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Fritze weiß, was Frauen wünschen

Moderne Frauen wollen behandelt werden wie Männer, weiß Unionsfraktionschef Merz. Da sei es nur redlich, wenn auch sie eine Dienstpflicht erfüllten

von HEIDE OESTREICH

„Sowohl als auch“, war die legendäre Antwort des Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber auf die Frage, ob er ein modernes oder ein traditionelles Frauenbild habe. Wie die perfekte Synthese dieses Sowohl-als-auch aussieht, führte gestern Unionsfraktionschef Friedrich Merz vor: Es gebe „gute Gründe, die für einen allgemeinen Dienst auch für Frauen sprechen“, so regte er eine Debatte über ein weibliches Pendant zur Wehrpflicht an und garnierte dies mit dem Argument: „Immer mehr Frauen wollen zu Recht genauso behandelt werden wie Männer.“ Moderne junge Frauen wollen angeblich die Dienstpflicht, die einst kurz nach Adolf Hitler abgeschafft wurde – eine aparte Verbindung von Moderne und Tradition.

Eine kühle Antwort darauf gab gestern in der Früh das Bundesverfassungsgericht: Eine Kammer des Zweiten Senats bekräftigte, Männer seien nicht dadurch benachteiligt, dass Frauen nicht zur Bundeswehr müssen (siehe unten). Aber nicht nur das Gericht kann dem neuen Unionsfrauenbild nicht folgen. „Die Gruppe der Frauen spricht sich dezidiert gegen eine Dienstpflicht für Frauen aus“, heißt es aus der Unionsfraktion im Bundestag. Und Hildegard Müller, moderne junge Frau und Vorsitzende der Jungen Union, will von einem Pflichtdienst ebenfalls nichts wissen.

Dass Merz mit seiner Anregung nicht gerade die Frauenherzen im Sturm erobert, muss ihm auch geschwant haben: Nach der Bundestagswahl müsse man über die Dienstfrage für Frauen debattieren, erklärte er wohlweislich, und CDU-Chefin Angela Merkel wand sich denn auch mit dem Hinweis aus der Affäre, dass diese Debatte derzeit nicht anstünde.

Nur haben sich Debatten noch nie an die Vorgaben aus der CDU-Zentrale gehalten: Die allgemeine Ablehnung brandete gestern hoch, sogar das Familienministerium sah sich zur Stellungsnahme genötigt. Interessant dabei war, dass nur wenige sich auf die alte Geschlechtergerechtigkeits-Debatte bezogen: Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen etwa, Irmingard Schewe-Gerigk, meinte, Frauen leisteten jetzt schon zwei Drittel der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, darunter fast 100 Prozent der Kindererziehung. Die Geschäftsführerin des deutschen Frauenrats, Henny Engels, dagegen verwies gegenüber der taz darauf, dass private und staatliche Verpflichtungen immer noch zweierlei seien, doch sei der Frauenrat generell gegen Pflichtdienste.

Das Frauenministerium verwies darauf, dass das Grundgesetz die Freiheit von Arbeitszwang garantiere und lediglich die Wehrpflicht für Männer eine Ausnahme darstelle. Und sogar die wollen immer mehr namhafte SPD-PolitikerInnen abschaffen. Gestern schloss sich die stellvertretende SPD-Vorsitzende Renate Schmidt dieser Forderung an. Zu Merzens Vorschlag sagte sie: „Ich möchte, wenn ich mal pflegebedürftig sein sollte, nicht von einer Zwangspflegerin betreut werden.“ Auch internationale Konventionen stünden gegen Zwangsdienste aller Art.

Die Sozialverbände, die im Zweifelsfall von so einer Zwangsverpflichtung profitieren würden, äußerten sich ebenfalls ablehnend: „Wir halten gar nichts von der Pflicht“, sagte Ute Tasso-Burbach, Sprecherin des Diakonischen Werkes. Und auch Caritas-Sprecher Thomas Broch sagte: „Bei uns ist es Konsens, dass wir die Freiwiligendienste ausbauen wollen. Pflichtdienste wiedersprechen allen internationalen Konventionen.“ Umfragen hätten gezeigt, dass Jugendliche mehrheitlich positiv auf ein freiwilliges Jahr reagierten, wenn es durch eine Aufwandsentschädigung und beispielsweise einen Bonus beim Studium aufgewertet würde.

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