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Elbe sinkt und stinkt

Flut wandert flussabwärts. Hochwasser niedriger als befürchtet. Viele Kläranlagen außer Betrieb: Millionen Kubikmeter Abwässer verdrecken den Fluss. Trittin: Reduzierung von Flächenverbrauch

BERLIN/HAMBURG dpa/taz ■ Der Hochwasserscheitel hat jetzt Mecklenburg erreicht: Am Morgen sollte mit der Evakuierung der Stadt Dömitz und weiterer fünf Orte begonnen werden. Während die Krisenstäbe gestern fieberhaft die Evakuierung von etwa 10.000 Menschen vorbereiteten, beschäftigte die Politik der Streit über die Schadensfinanzierung. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) erläuterte dem Haushaltsausschuss des Bundestages in einer Sondersitzung die am Vorabend beschlossene Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform vom kommenden Jahr auf 2004, die 6,9 Milliarden Euro freimachen soll.

Während sich die bündnisgrüne Energieexpertin Michaele Hustedt davon überzeugt zeigte, „dass es für diesen Schritt ein großes Verständnis in der Bevölkerung“ gebe und die Opposition „dem zustimmen wird“, bezeichnete Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) den Finanzierungsplan als „zu einseitig“ und „sozial unausgewogen“. Dagegen sagte Stoibers Wirtschaftsexperte im Wahlkampfteam, Lothar Späth (CDU), die Union sei im Prinzip bereit, den Finanzierungsvorschlag mitzutragen, wenn es noch Änderungen bei der „sehr ungleichen Steuerentlastung“ gebe.

Neben dem aktiven Kampf an der Unterelbe und dem politischen Streit in Berlin rücken nun die Folgen der Flut stärker in den Blickpunkt. Nach Angaben von Michaele Hustedt beziffert die Allianz-Versicherung die unmittelbare Schadenssumme auf bis zu 15 Milliarden Euro. Umweltschützer befürchten, dass der Zerstörung durch Wasser nun eine Zerstörung durch im Fluss gelöste Umweltgifte folgt. Weil entlang der Elbe die meisten Kläranlagen außer Betrieb sind, wird zudem mit Millionen Kubikmetern ungeklärten Abwässern gerechnet, die den Fluss runtergehen. Allein in Dresden flossen nach Schätzungen bislang eine halbe Million Kubikmeter ungeklärt in die Elbe. Als „herben Rückschlag“ bezeichnet Professor Heinrich Reinke von der Elbe-Wassergütestelle das Hochwasser. Sein Institut hatte in der letzten Woche Proben genommen, deren Auswertung für Morgen angekündigt wurde. Ein erster Trend zeige jedoch, dass „die Belastung durch Schwermetalle im Mittel um das Zehnfache angestiegen ist“.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) informierte sich gestern im überschwemmten tschechischen Chemiewerk Spolana über das Ausmaß des Gifteintrages. Die tschechischen Behörden hatten Umweltalarm ausgelöst. In einem Interview mit der taz kündigte Trittin an, die Wohnungsbauförderung zu ändern. Bauen auf der grünen Wiese werde doppelt so stark subventioniert wie in Städten. Trittin: „Das kann so nicht weitergehen.“ Er kündigte an, den Flächenverbrauch von derzeit 130 Hektar pro Tag bis 2015 auf 30 Hektar zu reduzieren.

NICK REIMER

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