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Schwierige Solidarität

Am Samstag startet die seit langem erste breit getragene Solidaritätsaktion mit der palästinensischen Bevölkerung. In der Linken ruft sie wütende Reaktionen hervor

„Zuletzt blieben palästinensische Menschen auf Demos fast immer unter sich“

Massenfestnahmen der israelischen Armee in palästinensischen Flüchtlingslagern, den Verhafteten werden Nummern auf die Hände gemalt, ein verletzter Palästinenser wird von israelischen Soldaten auf der Straße erschossen. Die Meldungen des Schreckens aus dem Nahen Osten reißen nicht ab. UN-Generalsekretär Kofi Annan kritisiert Israel wegen der „illegalen Besetzung“ palästinensischer Gebiete. Selbst der amerikanische Präsident George W. Bush bezeichnete die jüngsten Aktionen Israels gestern als „nicht hilfreich“.

Doch anders als in vielen westeuropäischen Ländern, wo Zigtausende für den Rückzug der israelischen Armee auf die Straße gegangen sind, scheint die Linke in Deutschland die Ereignisse in Israel und Palästina bisher zu ignorieren. Das könnte jetzt anders werden.

Ein „Solidaritätsbündnis für Palästina“ mobilisiert für den morgigen Samstag zur Solidaritätskundgebung am Berliner Breitscheidplatz. Das Spektrum der Organisationen reicht von der Wilmersdorfer Friedensinitiative über verschiedene sozialistische und kommunistische Kleingruppen bis zur antiimperialistischen Gruppe Mücadele. Federführend in dem Bündnis ist der Arbeitskreis Nahost-Berlin, in dem seit Jahren in Deutschland lebende Juden und Palästinenser zusammenarbeiten.

Ein Sprecher der Palästinensischen Gemeinde in Berlin sieht in der geplanten Kundgebung denn auch einen wichtigen Fortschritt: „In den letzten Jahren blieben die palästinensischen Menschen auf Demonstrationen in Berlin fast immer unter sich, und nach dem 11. September trauten sie sich sowieso kaum noch auf die Straße.“

Denn die deutsche Linke hatte sich zuletzt fast vollständig aus der Palästina-Solidarität zurückgezogen. Einige Teile der radikalen Linken propagieren seit längerem gar die bedingungslose Solidarität mit Israel als angebliche Konsequenz aus der deutschen Geschichte.

So überrascht es kaum, dass auch der jetzige Demonstrationsaufruf in der Berliner Linken schon heftige Reaktionen hervorgerufen hat. Im Internet-Netzwerk Indymedia werden die Organisatoren der Samstagsveranstaltung als „Sammelsurium von völkisch bewegten Soligrüppchen“ diffamiert. Auch ein Kommentator in der jüngsten Ausgabe der postmodernen Wochenzeitung Jungle World schlägt in die gleiche Kerbe.

Ein Vorwurf, der vom Solidaritätsbündnis empört zurückgewiesen wird. Kritik an Israels aggressiver Politik dürfe nicht länger als Antisemitismus verleumdet werden, wird dort entgegnet.

Die Aktion am Samstag soll erst der Anfang für eine neue Palästinasolidarität sein. Für Mitte April ist bereits eine bundesweite Palästina-Solidaritätsdemonstration in Berlin geplant.

PETER NOWAK

Die Solidaritätskundgebung für die palästinensische Bevölkerung beginnt morgen um 13 Uhr auf dem Breitscheidplatz an der Gedächtniskirche.

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