: Hallo? Ist da draußen jemand?
Europa rüstet die Funksysteme von Polizeien und Hilfsdiensten auf Digitaltechnik um. Doch die deutschen Finanzminister sagen Nein. Damit wäre Deutschland abgeschnitten
BERLIN taz ■ In den Innenministerien und bei der Polizei bricht Panik aus. Eigentlich wollten die Sicherheitsminister auf ihrer Konferenz Anfang Dezember über die weitere Einführung der neuen Digitalfunktechnik Tetra 25 (Terrestrial Trunked Radio) bei den Sicherheitsbehörden beraten. Doch durch das insgesamt rund neun Milliarden Euro teure Projekt haben die Finanzminister nun einen dicken Strich gemacht.
Einstimmig beschlossen sie in der letzten Woche, dass Tetra 25 „momentan nicht finanzierbar“ sei. Dabei hatten die Innenminister im Juni diesen Jahres extra ein Expertenteam eingesetzt, das nach alternativen technischen Lösungen „insbesondere hinsichtlich der Kosten“ suchen sollte. Doch auch die abgespeckte Version war noch zu teuer. Damit droht Deutschland endgültig den Anschluss an die neue Technik zu verlieren und im Verbund mit ausländischen Sicherheitsbehörden für längere Zeit blind und taub zu werden.
Tetra 25 ist verschlüsselbar und gilt als abhörsicher. Zudem sollen Verbindungen in das Telefonnetz und im Endstadium auch die Übertragung von Daten und Fotos möglich sein. Spätestens zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 sollte das System in Deutschland einsatzbereit sein. In einem seit Juli 2001 laufenden Verbundprojekt wird das System derzeit im Dreiländereck bei Aachen gemeinsam von deutschen, belgischen und niederländischen Beamten getestet. Der Pilotversuch war ursprünglich als erster Schritt zur endgültigen Umrüstung aller Polizeien in den EU-Staaten auf den Digitalfunk gedacht. Neben den Sicherheitskräften nehmen auch die Feuerwehr und weitere Hilfsorganisationen an dem Testlauf teil.
Die Bundesrepublik bildet EU-weit längst das Schlusslicht. In Belgien und den Niederlanden sind Tetra-25-Systeme bereits installiert, andere Staaten haben mit dem Aufbau begonnen. In Frankreich wurde mit dem System „Tetrapol“ bereits vor zehn Jahren eine digitale Funktechnik eingeführt. Mit ihm arbeiten auch die Polizeien der Schweiz, der Tschechischen Republik, der Slowakei und Rumäniens. Allerdings fehlt „Tetrapol“ der festgelegte „Euro-Standard“: Es gilt als eher schwerfällig und mit Tetra 25 zumindest derzeit noch nicht kompatibel. Da Paris jedoch nicht mit Millionenaufwand auf eine ähnliche Funktechnik umstellen wollte, lagen die größten Schwierigkeiten bisher auf politischem Gebiet. Nach dem Veto der Finanzminister drücken die Sicherheitsexperten nun andere Sorgen.
OTTO DIEDERICHS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen