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Zurück zur Polizei-Kaserne

Plan der Innenbehörde: Polizeiausbildung soll wieder unter Kontrolle des Apparats. Ballast einer wissenschaftlichen Ausbildung wird zugunsten der Praxisnähe abgestoßen, dafür wird die Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung zerschlagen

Von KAI VON APPEN

Innensenator Ronald Schill, Innenstaatsrat Walter Wellinghausen, sowie Polizeipräsident Udo Nagel machen Nägel mit Köpfen: Sie möchten die Ausbildung von Hamburgs PolizistInnen wieder voll und ganz in den Griff bekommen und unter dem Vorwand der Praxisnähe als Polizei-Akademie zusammenfassen. Dafür ist die Innenbehörde sogar bereit, die “Fachhochschule für öffentliche Verwaltung“ (FHÖV) – zu der neben dem Fachbereich “Polizei“ die Ressorts „Allgemeine Verwaltung“ und „Finanzen“ gehören – aufzulösen. Ein entsprechender Gesetzentwurf, der der taz vorliegt, ist dem Senat zugeleitet worden. Die bundesweite Rektorenkonferenz der Öffentlichen Verwaltung hat gegen die „Zerschlagung“ der Hochschule für den öffentlichen Dienst bereits heftig protestiert (siehe Kasten). „Während sich die Hochschulen fit machen für die Zukunft, knüppelt die Polizei ihre Ausbildung zurück in die 60er Jahre“, gibt es auch aus dem Polizeiapparat massive Kritik.

Schon unter der Ägide von SPD-Innensenator Hartmuth Wrocklage gab es immer wieder Bestrebungen des Polizeiapparats, den Einfluss der Polizeiführung an der so genannten „Polizei-Uni“ zu verstärken und Qualitätsstandarts zugunsten eines reibungslosen Polizeivollzugsdienstes zu reduzieren – so zum Beispiel bei den Fächern Staats-, Versammlungs- und Verwaltungsrecht sowie Sozialwissenschaften. An der FHÖV/Fachbereich Polizei werden PolizistInnen im gehobenen Dienst zu KommissarInnen ausgebildet, was einem Hochschulstudium gleichkommen sollte – das Sprungbrett nach dem Beamtenrahmengesetz für den höheren Dienst zum Polizeioffizier.

Nach den Plänen von Schwarz-Schill sollen die Polizei-Uni und die Landespolizeischule (LPS), die sich räumlich in Alsterdorf auf dem gleichen Areal befinden, zu einer Einrichtung fusionieren. In der LPS werden die „Frischlinge“ ausgebildet – also zum Teil 16- bis 18-jährige Jugendliche, die nach der Schule die Polizei-Ausbildung beginnen. Zudem soll die Polizei-Uni auch für die Ausbildung der so genannten AiPs („Angestellte im Polizeidienst“) verantwortlich zeichnen. Angelernte, die im Schnellkurs Polizei-Aufgaben übernehmen. Diese Bereiche sollen in der Fachhochschule als Ressorts „Sonderaufgaben“ deklariert werden. „Das ist, als wenn ein Professor, der Maschinenbauingenieure unterrichtet, auch für die Ausbildung der Schlosser-Lehrlinge zuständig ist,“ so ein Insider.

Rektor der neuen Polizei-Uni wird nicht wie bisher eine zivile Professorin, sondern ein Polizeioffizier des höheren Dienstes. Die Gremien der Selbstverwaltung und Hochschulautonomie werden danach faktisch eliminiert, da der Fachhochschulrat polizeidominant besetzt ist. Forschungs- und Entwicklungsvorhaben müssen vorher vom Rektor „genehmigt“ werden. Und auch die Lehrinhalte bestimmen künftig nicht mehr externe ProfessorInnen, sondern nebenberuflich tätige DozentInnen und Lehrkräfte – im Klartext: Polizeiführer des höheren Dienst. „Korpsgeist und Anpassungsverhalten sollen fachhochschulübliche Qualifikationen ersetzen, stattdessen werden nur noch in einer Belehrungskultur polizeiliche Sichtweisen eingebläut“, lauten Befürchtungen aus dem Polizeiapparat.

Aufgrund der räumlichen Gegebenheit, dass sich auf dem Gelände auch Wohnheime für die PolizeischülerInnen befinden, kommen bei den Kritiker kasernenähnliche Assoziationen auf: „Vielleicht gibt es bald ja auch wieder Ausbildung an Maschinengewehren und Granatwerfern statt an Gesetzestexten und Gerichtsentscheidungen.“

Um überhaupt eine solche Fachhochschule realisieren zu können, müssten die Vorschriften des bundesweiten Hochschulrahmengesetzes umschifft werden. „Für eine solche Hochschule sind Ausnahmen von den hochschulrechtlichen Voraussetzungen bei der Errichtung einer Fachhochschule möglich“, kolportiert ein Innenbehörden-Papier. Davor warnt indes der Rektor der FHÖV, Prof. Dr. Thomas Weise, der das Vorhaben als „kontraproduktiv“ bezeichnet. „In Hamburg würde die Herausnahme des Fachbereichs Polizei aus der FHÖV zu einer Zerschlagung der ganzen Hochschule führen.“ Denn keiner der drei Fachbereiche sei für sich als Hochschule existenzfähig. Daran ändere auch nichts, dass es in vier anderen Bundesländern Polizeiakademien gebe, die unter dem Namen „Polizeifachhochschulen“ firmierten. „Eingliedrige Einrichtungen unter staatlicherseits ausgesuchten und eingesetzten Leitungen sind keine Hochschulen“, stellt Weise fest. Selbst wenn diese Einrichtungen für sich in Anspruch nehmen, „gute Ausbildungsarbeit zu leisten, können sie den bundesgesetzlich vorgegebenen Anspruch einer Hochschulausbildung nicht erfüllen.“

Daher haben die Hamburger Pläne bundesweit hohe Wellen geschlagen und zu einer einstimmigen Ablehnung aller Rektoren der Hochschulen für Öffentlicher Verwaltung geführt. „Die vielseitigen Anforderungen des Polizeiberufs lassen es geradezu zwingend erscheinen, die Ausbildung auf Basis interdisziplinärer Erkenntnissen in einem wissenschaftsbasierten, offenen System durchzuführen und sind schwerlich in einem abgeschotteten System optimal zu gewährleisten“ ergänzt Erhard Mielenhausen, Vizepräsident der Hochschulkonferenz aller Universitäten und Hochschulen in Deutschland.

Für die Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten, ist das Vorhaben „nach dem Verfassungsschutzgesetz, der zweite Versuch der Innenbehörde eines staatsstreichähnlich Vorgehens“, so Sprecher Thomas Wüppesahl. „Erneut wird vorbei an zwingenden – auch bundesrechtlichen – Vorgaben hin zu einer Büttel-Polizei mit blauem chic, Perlmutt und Lametta gesteuert.“

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