Arbeitsmarkt und Corona: Die Corona-Delle
Die Pandemie macht besonders vielen Menschen im Hotel- und Gastrogewerbe zu schaffen. Doch die Krise ist nicht von Dauer.
Das mag klingen wie Werbesprech des Berlin-Marketings. Ist es aber nicht – sondern die Botschaft von Organisationen wie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg (IAB).
Zwar scheint die aktuelle Lage jeglichem Optimismus zu widersprechen. Tatsächlich hat die Coronakrise auch Berlin im Griff. Aber mit den zunehmenden Impfungen wird sie sich im Laufe dieses Jahres wohl abschwächen und spätestens 2022 einem Aufschwung Platz machen. Wie also sieht der Arbeitsmarkt in Berlin und der umliegenden Region jetzt und bis 2035 aus?
Die Pandemie hat die Hauptstadt teils stärker erwischt als andere Bundesländer. „In Berlin fällt der Corona-Effekt deutlich höher aus als im bundesweiten Mittel“, schreibt das IAB-Institut der Bundesagentur für Arbeit. Die Erwerbslosigkeit nahm zwischen April 2020 und Januar 2021 stärker zu, die Zahl der Kurzarbeiter:innen ebenso. Der Grund: Branchen, die besonders unter Corona leiden, sind in Berlin überproportional vertreten – vor allem Hotels und Gastronomie, Tourismus- und Freizeitwirtschaft, Kultur und Unterhaltung. Diese Corona-Delle wird wohl erst 2023 aufgeholt. Dann dürfte die Jobnachfrage auch im Gastgewerbe wieder an den Trend vor der Pandemie anknüpfen.
Kein Anlass zu Pessimismus
Das müssen diejenigen wissen, die jetzt ihre Berufsausbildung aufnehmen. „Eine Ausbildungsstelle als Hotelkauffrau oder -mann zu finden ist augenblicklich schwierig“, sagte Alexander Schirp, Vizegeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). Das Gleiche könnte für Ausbildungen als Verkäufer:innen in konventionellen Textilketten gelten – und auch grundsätzlich für die späteren Jobaussichten dort. Schirp: „Der stationäre Einzelhandel wird es perspektivisch schwerer haben als vor der Pandemie.“ Hier macht sich die teilweise Verlagerung von Geschäften an Einkaufsstraßen zum Online-Handel bemerkbar.
Auch Simon Junker vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) äußerte sich skeptisch: „Manche stationäre Dienstleistungen könnten langfristig Beschäftigung einbüßen, beispielsweise der Einzelhandel in den Innenstädten und Reisebüros.“
Mittel- und langfristig besteht jedoch kein Anlass zu Pessimismus – weder für Auszubildende noch für junge Leute, die einen akademischen Berufsweg anpeilen. Auch die Jobaussichten für Beschäftigte, die bereits Geld verdienen, erscheinen gut. In Berlin und der Hauptstadtregion wird die Nachfrage nach Arbeitskräften bis Mitte der 2030er Jahre wohl deutlich größer ausfallen als die Zahl der Bewerber:innen – das ist Ergebnis des aktuellen Fachkräftemonitors der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK).
„Für gut qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber wird sich der Arbeitsmarkt in Berlin und den umgebenden Regionen langfristig sehr günstig entwickeln“, sagt Jörg Nolte, IHK-Geschäftsführer für Wirtschaft und Politik. „Die demografische Entwicklung spielt denen in die Hände, die jetzt ihren Berufsweg beginnen.“ Weil die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre in Rente und Pension gehen, werden viele Stellen frei, und im Vergleich dazu rücken zu wenige junge Leute nach. Die können sich die Stellen quasi aussuchen.
Irgendwas mit IT
Zu diesem Ergebnis kommt auch das IAB. Die Forscher:innen prognostizieren, dass die Zahl der Beschäftigten in Berlin zwischen 2020 und 2040 um etwa 150.000 Personen zunimmt, auf dann etwa 2,2 Millionen. Während der Arbeitsmarkt in der Hauptstadt leicht wächst, schrumpft er im Bundesdurchschnitt ein bisschen. Die Hauptstadtregion profitiert dabei von mehreren Vorteilen. Entgegen dem Vorurteil, Berlin sei ein gescheiterter Staat, weist das Land einen doppelt so hohen Anteil von Arbeitsplätzen der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) auf wie Deutschland insgesamt – sechs im Vergleich zu drei Prozent bundesweit.
In der Hauptstadtregion gibt es also besonders viele Jobs für Qualifikationen, die irgendetwas mit Soft- und Hardware, Computern, Internet, Online-Handel und entsprechenden neuen Geschäftsmodellen zu tun haben. Weil die Regierung hier sitzt, ist außerdem die Mediendichte hoch – und Berlin ein guter Platz für Journalist:innen. Gerade die IKT-Jobs werden im Zuge der Digitalisierung nicht weniger, sondern mehr. Das begünstigt nach Einschätzung des IAB in den nächsten zwei Jahrzehnten eher die Städte, wo es schon viele davon gibt.
Hinzu kommt: Das Land Berlin bietet bereits heute – von der Corona-Delle abgesehen – zahlreiche Stellen in grundsätzlich zukunftsträchtigen Märkten wie Tourismus und Kultur. „Nach Corona könnten hier einige Branchen profitieren, die ohnehin schon stark sind“, sagte Martin Gornig, Ökonom am DIW. Neben der „Start-up-Szene der Informations- und Kommunikationstechnologien“ nennt er auch die „medizinische Forschung, Entwicklung und Anwendung“ – Stichwort Charité. UVB-Geschäftsführer Schirp ergänzte: „Beispielsweise Fachleute für Stadt- und Bauplanung sind aus Sicht der Verwaltung fast wie Goldstaub.“
Im Büro wird es leer
In den nächsten zwei Jahrzehnten dürften weiterhin Bewerber:innen mit diesen Qualifikationen kaum Probleme haben, einen Arbeitsplatz an Spree und Havel zu finden: Verwaltungsfachleute in Gesundheitsämtern, Alten- und Krankenpfleger:innen, oder auch alle Arten von Metallexpert:innen, und Ingenieur:innen. Schließlich will der US-Konzern Tesla ab diesem Sommer ein paar E-Autos in Grünheide herstellen. Das könnte weitere Firmen anlocken, die ebenfalls Leute suchen.
Als Qualifikationen, bei denen bis 2035 ein starker Mangel an Bewerber:innen herrschen wird, nennt die IHK in ihrem Fachkräftemonitor außerdem „Büro- und Sekretariatsberufe, soziale und hauswirtschaftliche Berufe, Unternehmensberater:innen, Volks- und Betriebswirt:innen, Fachkräfte für Personalwirtschaft“ und zahlreiche Ausbildungen sowie Studiengänge, die mit „Strukturwandel, Nachhaltigkeit und Klimaschutz“ zu tun haben – um nur einige Beispiele aufzuzählen.
Eine Kehrseite existiert allerdings auch: Je schlechter die Qualifikation, desto magerer die Berufsaussichten. „Teilweise wirkt die Coronakrise als Katalysator bereits bestehender Trends“, sagte DIW-Forscher Junker. Einfache, sogenannte Helferjobs wurden als Erste gestrichen, und diese Entwicklung dürfte sich in Zukunft noch verstärken.
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