Arbeitsmigration und Pflege: Gefakte Zeugnisse
In Bosnien kann man Fake-Zeugnisse von Pflegeschulen kaufen, auch für den deutschen Arbeitsmarkt. Sie taugen aber nichts.
Nach 17 Tagen hielt Omerović das Dokument einer Privatschule in Sanski Most in den Händen. Ihre Geschichte erschien im Internetportal Žurnal und löste einen Skandal aus. Gerüchte über gekaufte und gefakte Zeugnisse von privaten Schulen in der bosniakisch-kroatischen Föderation und in der serbischen Teilrepublik gibt es schon länger. Die Zeitung Žurnal rechnet mit 5.000 solcher Fälle. Besonders im Zwielicht stehen Abschlüsse von Privatschulen für angebliche UmschülerInnen im Pflegebereich, die in Deutschland gleichwertig wie hiesige examinierte Pflegekräfte arbeiten wollen.
Doch in Deutschland sind die Behörden misstrauisch geworden. Schon seit Juni 2018 vermittele man keine UmschülerInnen von privaten Pflegeschulen aus den Westbalkanstaaten mehr nach Deutschland, sagt eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit der taz. BewerberInnen aus den Westbalkanstaaten können allerdings auch über einen direkten Kontakt zu Arbeitgebern nach Deutschland kommen. Sie müssen sich dann in den jeweiligen Bundesländern bei den Behörden um die Anerkennung ihres Berufsabschlusses bemühen.
Doch „in Baden-Württemberg werden die außerordentlichen Ausbildungen beziehungsweise Umschulungen abgelehnt, da diese weder formell noch materiell gleichwertig sind“, erklärt eine Sprecherin des Regierungspräsidiums in Stuttgart. Ähnliches berichtet eine Sprecherin der Aufsichtsdirektion Rheinland-Pfalz in Trier. Werden die vorgelegten Bildungsgänge aus Bosnien abgelehnt, „können die Frauen nur eine Ausbildung ganz von vorne machen“, so die Sprecherin. Für eine Pflegeausbildung oder einen Pflegejob in Deutschland ist der Nachweis von Sprachkenntnissen auf dem sogenannten B2-Niveau erforderlich – auch dies ist eine Hürde.
Jedes Jahr kommen tausende Frauen aus den Westbalkanstaaten mit Zeugnissen nach Deutschland, die seriös sind, aber nicht ausreichen. „Bewerberinnen mit einem Diplom in der Krankenpflege aus den Westbalkanländern bekommen aufgrund fehlender Praxisanteile bei der Ausbildung im Herkunftsland in der Mehrzahl der Fälle nur eine Teilanerkennung in Deutschland“, sagt Robert Mittelstädt, Justiziar beim Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), „sie müssen dann einen Anpassungslehrgang von etwa einem Jahr, zumindest aber eine ausführliche Kenntnisprüfung mit Vorbereitungslehrgang absolvieren.“
Mittelstädt glaubt nicht, dass sich in Deutschland Frauen mit massenhaft gefälschten Diplomen durchmogeln könnten. „Es würde auffallen, wenn sich jemand mit einem Diplom vorstellt, der aber in Wirklichkeit gar nicht qualifiziert ist. Der Anpassungslehrgang würde auch kaum ausreichen, eine in der Regel dreijährige Krankenpflegeausbildung nachzuholen, da die grundlegenden fachlichen Pflegekenntnisse vorhanden sein müssen“, meint der Justiziar.
3.100 in Bosnien-Herzegowina und 2.400 in Serbien erworbene Berufsabschlüsse wurden im Jahre 2017 in Deutschland als vollständig oder als eingeschränkt mit der Auflage einer Nachqualifizierung anerkannt. Die meisten Anerkennungsverfahren betreffen medizinische Gesundheitsberufe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker