piwik no script img

„Es ist noch vieles möglich“

Der Bankrechtler Hans-Peter Schwintowski fordert eine Rücknahme der Garantien für die Immobilienfonds der Bankgesellschaft. Denn diese seien rechtswidrig. Anleger sollen Risiko tragen

Interview RICHARD ROTHERund WALTRAUD SCHWAB

taz: Herr Schwintowski, die Risikoabschirmung bei der Bankgesellschaft belastet den Landeshaushalt auf Jahrzehnte. Hätte es Alternativen gegeben?

Hans-Peter Schwintowski: Der rot-rote Senat und das Abgeordnetenhaus hätten über die Frage nachdenken müssen, ob die Garantien der Landesbank für die Immobilienfonds überhaupt rechtmäßig gewährt worden sind. Sind diese nämlich nicht rechtmäßig, hätte man die Risikoabschirmung nicht gebraucht; nicht das Land Berlin, sondern die Fondsgesellschaften müssten für eingetretene Verluste aufkommen. Allerdings ist noch vieles möglich: Denn das Gesetz zur Risikoabschirmung legt fest, dass die genauen Umstände der Risikoabschirmung in Detailvereinbarungen noch geklärt werden müssen.

Was müsste jetzt geschehen, um die Verluste für das Land Berlin zu drücken?

Die langfristigen Mietgarantien in den Immobilienfondsverträgen, die sich auf 25 bis 30 Jahre belaufen, müssten nachträglich auf das marktübliche Maß von fünf Jahren reduziert werden. Diese fünf Jahre wären im Augenblick bei fast allen Fondszeichnern herum, so dass wir fast kein offenes Risiko mehr hätten. Damit büßte der Fondszeichner zwar rund 20 Prozent seiner Anlage ein, der Steuerzahler würde aber um bis zu 18 Milliarden Euro Risiko entlastet. Marktübliche Bedingungen wären auch, am Ende der Laufzeit nicht jenen Betrag an den Fondszeichner zurückzuzahlen, mit dem er eingestiegen ist, sondern einen Anteil entsprechend dem Marktwert der Immobilien. Nach den derzeitigen Verträgen muss die Bankgesellschaft, respektive das Land Berlin, die Differenz an die Fondszeichner zahlen.

Die Anleger werden aber kaum freiwillig auf garantierte Gewinne verzichten.

Wenn wir die beiden Dinge abwägen – Sozialisierung von Marktrisiken auf den Steuerzahler, der gar keine Gegenleistung dafür hat, gegenüber der Situation, in der sich ein typischer Anleger befindet – dann sage ich, ein typischer Anleger befindet sich typischerweise in einer marktwirtschaftlichen Situation. In der weiß er, dass er das Risiko seiner Anlage mit seiner Gesellschaft zusammen trägt. Dass sein Risiko durch eine Staatsgarantie abgesichert ist, ist für eine Marktwirtschaft völlig atypisch.

Was müsste der Senat tun?

Ich würde dem Land Berlin, das die Mehrheit bei der Bankgesellschaft hat, raten, über den Aufsichtsrat dem Bankvorstand zu empfehlen, entweder die Generalgarantie zu widerrufen oder den Anlegern mitzuteilen, dass man zwei Dinge vorhat: erstens, die Garantien und Andienungsrechte auf ein marktmäßiges Niveau zurückzuführen. Zweitens sollte er die Anleger bitten, sich in einer Anlegervereinigung zusammenzuschließen und einen Musterprozess zu führen, in dem die Anleger die Bankgesellschaft auf Fortführung dieser Garantien verklagen. Durch alle Instanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht oder bis zum Europäischen Gerichtshof. Damit der Fall für alle Beteiligten rechtlich verbindlich geklärt ist.

Sehen Sie eine Chance, dass dieses Fass aufgemacht wird?

Meiner Meinung nach ist die Bank rechtlich verpflichtet, Garantien runterzufahren, wenn sie das Gesetz ernst nimmt. Die Bank muss ihren Anlegern sagen, dass sie die Garantien nicht mehr oberhalb des Marktniveaus erfüllt. Zahlt die Bank nicht mehr, können die Anleger nur klagen.

Einmal geschlossene Verträge nicht einzuhalten, ist nicht gerade imagefördernd für eine Bank. Was sollte geschehen, wenn sich die Bank nicht darauf einlässt?

Dann müsste das Abgeordnetenhaus eingreifen und sie anhalten, ihren rechtlichen Pflichten nachzukommen. Geschieht das nicht, stellt sich die Frage, ob Abgeordnete sich persönlich haftbar machen und man sie persönlich in Schadenersatzanspruch nehmen kann, weil sie ihren Rechtspflichten gegenüber dem Souverän nicht nachkommen und das Geld des Steuerzahlers verschwenden. Wenn das alles nicht hilft, bleibt nur die Abwahl bei der nächsten Wahl.

Die Möglichkeit, die Fondsbedingungen auf marktübliche Konditionen zurückzustufen, bezeichnen Sie als „weiche“ Lösung. Wie sähe die „harte“ aus?

Die harte Lösung wäre, die Immobilientochtergesellschaft (IBG) der Bankgesellschaft in die Insolvenz zu führen. Dazu müsste die Generalgarantie, die die Landesbank Berlin (LBB) als Tochter der Bankgesellschaft den meisten Fonds gegeben hat, widerrufen werden. Das hieße, dass die LBB, und damit das Land Berlin, für die Schulden der IBG nicht mehr einstehen müsste. Nach derzeitiger Lage ginge dann die Immobilientochter IBG in die Insolvenz. Für die Fondszeichner hätte dies erhebliche Verluste zur Folge. Deshalb würde ich der „weichen Lösung“ auch Chancen einräumen, von den Anlegern angenommen zu werden.

Können Garantien, die die Landesbank ihrer Immobiliengesellschaft IBG gegeben hat, denn widerrufen werden?

Die Garantien sind rechtswidrig gegeben worden. Aus zwei Gründen: Erstens darf eine öffentliche Landesbank nur bestimmte Geschäfte machen nach ihrer Satzung und nach dem Gesetz. Dazu gehört nicht die Übernahme des Unternehmerrisikos einer ganzen Immobilientochter. Indem die Landesbank die Garantie trotzdem gegeben hat, hat sie etwas getan, was sie gar nicht durfte. Sie hat damit etwas Rechtswidriges und damit Nichtiges getan. Zweitens ist die Generalgarantie eine Beihilfe im Sinne des europäischen Rechts. Solche Beihilfen sind nur zulässig, wenn man sie vorher anmeldet, notifiziert und genehmigt bekommt von Brüssel. Das ist nie geschehen; und die Beihilfe wäre auch nicht genehmigungsfähig gewesen, weil sie Marktrisiken auf den Steuerzahler verlagert. Leider sind die Möglichkeiten, die Garantieübernahmen rechtlich anzufechten, nach meiner Kenntnis nicht wirklich geprüft worden.

Es klingt, als hätten Sie die Lösung für das Problem.

Ich glaube, dass ich keinen Unsinn erzähle und dass ich wirklich gute Argumente habe. Aber wir sind im Recht, und das bedeutet, es ist keine Logik, keine Mathematik, es ist eine auf bestimmte Regeln zurückgeschnittene Interessendurchsetzung, die im Moment stattfindet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen