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Der Aufschwung kommt – ganz langsam

Erst für 2003 sagen die Forscher ein Wachstum voraus, das den Namen verdient. Die Bundesregierung hat so gut wie nichts dazu beigetragen

BERLIN taz ■ Wieder einmal haben die Auguren zu hoch geschätzt. Statt 1,3 Prozent Wachstum, wie noch im Herbst vorausgesagt, erreicht die deutsche Wirtschaft dieses Jahr nur 0,9 Prozent. Das bedeutet faktisch Stagnation. Es bewegt sich nicht viel – und Verantwortung dafür trägt auch die Bundesregierung.

Zwar werde die Wirtschaft in diesem Frühjahr anspringen, sagte Joachim Scheide vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. „Und in der zweiten Jahreshälfte wird sich der Aufschwung verstärken.“ Doch erst 2003 wird das Wachstum seinen Namen wieder verdienen (siehe Grafik). Doch die Arbeitslosigkeit verharrt auf hohem Niveau.

Für wirtschaftspolitische Effekte vor der Wahl ist es jetzt sowieso zu spät. Tief greifende Reformen, mit denen sich Rot-Grün bei Gewerkschaften oder Unternehmerverbänden unbeliebt machen würde – etwa die Abschaffung des Ladenschlussgesetzes –, tragen allenfalls in Jahren dazu bei, neue Jobs zu schaffen. Konjunkturpolitik könne man damit nicht machen, erklärte Gustav-Adolf Horn vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

So ist es kein Wunder, dass die Ursachen für den beginnenden Aufschwung überall zu suchen sind – nur nicht bei der Regierung. Die Institute verweisen auf die Belebung in den USA und die wirksamen Zinssenkungen durch die US-Notenbank. Kredite sind billig zwischen New York und San Francisco, die Amerikaner konsumieren, was das Zeug hält. Und die Europäische Zentralbank hat diese Politik in bescheidenem Maße kopiert.

Noch in ihrem letzten Gutachten vom vorigen Herbst hatten die Wirtschaftsforscher eine einfache Botschaft an die rot-grüne Regierung gerichtet. „Weniger sparen, mehr Geld ausgeben“, lautete kurz nach dem 11. September der Rat an Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD). Wer anders handele, riskiere, dass die Konjunktur weiter absacke, mehr Betriebe Pleite gingen und mehr Leute ihre Stellen verlören. Doch der Finanzminister machte weiter wie vorher und verpflichtete sich gegenüber den anderen Euroländern sogar, ab 2004 fast keine neuen Schulden mehr aufzunehmen.

Inzwischen ist bei den Instituten der kurze Anflug ökonomischer Courage schon wieder vorbei. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht bei ihnen das Sparen: „Steuern senken, Haushaltsdefizit runter.“ In der Lohnpolitik gehe der Abschluss der Chemieindustrie mit 3,3 Prozent Zuwachs in Ordnung, viel mehr dürfe auch die Metallindustrie nicht vereinbaren.

Mit einer klaren Ansage wenden sich die Institute an CDU und FDP. Die Strategie der Opposition, gigantische Steuersenkungen zu versprechen und das Sparen zu verschieben, sei ökonomisch falsch, sagte Joachim Scheide. Aber auch die Fakten sprechen dagegen: Nicht nur Hans Eichel ist an seine Konsolidierungszusage gebunden, sondern auch ein etwaiger Nachfolger von der CDU.

HANNES KOCH

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