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Etwa doch ein verdeckter Rachefeldzug

Der „Kritische Polizist“ Thomas Wüppesahl wurde vom Ankläger zum Beschuldigten und steht schon wieder vor Gericht  ■ Von Kai von Appen

Der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen (BAG), Thomas Wüppesahl, kommt aus den Fängen der Strafverfolgungsorgane nicht heraus. Ab Montag muss sich der Hamburger Kriminalist erneut vor dem Amtsgericht verantworten. Die Palette der Vorwürfe: Körperverletzung im Amt, Verfolgung Unschuldiger, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und Nötigung.

Der zuständige Amtsrichter Siegfried Hübner wollte den Fall eigentlich als das behandeln, was er bestenfalls wäre: Eine Verkehrsbagatelle. Doch auf Intervention der Staatsanwaltschaft verdonnerte das Landgericht Hübner zu einem Großverfahren. „Die wollen unbedingt eine Strafe von einem Jahr und einen Tag, damit ich endlich aus dem Polizeidienst verschwinde“, vermutet Wüppesahl.

Der Beamte der Mordkommission war im Freihafen mit einem LKW-Fahrer aneinander geraten, weil er diesem mit 60 Stundenkilometern zu langsam gefahren war. Der Brummifahrer fühlte sich „ausgebremst“. Pöbelnd habe er an einer roten Ampel Wüppesahls Autotür aufgerissen und ihn bedroht. Als die Ampel auf Grün schaltete, habe er sich an die Autotür gehängt, um eine Weiterfahrt zu verhindern, berichtet Wüppesahl. „Ich habe mich darauf in den Dienst versetzt, ihm meine Hundemarke gezeigt und erklärt, dass ich gegen ihn eine Anzeige fertigen werde.“

Der Schreck saß. Der LKW-Fahrer gab bereitwillig seine Personalien an. Der Vorfall – inzwischen war noch ein Pkw-Fahrer dazugekommen – war eigentlich abgeschlossen. Wüppesahl machte Anstalten zum Weiterfahren: „In dem Moment macht der Lkw-Fahrer einen Satz nach vorn“, schildert der Kripomann, „obwohl ich ihn nicht berührt habe, lässt er sich auf die Motorhaube fallen und rollt über den Kotflügel ab.“ Der Pkw-Fahrer rief die Wasserschutzpolizei, die den Vorfall aufnimmt.

Was bislang für Wüppesahl eine Lappalie ist, bekommt nun das ihm bereits bekannte System. Tags da-rauf, der Kommissar will in seiner Dienststelle gerade die Anzeige fertigen, tritt das „Dezernat Interne Ermittlungen“ auf den Plan und dreht den Spieß um. Gegen ihn werde ermittelt, wird Wüppesahl mitgeteilt.

„Da steckt wieder die Korth-Abteilung der Staatsanwaltschaft hinter“, glaubt der 46-Jährige. Denn Staatsanwältin Barbara Korth habe seit Jahren einen Hass auf ihn, weil er sie 1997 angezeigt hatte. Damals hatte Korth, obwohl nicht zuständig, ermittlungstechnische Vorhaben gegen eine Warenterminfirma aus dem Dezernat für Wirtschaftskriminalität abgefragt, in dem Wüppesahl seinerzeit tätig war, und an Ex-Landgerichtspräsident Roland Makowka weitergegeben. Makowkas Tochter Barbara arbeitete in jener Firma als Brookerin. Die Razzia wurde zum Flop. Seither wird Wüppesahl nicht nur von Kollegen als „Nestbeschmutzer“ angezeigt, sondern von der Hamburger Justiz verstärkt mit Verfahren überzogen.

1998 wurde ihm ein Verfahren wegen Aktenklau angehängt, weil in seiner damaligen Dienststelle „Organisierte Kriminalität“ aus Schlamperei Akten über Kfz-Diebstähle abhanden gekommen waren. Auch damals lehnte Richter Hübner die Zulassung der Anklage gegen Wüppesahl ab, weil er das Konstrukt für unschlüssig hielt. Die Anklagebehörde drückte über das Landgericht durch, dass einem anderen Richter das Verfahren übertragen wurde. „In den Ermittlungsakten befanden sich mehrere Vermerke von Korth“, sagt Wüppesahl. Das Verfahren gegen ihn endete dennoch mit Freispruch.

Im vorigen Jahr musste sich Wüppesahl vor dem Amtsgericht Buxtehude wegen Verunglimpfung der „GSG 9“ verantworten. Er hatte eine Presseerklärung der BAG gezeichnet, in der er der Spezialeinheit Ausländerfeindlichkeit vorwarf. Die „GSG 9“ hatte einen Bewerber nach erfolgreicher Aufnahmeprüfung, nur weil er gebürtiger Türke war, aus der Einheit gemobbt. Der Prozess endete mit Freispruch.

Lediglich wegen eines angeblich geklauten Paar Socken ist Wüppsahl 1994 zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Diese Akten sind dem aktuellen Prozess beigezogen worden, obwohl diese Verurteilung in den Datensätzen schon längst hätte getilgt werden müssen.

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