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Gregor Gysis langer Schatten

Mit Nachdruck sucht die PDS einen neuen Wirtschaftssenator. Doch der muss mehr können als nur Händeschütteln. Eigentlich brauchte die PDS eine Mischung aus fünf Personen und Qualifikationen

von UWE RADA

Die Findungskommission der PDS hat es nicht leicht. Schließlich gilt es, nicht nur einen Wirtschaftssenator für den rot-roten Senat zu finden, sondern auch einen Therapeuten für die geschundene Parteiseele. Im Grunde genommen suchen Harald Wolf, Stefan Liebich und Co. sogar nach fünf Personen in einer. Die taz verrät, welche.

Der Wirtschaftssenator: Er sollte eloquent sein, einnehmend in seiner Person, kosmopolitisch sogar und mindestens Englisch sprechen. Auch wenn die Wirtschaftsminister anderer Bundesländer diese Anforderungen nicht oder nur zum Teil erfüllen – in Berlin gelten andere Kritierien. Schließlich muss der Wirtschaftssenator der Bundeshauptstadt etwas verkaufen, was es gar nicht gibt: nämlich die Stärke des Standorts Berlin. Zugleich sollte er, um nicht als allzu sehr als Heuchler dazustehen, selbst an das glauben, was er sagt. Ein Kosmopolit und Überzeugungstäter in Hemdsärmeln also. Wäre er nicht schon Staatssekretär, wäre der ehemalige IHK-Chef Volkmar Strauch ein geeigneter Kandidat.

Der Seelenklempner: Gregor Gysi war die Seele der PDS. Nun liegt die Partei auf der Couch. Sie leidet an Desorientierung, mangelndem Selbstwertgefühl und Panik angesichts der bevorstehenden Wahlen. Wer an solch multipler Depression leidet, braucht schnellstens Hilfe. Am besten von einem, der die Partei nicht nur ernst, sondern auch mal in den Arm nimmt. Lothar Bisky wäre so ein Typ, nur hat der ja schon vor Gysi die Segel gestrichen. Oder doch besser eine Therapeutin? Nur welche, etwa Petra Pau?

Der Opferbereite: Gregor Gysi hat das Handtuch geworfen und war nicht länger bereit, seiner Partei ein Opfer zu bringen. Was also läge näher, als dass die Partei und einer ihrer Soldaten nun ein Opfer bringt. Das bedeutet natürlich auch, dass woanders eine Lücke gerissen wird – eine große womöglich. Das ist nun mal der Preis. Es gibt aber auch etwas zu gewinnen, nämlich an Selbstbewusstsein für einen Berliner Landesverband und natürlich den Wiedereinzug in den Bundestag, und der wird bekanntlich in Berlin entschieden. Einer, der das könnte, wäre der mecklenburg-vorpommersche Vizeregierungschef Helmut Holter. Eine Wahlniederlage in Schwerin und ein Wiedereinzug in Berlin, das wäre nicht nur Opfer, sondern auch Gewinn. Auch wenn Strippenzieher wie der PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch nicht in der Findungskommission sitzen, werden sie sicher Holters Telefon heiß laufen lassen.

Der Mehrheitsbeschaffer: Wir erinnern uns an den Tag, an dem der rot-rote Senat gewählt wurde. Peter Strieder fiel im ersten Wahlgang durch, abgestraft, wie es hieß, von der eigenen Fraktion. Der PDS hätte das, dank ihres Fraktionsvorsitzenden, nicht passieren können. Damit ist Harald Wolf als Fraktionsvorsitzender unersetzlich. Das hat nicht zuletzt die Geschlossenheit der PDS-Fraktion bei der Risikoabsicherung der Bankgesellschaft gezeigt. Wenn Harald Wolf also wider Erwarten in den Senat wechselte, müsste die PDS zwar keinen Wirtschaftssenator mehr suchen, aber einen neuen Mehrheitsbeschaffer. Ansonsten könnte es sein, dass der neue Wirtschaftssentor wie Strieder im ersten Wahlgang durchfällt.

Der Popstar: Politik ist Pop, das hat die politische Beliebtheitsskala in Berlin hinreichend unter Beweis gestellt. Wowereit und Gysi vorne, der ewig nörgelnde Strieder so weit unten wie ansonsten seine Mundwinkel. Nach Gysis Abgang ist also wieder Glamour gefragt. Wie wäre es mit Shawne Borer-Fielding? Die könnte dann ja auch als Frauensenatorin glänzen.

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