piwik no script img

Polizei ermittelt gegen Polizei

Einem Libanesen, der sich an der Wegstrecke von US-Präsident Bush mit einer Palästinafahne postierte, wurde bei einem Polizeieinsatz der Arm gebrochen. Zeuge: Einsatz war völlig grundlos. Polizeipräsident verspricht gründliche Aufklärung

von MARKUS MAXIMILIAN POHL

Wegen ihres zurückhaltenden Verhaltens während der Proteste gegen den Bush-Besuch hat die Berliner Polizei zuletzt viel Lob eingestrichen. Offenbar verfrüht: Mehrere Polizeibeamte sollen den friedlich demonstrierenden Palästinenser Khaled M. am Abend der Ankunft des US-Präsidenten brutal misshandelt haben. Der 34-jährige Kellner zog sich dabei zahlreiche Prellungen am Oberkörper zu und brach sich den linken Arm, der im Krankenhaus mit zwei Metallstiften genagelt werden musste. Das Landeskriminalamt ermittelt jetzt wegen Körperverletzung im Amt.

„Das lief ab wie im Film“, sagte Khaled M. gestern zur taz. Nach seinen Angaben hatte er sich am Abend des 22. Mai in der Scharnweberstraße in Reinickendorf allein mit einer Palästinafahne am Straßenrand postiert – in der Hoffnung, die Fahrzeugkolonne des US-Präsidenten würde auf dem Weg vom Flughafen Tegel nach Mitte an ihm vorbeiziehen. „Ich wollte Bush zeigen, dass Palästinenser über die ganze Welt verstreut als Flüchtlinge leben“, sagt Khaled M., der seit 23 Jahren in der Bundesrepublik wohnt und die libanesische Staatsangehörigkeit besitzt. Gegen 20 Uhr habe ein Polizeiwagen abrupt vor ihm gestoppt. „Vier, fünf Beamte sind herausgestürmt und sofort auf mich losgegangen. Ohne Worte schlugen sie auf mich ein und rissen mir die Fahne weg.“ Wenig später habe ein zweites Polizeiauto gehalten, dessen Insassen ebenfalls auf ihn eingeprügelt hätten.

Der dreißigjährige Geografiestudent Max B., der die Übergriffe von der gegenüber liegenden Straßenseite beobachtete, bestätigte diese Version gestern. „Die Prügel waren völlig grundlos, es ging keine Gefahr von dem Palästinenser aus“, so Max B. „Man hätte auch mit ihm diskutieren können.“ Max B. hat die Übergriffe der acht bis neun Beamten mit einer Digitalkamera fotografiert. Durch die Schmerzensschreie Khaled M.s alarmiert, hätten zahlreiche Passanten die Polizisten aufgefordert, mit den Schlägen aufzuhören.

Drei Beamte aus einem dritten Polizeiwagen sollen nach Khaled M.s Schilderung schließlich die prügelnden Beamten weggeschickt haben, „bevor irgendjemand eure Nummern aufschreibt“.

Der Zeuge Max B. beschuldigt außerdem zwei Verkehrspolizisten: Sie hätten den Vorfall ebenfalls beobachtet, sich aber weggedreht und nicht eingegriffen. Schließlich sei der Verletzte von den zuletzt hinzugekommenen Beamten in eine Seitenstraße zu einem Polizeitransporter gezerrt worden. „Rettungssanitäter wurden zunächst nicht durchgelassen und in ihrer Arbeit behindert“, so Max B. Später sei tatsächlich die Kolonne mit US-Präsident Bush an dem Ort des Überfalls vorbeigefahren.

Khaled M. berichtet von weiteren Misshandlungen im Krankenhaus: Mehrfach sei ihm der gebrochene Arm umgedreht worden, um ihn zu fotografieren.

Bei Khaled M.s Anwalt haben sich neun Passanten als Zeugen gemeldet, außerdem vier Familienangehörige von Khaled M, die das Geschehen vom Balkon einer benachbarten Wohnung aus beobachtet hatten.

Die Polizei regierte gestern aufgeschreckt auf die schweren Anschuldigungen. Sogar Polizeipräsident Dieter Glietsch meldete sich zu Wort: „Ich nehme die Vorwürfe sehr ernst und lege größten Wert darauf, sie schnell und gründlich zu überprüfen“, sagte er dem Sender Freies Berlin. Ein Sprecher der Polizei sagte, es werde „mit Nachruck ermittelt“. Vor einem Zwischenergebnis müssten noch zahlreiche Zeugenaussagen und die Fotografien ausgewertet werden. Ob die beschuldigten Beamten mittlerweile identifiziert sind, konnte der Sprecher nicht sagen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen