der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR:
… ist dabei, seine Würde zu verlieren. Sie wird ihm genommen, zugegeben, von einem durchgeknallten Hetero. Das trifft nicht mitten ins Herz, ist aber dennoch ehrabschneidend. „Dieter Bohlen ist Oscar Wilde“, schreibt Franz Josef Wagner in der Welt am Sonntag, und der Bohlen-Biografie-Verleger Heyne trumpft damit auch noch auf in seiner neuesten Anzeigenkampagne. Da bleibt einem die Spucke weg. Der doch gebildete, brillant lästernde und ästhetisch versierte Ire, als Schwuler ein Opfer seiner Zeit, muss sich vergleichen lassen mit Deutschlands dämlichstem Pop-Proll, der lediglich zwischen zwei Buchdeckel pressen ließ, was seine Heten-Hoden nicht mehr halten konnten.
Aber das ist nicht die einzige Ungereimtheit beim momentanen Bohlen-Hype. Fast jedes Blatt setzt veritable Rezensenten auf die Potenzprahlerei an, und Bohlen’sche Geschlechtsgenossen sind es in der Regel, die der blonden Fickmaschine ihre Aufwartung machen. Denn die offiziell verordnete Häme kann nur schwer die eigentliche Bewunderung verdecken für einen, der den Weibern zeigt, wo’s langgeht. Und hinter der feuilletonistischen Attitüde steckt blanker Neid auf den, der nicht nur seinen Schwanz in jede Möse steckt, sondern auch noch jeder Frau abschließend einen Tritt verpasst – vor aller Augen. Welcher Mann hat davon nicht schon einmal geträumt? Diese tief empfundene Frauenfeindschaft macht aus Kumpeln Brüder, mit einem Tausendsassa wie Dieter Bohlen mittenmang, einer mit „Ecken und Kanten“ (Tagesspiegel), „erfrischend respektlos“ (Die Welt), „Der Dieter is halt, wie er is“ (Stern).
Damit nicht genug, dahinter steckt auch noch eine Frau. Ein Sieg des Feminismus? Die Krone des chauvinistischen Roll-back? Auf jeden Fall hat es bisher kaum eine so gut wie Katja Kessler, die Erfinderin von Bohlens Potenzprosa, verstanden, ihre Kollaboration mit den Männern zu vermarkten. Erste Aufmerksamkeit erregte die als Mann getarnte Frauenfeindin mit ihren Wichstexten zu den Wichsbildern auf Seite eins der Bild. Als bekannt wurde, dass die Exzahnärztin hinter den strunzdummen Zeilen steckte, geriet die Männerwelt aus dem Häuschen vor Begeisterung. Die tägliche Portion übelster Misogynie, bravourös gefertigt von einer Frau – und kein Mann musste sich die Hände schmutzig machen dabei. So viel Einsatz wurde belohnt, Bild-Chef Kai Diekmann heiratete die willige Helferin.
Mit dem Auflagenerfolg des Bohlen-Buchs im Rücken, riskiert Katja Kessler jetzt erst recht die dicke Lippe. In einem SZ-Interview schwadroniert sie von einer „deutschen Sittengeschichte“, die sie da verfasst habe, und hält ihre Häme für jene Frauen, die sie in Bohlens Namen in die Pfanne haut, kaum im Zaum. Und angesprochen auf ihren Part bei Bohlens biografischer Selbstfindung, gibt sie ganz abgewichst-kokett die Weibchenrolle: „Ich verstehe mich als diejenige, die aus Wolle einen Pulli gestrickt hat.“ „Gesegnet seien jene“, sagte einst der große Oscar Wilde, „die nichts zu sagen haben und den Mund halten.“ Die Kessler hätte er gemeint und den Bohlen auch – ganz sicher.
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