: Es heißt wieder Frauenpolitik
Im Gespräch: Heike Peper (Biff Eimsbüttel), Steph Klinkenborg (Frauenmusikzentrum), Angelika Huntgeburth (Dolle Deerns) und Verena Lappe (GAL)
Interview: KAIJA KUTTER
Was hat sich nach einem Jahr Schwarz-Schill für Frauen in der Stadt geändert?
Heike Peper: Sie haben nur noch ein sehr reduziertes Beratungs- und Unterstützungsangebot. Wir müssen sehr viele Frauen abweisen. Frauen haben unter dieser Regierung erklärtermaßen keine Priorität mehr. Aus Frauenpolitik wurde im Handumdrehen Familienpolitik.
Angelika Huntgeburth: Ich kann das aus dem Mädchenbereich nur bestätigen. Unser Beratungsladen von den Dollen Deerns hat stark reduzierte Telefonzeiten und Wartezeiten von mehreren Wochen. Natürlich versuchen die Kolleginnen, trotzdem schnell zu helfen, wenn‘s brennt. Aber die wissen oft gar nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht.
Steph Klinkenborg: Im Musikbereich steht einer Repräsentanz von 95 Prozent Männern nur fünf Prozent Frauen auf den Bühnen gegenüber. Wir haben uns im Frauenmusikzentrum in den vergangenen fünf Jahren bemüht, dafür zu sorgen, dass Repräsentanz von Frauen eine Selbstverständlichkeit ist im Sinne des Gender Mainstreaming. Das wird jetzt gegen uns gewendet, indem gesagt wird, eine spezifische Förderung von Frauen täte nicht mehr Not.
Huntgeburth: Es geht uns allen so, dass mit diesem Argument die Finanzen gekappt werden. Unsere zwei Mädchentreffs in Bergedorf wären beinahe geschlossen worden. Es gibt die Idee, wir bräuchten keine Frauenräume mehr.
Sind ein paar Prozent Kürzung wirklich so bedrohlich? Dem steht doch ein Bewusstseinswandel gegenüber.
Verena Lappe: Es sind nicht ein paar Prozent. Es wurden in 2002 bei den mädchen- und frauenspezifischen Maßnahmen 14 Millionen Euro gekürzt. Das sind 27 Prozent weniger als 2001.
Huntgeburth: Was meinst du mit Bewusstseinswandel?
Heute einfach zu sagen, Frauen geht zurück an den Herd, ist nicht möglich.
Klinkenborg: Aber ein Rollback ist durchaus zu spüren. Das, was wir erreicht haben in 20 Jahren, muss ja auch abgestützt werden. Erst wenn die Strukturen da sind, kann dieses Bewusstsein sich dauerhaft in Handlungen umsetzen.
Huntgeburth: Was hast du vom Bewusstseinswandel, wenn er sich nicht umsetzt? Ich habe zwei Freundinnen, die wollen wieder arbeiten. Sie bekommen keinen Kindergartenplatz, weil sie auf der Liste ganz unten stehen – die Männer verdienen relativ gut.
Peper: Das Gleiche gilt beim Thema Gewalt. Die hat sich im Ausmaß überhaupt nicht geändert. Die Frauenhäuser sind nach wie vor voll. Es ist ein mühsamer Prozess, dass sich Wandel einstellt.
Was passiert, wenn die Frauenprojekte ganz wegbrechen?
Lappe: Ich glaube nicht, dass sie ganz wegbrechen werden. Es ist dem Senat klar, dass sie da nicht weiter reingreifen können. Frauensenatorin Schnieber-Jastram steht schon nicht mehr zu dem Begriff Paradigmenwechsel. Sie spricht jetzt wieder von Frauenpolitik, nicht nur von Familienpolitik. Die Senatorin vertritt Positionen, zu denen wir auch stehen: Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Gender Mainstreaming, Gewaltschutzgesetz und Frauen in Zukunftsberufe. Diese Schwerpunkte hatte Rot-Grün schon vorher gesetzt. Offenbar glaubt die Senatorin jedoch, dass das alles umsonst zu bekommen sei.
Das Verhältnis zwischen Frauenprojekten und Senatorin war um den 8. März herum sehr vereist. Es gab kaum Gespräche. Ist das wieder aufgetaut?
Peper: Nicht das ich wüsste. Es gab ein Gespräch, in dem sie eine klare Abgrenzung uns gegenüber formuliert hat und den Paradigmenwechsel verkündet hat. Es solle sich was ändern, dafür sei sie gewählt. Sie zieht das ziemlich strikt durch. Ich erlebe das als Zerschlagung. Und viele Projekte kommen jetzt in die Not, dass sie auch was für Männer anbieten sollen und fusionieren müssen.
Klinkenborg: Die Bewusstseinsänderung im Senat wurde durch die verlorene Bundestagswahl ausgelöst. Da haben die Frauen nicht CDU gewählt. Ich habe den Eindruck, dass die Politik danach frauenfreundlicher wurde.
Lappe: In der Tat. Frau Koop, die Vorsitzende der Hamburger Frauenunion, vertritt eine für die CDU sicher sehr moderne Frauenpolitik. Bisher konnte sie sich jedoch nicht entscheidend durchsetzen. Seit der Wahl scheint ein Umdenkprozess in Gang gekommen zu sein, weil man auch jüngere Frauen in Großstädten ansprechen will.
Nutzt ihr denn jetzt diesen Wandel und bindet das bürgerliche Lager ein?
Klinkenborg: Wir haben das getan. Unsere Studie zur Repräsentanz von Musikerinnen in der Stadt – nur fünf Prozent Frauen – hat auch Frau Koop überzeugt. Doch leider brachte das für das nächste Haushaltsjahr kein Geld.
Peper: Wir als Projekte müssen unsere Arbeit irgendwie aufrechterhalten. Das erfordert Energie. Aber wir versuchen, uns frauenpolitisch weiter einzumischen und Bündnisse aufzubauen.
Huntgeburth: Was wir im Jugendbereich in den Bezirksausschüssen machen müssen, ist Fortbildung. Da sitzen Leute, die wenig Ahnung haben. Eine fachliche Auseinandersetzung ist da kaum möglich. Da sind noch diese ganz alten Vorstellungen in den Köpfen: Feminismus ist ‚Schwanz ab‘ und ‚BH verbrennen‘. Es ist sehr schwer zu vermitteln, dass Frauen und Mädchen in einem gesellschaftlichen System leben, dass sie praktisch benachteiligt, dass es strukturelle Grenzen für sie gibt, die eine allein nicht verändern kann.
Klinkenborg: Bei uns wurde auch gekürzt, ohne dass die Kultursenatorin hier war oder dass sie weiß, was wir tun. Einfach aufgrund unseres Namens wurden wir zum Relikt der 70er.
Stimmt es, dass die Dollen Deerns zu Koedukation gezwungen werden?
Huntgeburth: Es gab eben die Idee in Bergedorf, die Mädchentreffs durch koedukative Angebote zu ersetzen. Als Träger sollten wir das möglicherweise übernehmen. Das geht aber gar nicht, schon von unserer Satzung her. Uns wurde auch nahe gelegt, unsere Bezeichnung zu ändern und unsere Arbeit ohne provozierende Worte zu beschreiben.
Peper: Wir mussten unsere Leistungsbeschreibung auch ändern. Worte wie ‚feministisch‘ mussten raus.
Hat das Auswirkungen auf die Arbeit?
Peper: Natürlich machen wir weiter unsere Beratung. Aber wir haben einen viel höheren Rechtfertigungsdruck gegenüber der Behörde.
Lappe: Ich finde es sehr schwierig, dass die Frauen protestieren, die in den Projekten arbeiten – und nicht die, die die Nutznießerinnen sind. Das kommt in der Politik schlecht an. Karen Koop hat gerade wieder gesagt, es ginge denen doch nur um ihre Arbeitsplätze. Warum ist es nicht möglich, so etwas wie ,,Ehemaligen-Vereine“ zu schaffen, in denen Klientinnen sich artikulieren?
Peper: Das ist wieder so ein Frauenphänomen. Frauen gehen auf die Straße, wenn es um die Schule ihrer Kinder oder um Kita-Plätze geht. Ich glaube, es ist aber ganz schwierig für Frauen, die beispielsweise psychische Probleme oder Gewalterlebnisse haben und Unterstützung brauchen, dies öffentlich einzufordern.
Huntgeburth: Die müssen erst sehen, dass sie ihr Leben geregelt kriegen.
Lappe: Aber hinterher. Da könnten sich doch beispielsweise prominente Frauen outen. So wie 1975 in der Kam- pagne ‚Ich habe abgetrieben‘. Ein Problem der Frauenprojekte ist, dass sie ihre Arbeit zu billig gemacht und ihre Klientinnen aus der ideellen und finanziellen Verantwortung entlassen haben.
Peper: Das müsste sozial verträglich sein. Wir wollen nicht Frauen über Gebühren ausgrenzen.
Klinkenborg: Wir nehmen Beiträge und Eintritte, sind aber dennoch auf Spenden und Förderung angewiesen. Eine bestimmte Schmerzgrenze darf nicht überschritten werden, denn unsere Bands haben kein Geld.
Lappe: Es gibt genug Frauen, die gute Jobs haben und wenig bezahlen – sozial verträglicher ist das nicht.
Habt ihr keine Hoffnung, dass die Kürzungen zurückgenommen werden?
Lappe: So wie es war, wird es erst einmal nicht wieder werden. Die 14 Millionen Euro sind weg. Und was 2005 passiert, falls es einen Regierungswechsel geben sollte, kann ich heute nicht vorhersagen. Es gibt aber auch Positives. Durch den Druck der GAL und auch der SPD in der Bürgerschaft und dank erneuter Initiative einiger Frauenberatungsstellen hat nun die CDU einen Antrag auf Einrichtung von Interventionsstellen zur Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes eingebracht.
Der Senat besteht fast nur aus Männern. Die sind kritikunempfindlich. Heißt es da nicht, überwintern bis zur nächsten Wahl?
Lappe: Ich habe gerade einen Antrag zu Gender-Budgeting eingebracht. Der kam natürlich nicht durch. Aber interessanterweise waren es CDU und FDP, die sich damit überhaupt auseinander gesetzt haben, nicht die SPD. Damit will ich sagen, dass die Oppositionsparteien derzeit dabei sind, ihre Positionen zwischen äußeren Anforderungen wie Gender Mainstreaming und ,,klassischer“ Frauenpolitik neu auszuloten. Wir müssen das auch tun, wir können nicht überwintern. Meiner Meinung nach brauchen wir das Sowohl-als-Auch. Vermutlich werden zusätzlich männerspezifische Angebote notwendig werden. Neben Willen erfordert dies Geld.
Peper: Ich finde den Ansatz der Geschlechterpolitik zweischneidig. Es ist gut, die Geschlechterfrage in allen Politikbereichen zu stellen. Zum Beispiel aufzuzeigen, dass Straßenbau überwiegend Männern nützt, weil Frauen mehr ÖPNV benutzen. Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen aber, dass mit diesem ‚modernen Begriff‘ die Frauenförderung letztlich ausgehebelt und die Machtfrage verschleiert wird.
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