Arbeitskräftemangel in Deutschland: Neue Gräben tun sich auf
Der Personalmangel verschärft die soziale Spaltung: Die einen können sich private Dienstleister leisten, die anderen werden unterversorgt sein.
W enn das Chili con Carne im ICE-Bordrestaurant nur auf der Speisekarte steht, wenn es dort nichts mehr zu Essen, sondern nur noch Mineralwasser gibt, weil die Küche zu ist, „wegen Personalmangel“, wie der verbliebene Kellner erklärt, dann kann man das noch mit Humor nehmen. Das ist ja wie früher in der DDR, denkt man.
Welchen Personalmangel kann man verschmerzen, welchen nicht? Das könnte sich in Zukunft zu einer hochpolitischen Frage entwickeln. Denn Arbeitskräftemangel melden inzwischen fast alle Branchen. Am Donnerstag etwa verkündete der Industrie- und Handelskammertag, dass jeder dritte Ausbildungsbetrieb gar keine Bewerbungen auf Lehrstellen mehr erhält.
Wir werden um die Frage nicht herumkommen: Welche bezahlten Tätigkeiten sind noch am ehesten verzichtbar, was ist hingegen systemrelevant, also für die Versorgung der Bevölkerung dringend notwendig, und muss daher öffentlich gefördert werden? Unverzichtbar sind zum Beispiel Arbeitskräfte in Kitas, in Schulen, in der Pflege. Kitas und Pflegeheime verhängen Aufnahmestopps wegen Personalmangels.
Dem Arbeitskräftemangel in der sozialen und medizinischen Versorgung kann man nur begegnen durch bessere Gehälter, mehr Personal, im Zweifelsfall auch mit zusätzlichen Hilfskräften. Das erfordert womöglich auch etwas Flexibilität bei den Bildungsgängen, man kann nicht nur auf Absolvent:innen einer dreijährigen dualen Berufsausbildung hoffen. Vor allem aber kostet mehr Förderung mehr Geld.
Werden die Arbeitsbedingungen bei den öffentlichen und halböffentlichen „Systemrelevanten“ nicht verbessert und damit Personal gewonnen, tun sich künftig neue Gräben auf. Zwischen denjenigen, die auf Einrichtungen mit Unterversorgung angewiesen sind und jenen, die sich dann teurere private Dienstleistungen und Einrichtungen mit besserer Versorgung werden leisten können. Diese Gräben, die sich in anderen Ländern beobachten lassen, wären dramatischer, als wenn es mal keinen Eintopf gibt im ICE.
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