Arbeitszeitprojekt in Portugal: „4-Tage-Woche erhöht Produktivität“
Mehr Zufriedenheit, mehr Output: Experte Pedro Gomes erklärt, wieso Firmen und ArbeitnehmerInnen das Pilotprojekt in Portugal als Erfolg bewerten.
taz: Im vergangenen Jahr haben 41 portugiesische Unternehmen an einem sechsmonatigen Pilotprojekt für die Vier-Tage-Woche teilgenommen. Jetzt liegen erste Ergebnisse vor. Wie sehen die aus?
Pedro Gomes: Wir haben die Umfragen ausgewertet, die wir nach den ersten vier Monaten gemacht haben. 95 Prozent der Unternehmen beurteilen die Erfahrung als positiv.
Jahrgang 1981, ist Wirtschaftsprofessor an der Birkbeck University of London. 2021 veröffentlichte er das Buch „Friday is the New Saturday“, in dem er seine Vision der Vier-Tage-Woche als eine bessere Möglichkeit, die Wirtschaft im 21. Jahrhundert zu organisieren, beschreibt. Aufgrund des Erfolgs des Buches wurde Pedro 2022 von der portugiesischen Regierung eingeladen, ein Pilotprojekt zur Vier-Tage-Woche zu koordinieren.
Was bringt das für die Unternehmen?
Die meisten machten mit, da sie sich von der Vier-Tage-Woche einen Wettbewerbsvorteil versprechen, wenn es darum geht, qualifiziertes Personal zu finden und zu halten. Die Unternehmen haben keinerlei Subvention erhalten. Sie wurden nur bei der Einführung der Vier-Tage-Woche von unserem Team unterstützt. Das Ziel war es, die reale Arbeitszeit zu verkürzen, einen Tagen mehr frei zu haben – und all das ohne Lohnsenkung.
Wie wurde dies umgesetzt?
Es gibt kein einheitliches Modell. Manche Unternehmen schlossen freitags, andere schickten freitags und montags jeweils einen Teil der Belegschaft nach Hause. Wieder andere führten ein rotierendes System ein. Das gilt vor allem für Unternehmen, die fünf oder gar sieben Tage die Woche ihren Betrieb aufrechterhalten müssen. Diese Unternehmen arbeiten mit dem, was wir Spiegelteams nennen. Das heißt, es gibt immer jemanden, der weiß, was der Kollege oder die Kollegin macht, die frei hat und so einspringen kann. Manche Unternehmen führten die Vier-Tage Woche nur teilweise ein. Sie arbeiteten eine Woche fünf Tage und die nächste vier Tage. Das haben wir zugelassen, um einen leichteren Einstieg zu ermöglichen.
Wie schaffen es die Unternehmen, den Betrieb mit weniger Stunden voll aufrechtzuerhalten? Mit Neueinstellungen?
Nein. Nur in einem Fall, einem Kindergarten, wurde eine zusätzliche Erzieherin eingestellt. Normalerweise war das nicht nötig.
Warum?
Der Arbeitstag wird besser genutzt. 75 Prozent der Unternehmen haben die Arbeitsabläufe umgestellt. Manche Sitzungen wurden verkürzt oder ganz abgeschafft, die Kommunikation besser strukturiert, die Technologie besser eingesetzt, bis hin zur Schaffung von Zeitblocks, in denen nur gearbeitet wird. Das heißt, in dieser Zeit werden keine Mails beantwortet, keine Anrufe von Kolleginnen und Kollegen entgegengenommen.
Also waren die Unternehmen gezwungen zu analysieren, was bisher als normal und wohl auch als effizient galt?
Genau. Wir haben in den drei Monaten Vorbereitungsphase im Frühjahr immer wieder damit geworben, dass die Vier-Tage-Woche genau das bewirkt, eine Infragestellung von Althergebrachtem.
Warum machen die Unternehmen das nicht sowieso?
Weil es nicht nötig war. Erst das Projekt der Vier-Tage-Woche schaffte die Notwendigkeit, den Arbeitsalltag besser zu strukturieren.
Das heißt aber auch, dass die Arbeiter und Angestellten mehr arbeiten müssen in weniger Zeit?
Die Vier-Tage-Woche erhöht die Produktivität. Diese Umstellungen sind kaum ohne die Belegschaft zu machen. Die Vier-Tage-Woche gibt den Arbeitern und Angestellten einen Anreiz, mitzumachen, nämlich zusätzliche Freizeit. Insgesamt ging die Wochenarbeitszeit um 12 Prozent zurück. Manche Unternehmen verlängerten die vier verbleibenden Arbeitstage um jeweils eine halbe Stunde. Andere verkürzten nur jede zweite Woche. Es war wesentlich leichter, die Belegschaften davon zu überzeugen als die Unternehmen. Viele Ideen der Umstrukturierung kam von den Beschäftigten selbst.
Wie fällt die Bewertung der Beschäftigten aus?
Durchweg positiv. In den 41 Unternehmen arbeiten um die 1.000 Personen. 200 haben wir befragt. Vor der Vier-Tage-Woche gaben 46 Prozent an, dass es sehr schwierig sei, Arbeit und Privatleben in Einklang zu bringen. Jetzt sind es nur noch 8 Prozent. 65 Prozent der Befragten geben an, dass sie mehr Zeit mit ihrer Familie haben, 60 Prozent widmen sich mehr als bisher ihren Hobbys und 45 Prozent verbringen mehr Zeit mit Freunden. Hinzu kommt der Gesundheitsaspekt. Angstgefühle und Beklemmung gehen um 21 Prozent zurück, Müdigkeit um 23 Prozent, Schlafstörungen um 19 Prozent und depressive Zustände um 21 Prozent. Die Indikatoren für Burnout sind 19 Prozent niedriger als vor dem Pilotprojekt. Insgesamt sinkt der Krankenstand.
Die Gewerkschaften zeigten sich sehr zurückhaltend, als das Projekt eingeführt wurde. Wie ist das zu erklären?
Die Gewerkschaften sind im Grunde sehr konservativ, was ihr Verständnis von Arbeit angeht. Die Gewerkschaften in Portugal setzen mehr auf eine generelle Arbeitszeitverkürzung, auf die 35-Stunden-Woche. Die Vier-Tage-Woche ist da wesentlich flexibler. Sie verändert die Arbeitsabläufe, individualisiert Arbeitszeit je nach Unternehmen. Außerdem ist es eine Initiative, die von der Unternehmerseite vorangetrieben wird. All das macht es nicht leicht die Gewerkschaften für ein Projekt wie das unsere zu gewinnen.
Jetzt, mit dem Zwischenbericht, ändert sich das, oder?
Ja, im Februar wird es eine erste Gewerkschaftskonferenz in Portugal zur Vier-Tage-Woche geben. Und die IG Metall in Deutschland unterstützt seit Frühjahr die Idee einer Vier-Tage-Woche. Da die IG Metall eine Vorreiterrolle nicht nur für Deutschland hat, ist das sehr wichtig.
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