: „Bankräuber kann potenziell jeder sein“
„Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“, fragte Bertolt Brechts Mackie Messer. Der Kulturwissenschaftler Klaus Schönberger hat sich mit der Theorie und Praxis des Bankraubwesens beschäftigt
taz: Was interessiert Sie an Banküberfällen?
Klaus Schönberger: Es gibt zwei verbreitete Kollektivfantasien: im Lotto zu gewinnen und eine Bank zu überfallen. Interessant ist auch, dass die soziale Frage neu verhandelt wird. Leute eignen sich etwas an, das ihnen nicht gehört. Sie haben eine andere Vorstellung von der Verteilung, wie auch immer man das bewertet.
In Berlin hat die Zahl der Banküberfälle stark zugenommen, woran liegt das?
Man muss feststellen, dass die Banküberfälle im Vorjahr dramatisch zurückgegangen sind. Das hat mit der Euro-Umstellung zu tun. Es wäre aus der Logik der Bankräuber Unfug gewesen, D-Mark zu erbeuten. Die Bankräuber holen das eventuell nach.
In den vergangenen Jahren wurden weniger Banken überfallen. Stehen wir vor einer Renaissance des Bankraubs?
Ich denke nicht, dass Bankraub aus der Mode kommt. Solange es Banken und Bargeld gibt, werden Leute versuchen, sich das anzueignen. Dabei waren Banküberfälle noch nie besonders rational. Im Vergleich zur Wirtschaftskriminalität sind die erbeuteten Beträge volkswirtschaftlich belanglos.
Wie sieht der typische Bankräuber in der Realität aus?
Den typischen Täter gibt es nicht, Bankräuber kann potenziell jeder sein. Leute, die Geld für einen Schuss brauchen, die sich verschuldet haben. Kürzlich konnte man von einem Arbeitgeber lesen, der auf diese Weise die Löhne auszahlen wollte.
Junkies, die schnelles Geld brauchen, Tresorknacker, die ganze Automaten aus der Wand reißen – verblasst der Mythos des stilvollen Bankräubers?
Machen wir uns nichts vor, diesen Stil gab es auch vorher nicht. Ein Banküberfall ist immer mit Gewalt verbunden. Die Berliner Tunnelgangster waren äußerst stilvoll, als sie die Bank heimlich durch einen Tunnel verlassen haben. Dennoch haben sie ihre Geiseln nicht gerade pfleglich behandelt. Es kann beides zusammenkommen, die geniale Idee und die Missachtung der Menschen.
Welche Entwicklungen gab es im Bankraubwesen?
Zum einen die Entwicklung vom Tresorknacken zum bewaffneten Raubüberfall. In Deutschland wurde Bankraub erst in den Sechzigerjahren ein Massenphänomen. Das hat zu tun mit der Prosperität, es gab mehr Waren und mehr Bedürfnisse. Mit den erhöhten Sicherungsmaßnahmen in den Siebzigerjahren kam es zu einer Brutalisierung und der Zunahme von Geiselnahmen. Völlig neu ist der Online-Bankraub, der meiner Meinung nach aber eine Fortentwicklung des Tresorknackens ist.
Was sind die wichtigsten Motive für einen Banküberfall?
Der Wunsch nach einem besseren Leben, ökonomische Gier, finanzielle Probleme und manchmal auch ein Stück Abenteuerlust. Und natürlich politische Gründe.
Wie riskant ist ein Bankraub?
Die Aufklärungsquote ist relativ hoch. Vor allem Anfänger machen häufig Fehler. Viele kommen zwar aus der Bank raus und können auch noch abhauen. Ein wesentliches Moment ist aber, dass die Täter später nicht auffallen dürfen, daran scheitern viele.
INTERVIEW: TILMAN GÜNTHER
Klaus Schöneberger, Jahrgang 1959, ist Kulturwissenschaftler in Tübingen und Herausgeber des Buches „VaBanque“.
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