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„Gestärktes Selbstwertgefühl“

Die Türkei hat Minderheitenrechte für Kurden beschlossen. Das hat Auswirkungen auch auf die hiesige türkische Community, meint Riza Baran (Grüne). Der Vorsitzende der „Kurdischen Demokratischen Gemeinde“ erhofft sich mehr Akzeptanz in Berlin

lnterview WALTRAUD SCHWAB

taz: Herr Baran, vor zwei Wochen hat die „große Nationalversammlung der Türkei“ Minderheitenrechte beschlossen. Darunter das Recht auf Erziehung und Bildung in kurdischer Sprache und Kultur. Wie reagieren Kurden und Türken in Berlin darauf?

Riza Baran: Es ist eine Erleichterung für viele. Auch für die, die nicht kurdischer Abstammung sind.

Warum das?

Dass Kurden und Kurdinnen nicht anerkannt waren, war für viele Türken und Türkinnen immer eine Belastung. Denn als türkische Migranten haben sie hier in Berlin umgekehrt ja auch ähnliche Ausgrenzung durch Deutsche erfahren. Bei der Forderung nach muttersprachlichem Unterricht musste man sich von konservativer Seite beispielsweise anhören: Bei euch haben Kurden kein Recht auf ihre Muttersprache, aber ihr wollt das hier für euch haben.

Wollen Sie sagen, dass die türkische Politik für die Berliner Türken von Nachteil war?

Das Recht auf muttersprachlichen Unterricht ist international anerkannt. Es müsste das demnach hier und dort geben. Durch solche Differenzen ist vielen Türken klar geworden, wie sich Benachteiligung auswirkt. Dass es nun diese Gesetzesnovelle gibt, ist eine große Erleichterung.

Die jedoch in der Öffentlichkeit bisher kaum zu spüren ist.

Das Gesetz ist beschlossen, aber noch nicht in Kraft. Derzeit wird abgewartet, wie es weitergeht und ob die Verwaltung das nicht verschleppt. In der Türkei hat das Gesetz große Debatten und Kontroversen in Gang gesetzt. Die Medien hier haben diese aber nicht aufgegriffen.

Welche Kontroversen?

Es gibt Diskussionen darüber, ob mit der Anerkennung neuer Minderheiten der Nationalstaat zerfällt. Die Türkei ein Vielvölkerstaat, Multikulturalität statt Homogenität sind die Stichworte. Von nationalistischer Seite wird der Verlust von Wert und Moral beschworen. Ebenfalls von ihnen geschürt: die Kontroversen zur Todesstrafe.

Haben Sie damit gerechnet, dass es zu der Entscheidung im türkischen Parlament kommt?

Nachdem die EU im Dezember 1999 die Türkei als Kandidat für die EU-Mitgliedschaft anerkannt hat, hat sie einen Katalog aufgestellt, mit den Bedingungen, die an eine Mitgliedschaft geknüpft sind. Darunter wurde die Anerkennung der Rechte der Minderheiten und die Aufhebung der Todesstrafe gefordert. Wir von der Kurdischen Demokratischen Gemeinde haben im Vorfeld alle Abgeordneten, von denen wir glaubten, dass wir sie von unseren Argumenten überzeugen können, angeschrieben und sie gebeten, dem Gesetz zuzustimmen.

Wie geht es nun weiter?

Jetzt muss umgesetzt werden, dass es in der Türkei beispielsweise kurdischen Unterricht gibt. Dort aber fehlt alles: Keine Lehrbücher, kein Curriculum für die kurdische Sprache an türkischen Universitäten, keine Dozenten, keine Bibliotheken für kurdische Literatur. In Berlin, in Westeuropa ist man da weiter. Hier gibt es Kinder- und Lehrbücher auf Kurdisch.

  In Schweden werden für Kurdisch auch Lehrer an den Universitäten ausgebildet. Wir müssen die Türkei dabei unterstützen, dass für die politische Entscheidung nun Verantwortung im Alltag übernommen wird. Ressourcen dafür sind da.

Was wird sich konkret für die Kurden in Berlin verändern?

Das Selbstwertgefühl wird gestärkt. Endlich die eigene Sprache akzeptiert sehen, das ist wunderbar. Dass die offizielle türkische Fernsehanstalt TRT, die auch hier empfangen wird, nun Programme in kurdischer Sprache anbieten will, das ist eine kleine Revolution. Dazu muss derzeit aber noch das Sendegesetz geändert werden. Jetzt kann man sich über kurdische Kultur, Sprache, Gesellschaft unterhalten, ohne gleich als Extremist diffamiert zu werden, ohne mit negativen Folgen rechen zu müssen.

Mit welchen?

Leute, die vorher beispielsweise muttersprachlichen Unterricht auf Kurdisch gefordert haben, wurden vor den Kadi gestellt. Wenn man sich hier dafür eingesetzt hat, konnte man auf Reisen in die Türkei durchaus Probleme bekommen. Dem Verantwortlichen der Volkshochschule Kreuzberg, der zum ersten Mal Kurdischkurse zugelassen hat, wurde prompt der türkische Pass entzogen. Noch bis vor wenigen Jahren hatten wir hier in Berlin Schwierigkeiten, finanzielle Unterstützung für den Verein „Kurdisches Kultur- und Beratungszentrum“ zu bekommen. Uns wurde Geld zugesagt, wenn wir das „Kurdisch“ aus dem Namen streichen. Außenpolitische Rücksichtnahme erfordere dies. Jetzt auf einmal anerkannt zu werden nimmt diesen ganzen Druck, diese ganze Heimlichtuerei.

Wird die Entwicklung Auswirkungen auf die Integration in Deutschland haben?

Wer nicht akzeptiert wird, zieht sich aus der Gesellschaft zurück. Man meidet die Auseinandersetzung mit der Argumentation, ich werde sowieso nicht wahrgenommen. Die Kurden erlebten diese Negation in Deutschland ja auf zweifache Weise. Zu spüren, was Anerkennung zumindest in einem dieser Fälle bedeutet, wird auch die Bereitschaft größer machen, sich der deutschen Gesellschaft zu öffnen. Das alleine reicht aber nicht, die Deutschen müssen umgekehrt auch auf die Migranten und Migrantinnen zugehen. Die Deutschen haben ja – entsprechend der Vorgaben aus der Türkei – die Kurden, aber auch Tscherkessen und Lasen, kulturell und staatsrechtlich mit Türken gleichgesetzt. Die Veränderung durch dieses Gesetz wird der Türkei gut tun, aber auch den Menschen in Berlin. Wenn das Misstrauen zwischen Türken und Kurden abgebaut wird, hilft das, auch das Misstrauen den Deutschen gegenüber abzubauen.

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