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„Sind wir zu viel für euch?“

■ In Gröpelingen entsteht die erste Altenwohnanlage für türkische Muslime. Architektur und Umfeld sollen den Bewohnern den Schritt ins betreute Leben erleichtern

„Meinen eigenen Eltern könnte ich das nicht vorschlagen“, sagt Serap K., die deshalb auch ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Ansonsten hält sie ein Wohnhaus für türkische Alte, wie es die Bremer Heimstiftung an der ehemaligen Gröpelinger Feuerwache in der Elbinger Straße plant, für „goldrichtig“.

Der Bedarf ist da, das sicherste Indiz dafür ist: Die türkische Gemeinde selbst hat sich an die Behörde gewandt in der Hoffnung, dass die Idee einer muslimischen Alteneinrichtung aufgegriffen wird. Heute sind die Pläne fertig, die Bremer Heimstiftung hat sie zusammen mit Mitgliedern der Gröpelinger Fatih-Moschee und der Mevlana Moschee entwickelt. Zwölf – im Bedarfsfall medizinisch betreute – Wohnungen werden gebaut, bezugsfertig sollen sie im Frühjahr 2004 sein. Neben dem Wohnheim für Türken sollen auf dem Areal im Zentrum Gröpelingens in den nächsten beiden Jahren noch mehr Gebäude entstehen: Ein Stadtteil-Kulturzentrum mit Ateliers zieht ins alte Feuerwachengebäude, eine Krabbelgruppe, Wohngemeinschaften für Behinderte, aber auch Büros für Architekten oder andere Dienstleister entstehen in unmittelbarar Nachbarschaft zur Altenwohnanlage.

Fast ein Viertel der Gröpelinger Bevölkerung ist ausländischer Herkunft. Bei ungefähr 6.800 MigrantInnen, die dort leben, gehen Schätzungen von gut 500 Personen im Alter von über 60 Jahren aus. „Und so, wie unsre Eltern sich das vorstellen, werden sie ihren Lebensabend wohl nicht verbringen können“, mutmaßt Mehmet Kilinc, ehemaliger Vorsitzender des Islam-Archivs, der in Gröpelingen ein Übersetzungsbüro unterhält. Denn diesen Vorstellungen der ers-ten Einwanderer-Generation ist so manches in die Quere gekommen: „Die Leute haben so viel geschuftet, dass sie früher als viele Deutsche krank und gebrechlich werden“, weiß Kilinc. Nicht nur das deutsche Gesundheitswesen hält die alt gewordenen ,Gastarbeiter' hier. Die meisten ihrer Kinder und Kindeskinder leben hier und werden nicht in die Heimat ihrer Eltern zurückkehren. „Also pendeln viele Alte, leben ein paar Monate in der Türkei und kommen dann aus Sehnsucht nach ihren Kindern wieder zurück.“

So wie die Eltern von Halime Cengiz, Vorsitzende der Frauengruppe in der Mevlana-Moschee. Halime Cengiz ist nicht berufstätig. Sie hat vier Geschwister, alle leben in Bremen. Auch für ihre Eltern kommt ein Platz im Altenheim wohl nicht in Frage. „Sie würden fragen: Sind wir denn zu viel euch?“ Die meisten Alten gehen davon aus, dass die Kinder sie betreuen und pflegen – in der Familie ist jeder für jeden zuständig. „Aber die Zahl berufstätiger Frauen nimmt zu“, weiß Cengiz und verweist auch auf die vielen allein stehenden Witwer und Witwen, die in Gröpelingen wohnen und deren Kinder auf ganz Deutschland verteilt sind.

Bei einem Treffen zwischen der muslimischen Frauengruppe und der künftigen Leiterin von der Bremer Heimstiftung hat Halime Cengiz zehn ältere Frauen aus der Gemeinde dazugeladen. „Drei oder vier haben Interesse signalisiert“, sagt Cengiz. Als „lobenswerte Pionierarbeit“ bezeichnet sie das Projekt, das von „Bremen 2030, eine zeitbewusste Stadt“ unterstützt wird. „Aber es ist eine große Hürde, die die alten Menschen nehmen müssen.“

Um diese Hürde ein wenig kleiner scheinen zu lassen, nimmt der Neubau Rücksicht auf die Bedürfnisse muslimischer BewohnerInnen. Die Frauen wünschten sich neben dem Gebetsraum auch nach Geschlechtern getrennte Etagen. Die Toiletten dürfen nicht nach Osten ausgerichtet sein – es würde den heiligen Ort Mecka beleidigen. Die Architekten haben in Abstimmung mit dem Amt für Städtebauförderung – ein Teil der Wohnungen wird sozial gefördert – auch mehrere Gemeinschaftsräume zum Kochen und Feiern eingeplant. Dass die muslimischen Älteren in diesem Konzept weitgehend unter sich bleiben, spiegelt, so die Bremer Heimstiftung, die Situation im Stadtteil. „Gerade die Älteren würden ein gemischtes Angebot zurzeit wohl nicht annehmen“, glaubt Schöbel. Und das betrifft vermutlich nicht nur die türkischen Älteren. „Aber die Wohnanlage kann sich entwickeln, wenn alle Bewohner erst mal Vertrauen gefasst haben in eine solche Einrichtung.“ Elke Heyduck

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