: „Es gibt noch Reserven“
Stefan Liebich, Landes- und Fraktionschef der PDS, sieht Möglichkeiten, die Rolle der PDS in Berlin zu profilieren. Dass er beide Ämter behält, macht er dabei nicht zum Prinzip
taz: Gestern tagten Fraktions- und Landesvorstand der PDS. Welche Konsequenz wird aus dem schlechten Wahlergebnis der PDS auch in Berlin gezogen?
Stefan Liebich: Wir haben für uns natürlich eine Niederlage konstatieren müssen. Und wir haben darüber geredet, was künftig in Berlin zu tun ist.
Verraten Sie uns, was?
Es ist ganz klar, dass es darauf ankommen wird, die Rolle der PDS in dieser Koalition deutlich zu machen. Und zwar nicht auf Basis von Gezänk mit dem Koalitionspartner, sondern auf der Basis von eigenen, profilschärfenden Konzepten.
Profil zeigen war ja auch schon in den letzten acht Monaten Ziel der PDS. Was haben Sie falsch gemacht?
Dass wir etwas falsch gemacht hätten, geht von der These aus, dass dieses Wahlergebnis auch auf schlechte Regierungsarbeit zurückzuführen ist. Ich denke, dass die Berliner Zahlen die These nicht bestätigen. Natürlich lief die bisherige Arbeit auch nicht fehlerfrei.
Der gescheiterte Direktkandidat von Treptow-Köpenick, Ernst Welters, und die neue Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch sprechen von einem Schmusekurs mit der SPD.
Ich weiß, dass es da in der Partei unterschiedliche Einschätzungen gibt. Wir hatten bisher in der Koalition aber die Praxis, Konflikte auszutragen und das Ergebnis dann auch gemeinsam zu vertreten. Das halte ich weiterhin für richtig. Zänkische Koalitionen hatte die Stadt lange genug.
Wessen Aufgabe ist die Schärfung des Profils? Ist es die der Partei oder auch der Fraktion?
Zuallererst ist die Partei gefragt. Die Fraktion muss die Konzepte erarbeiten, die in der konkreten Situation dafür taugen. Das passiert zum Teil, zum Teil gibt es da aber auch noch Reserven.
Sie selbst haben ja schon zum Beginn der Koalition angekündigt, die Meinungsführerschaft gegenüber der SPD erkämpfen zu wollen. Nun sind Sie nicht mehr nur Landes-, sondern auch Fraktionschef. Sehen Sie da einen Widerspruch? Als Landesvorsitzender schärfen Sie das Profil, als Fraktionschef sind Sie für die Koalitionsdisziplin verantwortlich.
Nicht nur. Ich finde, dass die Fraktion auch etwas mit dem Profil zu tun hat. Wir sind ja nicht nur ein Akklamationsorgan für die Regierung. Trotzdem, glaube ich, muss es kein Prinzip sein, dass beide Posten in einer Hand sind. Ämter sind auch immer Ämter auf Zeit.
Heißt das, Sie werden im Verlauf der Legislatur als Fraktionschef zurücktreten?
Ich bin jetzt als Fraktionsvorsitender für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt. Ob ich danach noch einmal kandidiere, wird man sehen. Im Moment neige ich dazu. Im Dezember nächsten Jahres wird auch wieder über das Amt des Landesvorsitzenden entschieden.
Das heißt, Sie tendieren eher zum Fraktions- als zum Landesvorsitz.
Das sehen wir, wenn es ansteht.
Wird mit dem Rausschmiss der PDS aus dem Bundestag auch die Stimme derer lauter, die ein Ende der rot-roten Koalition fordern?
Diese Forderung habe ich bisher nur in der Zeitung gelesen. Selbst im Parteivorstand ist sie nicht erhoben worden, nicht einmal von Sahra Wagenknecht. Wir haben im Moment eher eine Diskussion, ob wir unsere Rolle als Regierungspartei richtig ausfüllen.
Verliert die PDS auf Dauer ihren dritten Platz im Berliner Parteienspektrum? Viele PDS-Wähler haben ja grün gewählt und sind vielleicht auf den Geschmack gekommen.
Ich hoffe nicht, aber das hängt zuallererst von uns ab. Wir müssen aber feststellen, dass auch die PDS-Wählerschaft in großem Maße bereit ist, taktisch zu wählen. Darauf muss man sich einstellen.
Was heißt das für Ihre Politik?
Eine Politik zu machen, die den Nutzwert der PDS deutlich macht. Die Leute brauchen nicht die Bestätigung von grundsätzlichen Positionen, sondern sie brauchen Vorschläge zur Umsetzung tagtäglicher Politik.
Wie gehen Sie mit dem Druck um, dass auf Ihnen nun nicht nur die Senatskoalition lastet, sondern auch die bundespolitische Wahrnehmung der PDS?
Erstens ist das nicht neu. Zweitens nimmt das wahrscheinlich zu. Und drittens müssen wir unsere Arbeit so gut wie möglich machen. INTERVIEW: UWE RADA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen