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Scharon prescht voran

Koalitionspartner kritisiert selbstherrliches Vorgehen des Premiers. Der wirbt um die Rechtsaußenparteien

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Beim Juniorpartner der großen Koalition in Israel regt sich lauthals Missmut angesichts des massiven Vorgehens Scharons gegen die Palästinenser und ihren Führer Arafat. Nichts deutet jedoch auf einen Bruch des Regierungsbündnisses zwischen Scharons Likudblock und der Arbeitspartei hin. Während eines Parteitags erklärten sowohl Außenminister Schimon Peres und Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliesar diese Woche vor ihren Genossen, Scharon habe die jüngsten politischen Maßnahmen nahezu im Alleingang geplant. Ben-Eliesar glaubt nicht, dass die massiven Invasionen in palästinensische Städte eine Lösung bringen werden, wenn Israel nach Beendigung der Besetzung keine Verhandlungen aufnimmt. Die Regierung müsse einen „politischen Horizont“ haben.

Beide Minister lehnen sowohl die Isolierung von Palästinenserführer Jassir Arafat als auch Pläne, ihn des Landes zu verweisen, ab. Derartige Maßnahmen werden den Terror nur verstärken, fürchtet der Verteidigungsminister. Die Arbeitspartei hieß die saudiarabischen Initiative gut, die einen Truppenabzug aus den palästinensischen Gebieten und volle diplomatische Beziehungen zu den arabischen Staaten vorsieht. In einer offiziellen Erklärung fordert die Partei eine schnelle Wiederaufnahme politischer Verhandlungen, wünscht jedoch gleichzeitig der Armee viel Erfolg im Kampf gegen den Terror. Heute soll in der Knesset über die jüngsten Militärinvasionen debattiert werden.

Bereits seit einigen Tagen macht sich Eli Ischai, der Parteivorsitzende der orientalisch-orthodoxen Schass, die ebenfalls dem Regierungsbündnis angehört, für eine Koalitionserweiterung durch die rechtsaußen stehenden Parteien stark. Dazu gehört die National-Religiöse-Partei sowie die Fraktion Israel Beiteinu unter dem Vorsitz des rechts-radikalen Abgeordneten Avigdor Liebermann. Beide Parteien sind erst jüngst aus der Regierungskoalition ausgestiegen. Ischai agiert, nach eigenen Aussagen, im Auftrag Scharons. Die National-Religiöse-Partei signalisierte Bereitschaft, vorausgesetzt, dass die Militäraktionen in den Autonomiegebieten andauern werden.

Scharon ist sich angesichts der jüngsten Maßnahmen nicht zu schade, gar seinen ärgsten parteiinternen Gegner Exregierungschef Benjamin Netanjahu, der seit Monaten sein politisches Comeback plant, um Rückendeckung zu bitten. Netanjahu soll mit seinem „besonderen Talent“ im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit vor allem auf internationaler Ebene tätig werden, um Israels Image aufzubessern. Der ehemalige Premierminister verbringe schon jetzt „zig Stunden wöchentlich mit Interviews für die internationalen Medien“, hieß es aus seinem Büro. Die beiden Politiker wollen sich am Sonntag treffen.

Als „schweren Fehler“ bezeichnet die israelische Opposition sowohl die Etikettierung Arafats als „Staatsfeind“ als auch seine Zwangsisolierung. Jossi Sarid, Chef der größten Oppositionspartei Meretz, ist davon überzeugt, dass die Belagerung nicht sehr lange anhalten kann. „Was wird Scharon tun, wenn sich (der US-Sonderbeauftragte) Anthony Zinni mit Arafat treffen will. Soll er ihn dann in Ketten legen?“ Sarid befürchtet, dass die jüngsten Militäraktionen die „Welle des Terrors“ weiter verstärken. Auch Jossi Beilin von der Arbeitspartei, einer der Architekten der Osloer Prinzipienerklärung, geht davon aus, dass eine „Zerstörung der palästinensischen Autonomiebehörde“ dem Ende der „pragmatischen Kräfte“ gleichkommt. Stattdessen würden die „extremistischen Terrorbewegungen gestärkt“.

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