Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft: Angebot an Hanna
Dauerstellen für alle sind nicht die Antwort auf prekäre Arbeitsbedingungen an Hochschulen. Besser wäre ein Lebenszeitangebot mit Haken.
D ie Bewegung „Ich bin Hanna“ macht darauf aufmerksam: Junge WissenschaftlerInnen in Deutschland haben häufig prekäre Arbeitsbedingungen und schlechte Perspektiven. Zu diesem Schaden kam noch der Spott des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). In seinem Video zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz erklärte es der fiktiven Hanna, sie müsse demnächst mal Platz machen, damit „nicht eine Generation alle Stellen verstopfe“.
Jetzt lobt ein Staatssekretär im Ton eines Predigers die Hannas für „den unschätzbaren Beitrag für unsere Gesellschaft“ und rät ihnen allen Ernstes, sich doch bei den Hochschulen um bessere Arbeitsbedingungen zu bemühen. Wer die Situation an den Unis kennt, weiß, dass dieser Vorschlag an Unverschämtheit grenzt.
ist emeritierter Professor und Hochschulforscher an der Europa-Universität Flensburg.
Natürlich steckt dahinter jenseits der Stilfragen ein strukturelles Problem: das Auseinanderfallen von Angebot und Nachfrage. Ralf Pauli setzt auf pure Nachfragesteigerung und rät in der taz vom 17. Juni, allen qualifizierten NachwuchsforscherInnen eine Dauerstelle anzubieten. Und dann? Nächstes Jahr das Ganze noch mal, und dann immer so weiter?
Man kann sich nur schwer vorstellen, dass eine Gesellschaft eine solche Privilegierung vor allem im Vergleich zu anderen, ebenfalls oft prekären wie sozial nützlichen und persönlich sehr identifikatorischen Tätigkeiten wie Journalismus oder Künstlertum akzeptieren würde. Am gleichen Tag vertritt Gustav Seibt in der Süddeutschen Zeitung das gegenteilige Prinzip der Angebotsbeschränkung. Es müsse in Deutschland viel weniger promoviert werden.
Das wiederum ist aus zwei Gründen keine gute Lösung. Erstens wird in vielen Fächern die Promotion von ArbeitgeberInnen außerhalb der Hochschule als weitere Qualifikation geschätzt und monetär durchaus vergolten. Zweitens machen in der Praxis heute vorwiegend Promovierende die Forschung. Wer diese Gruppe ernsthaft beschränken möchte, muss erklären, wie solche Projekte in Zukunft durchgeführt werden sollen.
Neue dauerhafte Halbtagsstellen
Im Prinzip haben wir ein Trilemma: Junge WissenschaftlerInnen brauchen eine langfristige Perspektive, und sie wollen eine ihrer Qualifikation angemessene Bezahlung. Hochschulen wie Forschungseinrichtungen bestehen zugleich auf Flexibilität und personeller Erneuerung. Alles zusammen wird nicht gehen. Ich schlage deshalb vor, dass wir einen Neustart versuchen, bei dem alle Beteiligten etwas von ihren Positionen abrücken müssen.
Und der noch ein anderes Problem mit anpackt, und zwar die zunehmende Divergenz zwischen den großen, forschungsstarken Universitäten und den kleineren Einrichtungen. Der Ansatz: Wir sollten für Promovierte eine große Anzahl neuer Dauerstellen an Hochschulen schaffen, im fünfstelligen Bereich. Mit Aufgaben in Lehre und Forschung, vielleicht je nach Fach in verschiedenen Aufteilungen. Dieses Lebenszeitangebot hätte aber zwei Haken.
Der eine: Es sollten nur Halbtagsstellen sein, aber dafür ordentlich und der Qualifikationsstufe entsprechend dotiert. Weiter sollten die Einrichtungen zusätzlich zu den Stellen ein festes Aufstockungsbudget bekommen. So können Hochschulen das Gehalt etwa für Extralehre proportional anheben, genauso wie für Engagement in der Selbstverwaltung, im Wissenschaftsmanagement oder bei hausinternen Forschungsprojekten.
Nur hätte man kein Anrecht auf lebenslange Aufstockung, sondern müsste durch Leistung nachweisen, hierfür, und zumindest anfänglich nur auf Zeit, infrage zu kommen. Dieses Aufstockungsbudget wäre, neben der insgesamt verbesserten Personalausstattung, das Angebot an die Hochschulen. Was man mit der anderen Hälfte seiner Zeit macht, ginge den Arbeitgeber nichts an.
Man könnte gegen Entgelt weiter in Drittmittelprojekten im eigenen Hause oder anderswo mitarbeiten, vielleicht doch noch eine Habilitation oder ein zweites Buch beginnen, ein Start-up gründen. Oder sich auch einfach nur dem Gemüseanbau und einem entspannt-bescheidenen, aber abgesicherten Leben widmen. Und wem das auf Dauer zu wenig ist, der oder die schaut sich wohl bald doch nach etwas anderem um.
Die besten Spielerinnen für die unterste Liga
Der zweite Haken beinhaltet den Versuch, über die jungen WissenschaftlerInnen die ungute Neigung zur Kartellbildung an den deutschen Universitäten aufzubrechen. Hier nehme ich eine Anleihe bei amerikanischen Sportligen, die vielfach das Prinzip des „Rookie Draft“ kennen. Um zu verhindern, dass sich immer die gleichen Teams die besten Nachwuchstalente schnappen – der FC Bayern lässt grüßen –, dürfen die in einer Saison am unteren Ende der Liga befindlichen Vereine zuerst die besten SpielerInnen verpflichten.
Und die müssen akzeptieren, aber nur für eine bestimmte Zeit. Auch wenn es nicht einfach ist, solche Ligen je Fach in der Wissenschaft sicher herzustellen, wird es doch dauernd etwa via des Erfolgs bei der Drittmitteleinwerbung gemacht. Der Vorschlag ist also: Es wird eine jährliche Liste Promovierter mit Interesse an solchen Dauerstellen erstellt, und die Hochschulen mit den aktuell bescheidensten Werten in der Drittmitteleinwerbung dürfen zuerst auswählen, wen der Promovierten sie einstellen wollen.
Lehnt die Person ab, weil Passau oder Flensburg nicht gerade das hippe Berlin sind, wird sie für drei Jahre auf der Liste gesperrt. Akzeptiert sie aber, darf sie nach ebenfalls drei Jahren auch auf die gleiche Position anderswohin wechseln. Und vorzeitige Ausstiege durch definierte Aufstiege wie Juniorprofessur, Nachwuchsgruppenleitung oder Habilitationsstipendium sollten natürlich ebenfalls möglich sein.
Ein guter Test ist: Hätte ich ein solches Angebot damals nach meiner Promotion und zunächst auch ohne Perspektive, wie es weitergeht, begrüßt und angenommen? Die Antwort ist: Ja.
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