine Weile nachdenken. Dann folgt der Hinweis auf das mit 250.000 Euro finanzierte Nothilfetelefon für Frauen, das es so bislang in der Stadt nicht gegeben habe. Eine Hotline, bei der verzweifelte Frauen von verschiedenen Institutionengleichzeitig betreut werden können. Psychologen, Jugendämter und andere Hilfestellen unter einer Nummer; „ganzheitliche Hilfe“ eben, sagt die Sprecherin. Überhaupt sei das Hauptaugenmerk des Senats auf die Hilfe bei häuslicher Gewalt ausgelegt. Ein zentrales Projekt der Frauenpolitik in Berlin, heißt es. Ansonsten sei die Wirtschaftsverwaltung ganz der Überzeugung, dass die Frauen mit ihrer Angliederung an die Ökonomie endlich „raus sind aus der sozialen Ecke“. Selbstverständlich zeige das auch Wirkung bei der eigenen Personalstruktur. Gysi hat eine Büroleiterin und eine persönliche Referentin. Auch die Staatssekretäre haben jeweils eine Referentin. Nun ja, und eben Sekretärinnen.
Weil es eben immer nur um das eine, nämlich den Haushalt geht, könnte dem Frauensenator aber bald nicht mehr nur zugenickt werden. Finanzsenator Thilo Sarazzin ließ am Donnerstag über die Presse wissen, dass tiefe Einschnitte bei der Förderung von Frauenhäusern und Integrationskursen zu erwarten seien. Bis zu 40 Prozent solle das Frauenbudget von seinem 18,4 Millionen Euro Etat kürzen. „Dann müssen fast alle Frauenprojekte der Stadt schließen“, ist sich Karin Heinrich sicher. Für den 19. März, den Tag der Haushaltsberatungen, hat die Leiterin des TIO-Qualifizierungsprojektes in Kreuzberg schon mal den Protest ihrer Frauen organisiert. Die Gehälter ihrer Mitarbeiterinnen wurden auf dem Niveau von 1995 eingefroren. „Wenn Gysi sich mit Sarrazin auf einen faulen Kompromiss einlässt und das als Erfolg verkauft“, sagt Heinrich, „ist Gysi unser Gegner“.
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