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Grüner Sonnyboy erobert Freiburg

Dieter Salomon hat gute Chancen OB zu werden. Nach dem ersten Wahlgang liegt der Realo klar vor CDU und SPD

Ein besseres Motiv konnte es für Dieter Salomon nicht geben. Im Freiburger Gewerbegebiet „Auf der Haid“ ließ sich der grüne OB-Kandidat für seine Wahlwerbung ablichten – im Hintergrund die siliziumblaue Fassade der Solarfabrik. Damit kann man – zumal in Freiburg – nur gewinnen.

Denn schließlich symbolisiert das Unternehmen, was sich jeder moderne Politiker gerne ins Programm schreibt: ökologische Ideale, solare Visionen, unternehmerischen Pioniergeist und ökonomische Perspektiven für alle – sprich: Arbeitsplätze. Salomon gelang es als einzigem von vier Bewerbern, dieses Symbol Gewinn bringend zu nutzen. Obwohl er in Sachen Solarpolitik nie zu den wirklich exponierten Kräften Freiburgs zählte. Aber egal. Der Imagetransfer glückte.

Mit 36,7 Prozent der Stimmen verwies Salomon am Sonntag die ursprünglich als Favoritin gehandelte CDU-Kandidatin Gudrun Heute-Bluhm auf Platz zwei (32,4 Prozent). Die SPD, die seit vier Jahrzehnten in Freiburg den OB gestellt hatte und deren Amtsinhaber Rolf Böhme aus Altersgründen abtritt, floppte: Nur 16,5 Prozent errang ihr Kandidat Bernhard Zepter. Knapp dahinter landete der von der Linken Liste unterstützte Rechtsanwalt Michael Moos bei 14,3 Prozent.

Nun wird es in zwei Wochen in Freiburg in die zweite Runde gehen. Offen ist, mit wie vielen Kandidaten. Denn in Baden-Württemberg dürfen alle Bewerber nochmals antreten – und theoretisch auch neue. Der einzige Unterschied im zweiten Wahlgang liegt darin, dass die absolute Mehrheit nicht mehr nötig ist. Salomon darf sich also gute Chancen ausrechnen. Zumal die Stimmen für Moos im zweiten Wahlgang großteils Salomon gehören dürften. Denn mancher Anhänger der Grünen verkniff es sich, schon am Sonntag für den „Oberrealo“ Salomon zu stimmen: „Im ersten Durchgang wähle ich mit dem Herzen – den Michael Moos – und im zweiten dann natürlich Dieter Salomon …“ „Überraschend oft“ habe er diesen Satz gehört, berichtete ein grüner Stadtrat vor der Wahl.

Und so kam es dann wohl auch, weil Salomon für manchen Grünen einfach zu sehr den karrierebewussten Sonnyboy verkörpert. In seinem Lebenslauf bleibt er dann auch alles andere als bescheiden. Dass er 1986 seinen Magister „mit Auszeichnung“ ablegte, seine Promotion in Politikwissenschaft fünf Jahre später „Magna cum laude“ abschloss, 1990 als jüngster Stadtrat in den Freiburger Gemeinderat einzog – alles ist dort nachzulesen. Auch, dass es „1992 dann steil nach oben ging“: Für den Wahlkreis Freiburg II (West) zog er in den Stuttgarter Landtag ein, wo er im April 2000 den Fraktionsvorsitz der Grünen übernahm und im vergangenen Jahr als Spitzenkandidat der Partei in den Wahlkampf zog.

Politische Erfahrung wird Salomon daher niemand absprechen können – und das hat ihm gerade in den ländlichen Stadtteilen Freiburgs, die traditionell satt schwarz wählen und kaum an grünen Idealen hängen, offensichtlich sehr geholfen. Und einen weiteren Pluspunkt dürfte der Grüne sich durch eine Freiburger Spezialität errungen haben: Alle Kandidaten hatten eine Woche vor dem Urnengang freiwillig ihre Wahlkampfausgaben offen gelegt. Im Vergleich zur CDU-Frau, die am Ende für jede errungene Stimme 7,60 Euro investierte, hatte Salomon deutlich sparsamer gewirtschaftet – auch das kam offensichtlich an.

BERNWARD JANZING

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