: Es war einmal ein harter Aufklärer
Die Vorwürfe, SPD-Generalsekretär Franz Müntefering habe im Untersuchungsausschuss gelogen, beschädigen sein Image – egal, ob sie stimmen oder nicht. Müntefering bestreitet jede Falschaussage und hält das Ganze für einen Sturm im Wasserglas
von JENS KÖNIG und PASCAL BEUCKER
Die Aufklärung ist nichts – das Image des Aufklärers ist alles. Parteien, denen ein Skandal anhängt, halten sich gern an diese goldene Regel. Roland Koch, der hessische Ministerpräsident, hat das meisterhaft für die CDU vorgeführt. Franz Müntefering, der Generalsekretär der SPD, war drauf und dran, Koch zu übertrumpfen und seiner Partei lehrbuchmäßig vorzuführen, wie man einen Skandal hinter sich lassen kann: mit harten Worten und großer Transparenz. Doch plötzlich steht Müntefering in dem Verdacht, gelogen zu haben.
Müntefering bestreitet eine Lüge. Und wenn man sich den Vorgang, um den es geht, genauer ansieht, kann man ihm durchaus glauben. Doch es liegt in der perfiden Logik dieses Vorwurfs, dass es mit Münteferings Image als knallharter Aufklärer trotzdem vorbei ist. Das muss man in einem Gewerbe, wo es nie allein um Aufklärung, sondern immer auch um das Wohl der Partei geht, nicht bedauern.
Der Wirtschaftsprüfer Dieter Menger hat das alles ins Rollen gebracht. Menger, von der SPD beauftragt, die Konten in Köln zu durchforsten, hat vorgestern im Parteispenden-Untersuchungsausschuss erklärt, der Partei in Berlin am 14. März eine Liste mit 41 Namen geschickt zu haben. Diese „Menger-Liste“ ist eine Rekonstruktion der „Biciste-Liste“. Anhand von Kopien und anderen Unterlagen hat Menger fast alle 42 Namen der vermuteten Quittungsempfänger aus Köln entschlüsseln können. Er stützte sich dabei auf eine „anonymisierte“ Liste des ehemaligen Kölner SPD-Schatzmeisters Manfred Biciste. Adressat der Post von Menger: die Bundesschatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier.
Eine Woche später, am 21. März, wird Müntefering vor dem Untersuchungsausschuss gefragt, ob er die Empfänger gefälschter Spendenquittungen kenne. Seine Antwort: Nein. Er sagte auch, dass die „anonymisierte“ Biciste-Liste“ erst teilweise bestimmten Personen zugeordnet werden konnte. Hat Müntefering da gelogen, wie die CDU behauptet? Kannte er die „Menger-Liste“? Wenn nicht, warum hat sie ihm seine Schatzmeisterin verschwiegen?
Müntefering behauptete gestern, seine Aussage vor dem Ausschuss sei „völlig korrekt gewesen“. Er kannte weder die Liste von Biciste noch die Aufstellung Mengers. Er habe gewusst, dass der Wirtschaftsprüfer, die SPD-Innenrevision und die parteieigene Untersuchungskommission sich mit Hinweisen zu den Empfängern der Quittungen befassten. „Aber ich wollte nicht jeden Tag Wasserstandsmeldungen bekommen“, so Müntefering gestern, „ich will endgültige Ergebnisse haben.“ Diese jedoch hat der Generalsekretär eigenen Angaben zufolge nicht einmal bis heute. Der „Menger-Liste“ sei nur ein Zwischenergebnis, und ob die „Biciste-Liste“, in deren Besitz die Partei seit dem 10. April ist, wirklich stimme, wisse niemand. Müntefering hält die ganze Aufregung um seine Person für einen „Sturm im Wasserglas“.
Die Schatzmeisterin Wettig-Danielmeier, was Wunder, argumentiert ähnlich. Die Spenderliste in dem „vorläufigen Bericht“ des Wirtschaftsprüfers Menger habe auf Vermutungen beruht und sei nach Ansicht der SPD-Innenrevision juristisch nicht „belastbar“ gewesen. Sie sei also weiter geprüft worden. Deswegen habe sie Müntefering darüber auch nicht informiert. Wettig-Danielmeier sieht das auch im Nachhinein nicht als Versäumnis an. Angesichts des jetzigen Rummels wird sie sich aber schon fragen, ob es anders nicht besser gewesen wäre. Ihr Generalsekretär hat jetzt ein Problem, das er nicht mehr loswird. Da spielt es auch keine Rolle mehr, dass Müntefering nicht noch einmal vor den Parteispenden-Untersuchungsausschuss muss. Dessen Chef Volker Neumann (SPD) erklärte gestern, er sehe dafür keinen Grund.
Die Arbeit des Wirtschaftsprüfers Menger beschert der SPD allerdings noch weiteren Erklärungsbedarf. Menger hat auch festgestellt, dass die Kölner SPD in ihren Rechenschaftsberichten für die Jahre 1994 bis 1999 rund eine halbe Million Mark an Einnahmen verschwiegen hat. Demnach weist die Gewinnermittlung der SPD für jene Jahre insgesamt rund 6,7 Millionen Mark aus, die Berichte aber nur rund 6,2 Millionen. „Wir können diese Differenz im Moment nicht nachvollziehen, weil wir die Unterlagen nicht haben“, sagte der Kölner SPD-Schatzmeister Martin Börschel gegenüber der taz. Von einer Manipulation zu sprechen sei deshalb „zu früh“.
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