Arbeitskampf in Thüringer Reha-Klinik: Wer aufmuckt, wird beurlaubt
Der Celenus-Konzern greift im Tarifkonflikt an einer seiner Kliniken zu drastischen Mitteln. Die Betroffenen lassen sich aber nicht einschüchtern.
Viele der Masseurinnen und Physiotherapeutinnen arbeiten schon 20 Jahre an der heutigen Celenus-Klinik. „Das ist unser Baby, wir sind hier zu Hause“, sagt die ebenfalls auf unbestimmte Zeit beurlaubte Sandy Hase. 1998 war die Klinik an der Salza beim traditionellen Schwefelbad eröffnet worden. 2004 musste der Betreiber, die Klinikgruppe KTE, bereits Insolvenz anmelden.
Übernommen wurde die Klinik von einem Finanzinvestor aus Montabaur und zwei ehemaligen Pflegedienstleitern. Hier wurden die niedrigsten Branchenlöhne in Thüringen gezahlt. 2013 begann sich die Belegschaft zu organisieren, im gleichen Jahr begannen Tarifverhandlungen. 43 Prozent der Mitarbeiter sind inzwischen Mitglieder der Gewerkschaft Verdi.
2015 übernahm der Klinikkonzern Celenus die relativ kleine Reha-Klinik in Bad Langensalza mit 206 Betten. Noch im gleichen Jahr wurde Celenus wiederum von der multinationalen französischen Orpea-Gruppe geschluckt. Seither sei der Ton deutlich rauer geworden, konstatieren die Mitarbeiter. Nun gehe es überhaupt nicht mehr um Menschen, sondern nur noch um Rendite.
Berichte über Schikanen
Im Arbeitskampf solle nun offenbar ein Exempel statuiert werden, um den Betriebsrat zu zerschlagen. Die Physiotherapeutinnen berichten von weiteren Schikanen. Ein bisher genutzter Pausen- und Aufenthaltsraum wurde ihnen entzogen und statt seiner ein „Funktionsraum“ für 25 Beschäftigte zugewiesen. Von „Psychoterror“ spricht die gekündigte Carmen Laue. Auf der Stelle musste sie nach mündlicher Mitteilung ihre Sachen packen. „Ich habe noch nie so etwas Unmenschliches erlebt wie in dieser Klinik“, sagt die 55-Jährige. Die abschreckende Wirkung auf den dringend benötigten Fachkräftenachwuchs scheint niemanden zu interessieren.
Die Gewerkschaftsarbeit hatte begonnen, sich auszuzahlen: 2016 gelang ein Manteltarifvertrag, nicht aber der von den Arbeitgebern verweigerte Entgelttarifvertrag, der auch Lebensleistungen und Zusatzqualifikationen berücksichtigt hätte. Immerhin erhöhte die Geschäftsführung im Dezember des vorigen Jahres die extrem niedrigen Gehälter, so dass die Therapeutinnen jetzt auf 2.100 Euro brutto kommen.
Warnstreiks und ein Erzwingungsstreik seit Mitte März konterte die Geschäftsführung, vertreten durch die Anwaltsgesellschaft Beiten Burkhardt. Mit einer „Störung des Betriebsfriedens“ begründen sie die Kündigungen. Celenus äußert sich auf taz-Nachfrage nicht. „Selbstverständlich akzeptieren wir jede Form von Streik, solange sich dieser im zulässigen Rahmen bewegt und sich an Recht und Gesetz hält“, zitiert das MDR-Magazin „Exakt“ aber aus einem Schreiben von Beiten Burkhardt.
Carmen Laue, Physiotherapeutin
Genau das tue der Konzern aber nicht, meinen die Frauen und die Gewerkschaft Verdi und klagen gegen ihre Behandlung. Vom Erfolg ist Verdi-Fachbereichsleiter Bernd Becker zwar überzeugt, weiß aber, dass sich der Instanzenweg über Jahre hinziehen kann.
Die temperamentvolle Heike Schmidt aber will sich nicht wegducken. Auch nicht bei einem Besuch des Thüringer Landtages und der SPD-Fraktion am vorigen Mittwoch gemeinsam mit sechs Kolleginnen. „Die Politik müsste mal was tun“, hatte sie zuvor gefordert. Nun erfahren sie in der Aktuellen Stunde des Landtags zumindest die Solidarität der Regierungskoalition von Linken, SPD und Grünen. Von der CDU kam sogar verhaltene Sympathie, während die AfD zwar „angemessene Bezahlung“ forderte, zugleich aber gegen die Gewerkschaft wetterte.
Die Betriebsratsfrauen wissen, dass viele unorganisierte Kolleginnen indifferent reagieren und aus Angst schweigen. Aber ihre verschworene Truppe ist nicht so einfach zu knacken. Was die Klinikleitung von ihren Besuchen unter anderem bei Andrea Nahles und dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach hält, zitiert eine Mitarbeiterin: „Wir haben hier das Sagen, Politik kann da gar nichts machen“, soll einer der beiden Direktoren geäußert haben.
Sozialministerin Heike Werner (Linke) will nun gemeinsam mit dem scheidenden Langensalzaer Oberbürgermeister Bernhard Schönau (FDP) einen Schlichtungsvorschlag unterbreiten. Der scheint nötig, denn für Heike Schmidt bricht nicht nur materiell der Boden weg. „Wir verlieren alles an Moral und Anstand – wo soll das noch hinführen?“, sagt sie.
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