: Abzocker mit Mietenhammer
Mieterverein zeigt große Hamburger Vermieterfirmen wegen Betruges und Wucher an. Sogar amtlicher Mietenspiegel verfälscht ■ Von Sven-Michael Veit
Wenn Eckhard Pahlke Klartext redet, und das macht er ebenso gerne wie wortgewaltig, klingt das zum Beispiel so: „Das ist unglaubliche Abzocke“, empört sich der Vorsitzende des Mietervereins zu Hamburg, „da werden Mietern echte Hämmer aufs Auge gedrückt“, hunderte Akten lägen ihm vor über Dreistigkeiten von Vermietern, „die haben wir seit Jahrzehnten so nicht mehr gehabt“.
340 Mieterhöhungsverlangen hat der Mieterverein seit Januar dieses Jahres überprüft, davon seien über 300 unzulässig gewesen: „Eine korrekte Mieterhöhung“, kommentiert Susanne Pommerencke, Rechtsberaterin des Vereins, „ist da fast schon ein Ausrutscher.“ Etwa 100.000 Euro zuviel hätten Vermieter verlangt, knapp 35 Euro im Durchschnitt pro Wohnung und Monat, im gravierendsten Fall wurden gar 73,80 Euro zuviel verlangt.
Zahlen, die auch Sylvia Sonnemann von Mieter helfen Mietern „im Grundsatz bestätigt“. Bei einem kürzlichen „Mieten-Check“ in 460 Fällen habe sich gezeigt, dass über die Hälfte der Mieterhöhungsbegehren „fehlerhaft oder unzulässig“ waren.
Unzulässige Forderungen oder Mietwucher seien „keine Ausnahme mehr“, sagt Pahlke, und er nennt Namen: Die Immobilienfirmen „Theodor Schöne“ und „Wenzel Dr.“ seien „fast schon Stammkunden bei uns“, ebenso die städtischen Wohnungsunternehmen „Saga und GWG“. Selbst Manipulationen des Mietenspiegels kämen vor sagt Pahlke, und kündigt deshalb an, „Strafanzeige zu erstatten“ gegen die „Arnold Hertz Immobilien Management“. Der Vorwurf: Verdacht auf Betrug und Täuschung und eventuell auf „Fälschung beweiserheblicher Daten“.
Etwa 580 Mietparteien einer Wohnanlage im Nagelshof / Fler-rentwiete in Rissen habe die Firma im Februar Mieterhöhungsverlangen unter Berufung auf den amtlichen Hamburger Mietenspiegel zugesandt. Allerdings teilweise mit falschen oder überhöhten Angaben: Statt des – in einem Beispielsfall – korrekten Mittelwerts von 5,81 Euro pro Quadratmeter aus dem Mietenspiegel wurde behauptet, dieser läge um 82 Cent höher bei „6,63 Eur/qm“. Das sei, so Pahlke, nicht nur als Betrugsversuch zu werten, sondern zudem „möglicherweise als Verfälschung eines amtlichen Dokumentes“, strafbar nach Paragraf 269 StGB. Der gültige Mietenspiegel, am 29. November 2001 von der Baubehörde veröffentlicht, weise ausdrücklich darauf hin, dass jede Verbreitung mit abweichenden Daten „unzulässig“ sei.
Nach intensivem Briefwechsel und mehreren Telefonaten mit der Firma sei „offensichtlich, dass es sich um kein Versehen oder einen EDV-Fehler handelt“, sagt Pahlke: „Da ist eine klare Linie zu erkennen.“ Alle Hertz-Mieter fordert er deshalb auf, sich beraten zu lassen: „Vermutlich sind mehr als 1000 Mieter in ganz Hamburg betroffen.“
Die Baubehörde sieht für rechtliche Schritte von Amts wegen zwar „keinen Handlungsbedarf“, so Sprecherin Helma Kristanoski. Das käme nur in Frage, wenn das Dokument selbst „mit Hamburg-Logo und unserem Briefkopf“ retuschiert oder sonstwie verfälscht würde. Gegen missbräuchliche Verwendung aber könne von Mietern „zivilrechtlich vorgegangen werden“. Es könnte dann Aufgabe von Mietervereinen sein, sich der Sache anzunehmen.
Genau das tun sie jetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen