Arbeitskampf bei Lieferdienst „Gorillas“: Protest mit Obergorilla
Bei einem neuen Protest der Gorillas-Fahrer taucht am Montag der Firmengründer auf. Er spricht von „dreams“, die Riders von „rights“.
Nach dem Beginn des Arbeitskampfes vor zwei Wochen, als Fahrer*innen – im Firmensprech Riders – nach der Entlassung eines Kollegen drei Tage lang in wilde Streiks getreten waren, hatte Sümer angekündigt, per Fahrrad landesweit 40 Auslieferungsstellen – warehouses – zu besuchen. In diese Strategie der kommunikativen Offenheit passt auch sein Auftritt beim erst am Vortag angekündigten Protest des Gorillas Workers Collective, einer Art Basisgewerkschaft der überwiegend migrantischen Beschäftigten. Er unterstütze deren Protest als einen „Beginn des Dialogs“, so Sümer.
Für etwa eine halbe Stunde hören er und weitere Vertreter der Chefetage sich die Beschwerden der Fahrer*innen an. Zentral dabei: Fehler in den Lohnabrechnungen. Eine der Wortführer*innen, Zeynep Karlıdağ, eine türkische Lehrerin, die seit Februar für Gorillas fährt, hatte der taz zuvor berichtet, dass ihr für den vergangenen Monat 200 Euro zu wenig überwiesen wurden. Dies habe System – und Nachzahlungen würden frühestens im Folgemonat geleistet. Sümer gibt sich reumütig, spricht von 300 fehlerhaften bei insgesamt 3.000 Abrechnungen und verspricht, das Geld schnellstmöglich nachzuzahlen. Sein „dream“ sei eine 100-prozentig korrekte Bezahlung – ein „right“ sei dies, entgegnet ihm ein wütender Fahrer.
Um die Gemüter zu besänftigten, sagt der 33-jährige Gorillas-Gründer, dessen Unternehmen zwar Verluste einfährt, aber mit mehr als einer Milliarde Euro als sogenanntes Einhorn bewertet wird, er sei ein „rider by heart“ und zeigt dabei auf sein Rad-Tattoo am Unterarm.
Wachstum statt Arbeitesrechte
Das Unternehmen setze auf hemmungslosen Wachstum, entgegnet jemand aus der Menge, habe zuletzt etwa 300 Millionen Euro Investorengelder eingesammelt, die Angestellten aber würden vernachlässigt. Statt neue Warehouses zu eröffnen, sollten die Interessen der Arbeiter*innen in den Mittelpunkt gestellt werden.
Die Liste der Klagen – und später auf einer Versammlung auf dem Bürgersteig formulierten Forderungen – ist deutlich länger als die Abrechnungsfehler. Laut Karlıdağ hätten die Fahrer*innen keine adäquaten Räder und keine Diensthandys, ihre Rucksäcke würden viel zu schwer, teils bis zu 30 Kilo bepackt, im Winter habe es an warmen Jacken gefehlt. Auch kritisierte sie die sechsmonatige Probezeit und Probleme bei Krankschreibungen und Urlauben. Versprochene Verbesserungen blieben aus; „je größer das Unternehmen, desto größer die Probleme“, so Karlıdağ.
Zumindest einen Fortschritt soll es geben: eine App, die das Gewicht der Rucksäcke berechnet, sodass die Rider nur noch maximal 10 Kilo herumschleppen müssen.
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