Arbeitsbedingungen bei Amazon: Versandhändler bleibt stur
Die Gespräche zwischen Amazon und der Gewerkschaft Ver.di sind auch in Hessen gescheitert. Jetzt stehen alle Zeichen auf Streik.
BERLIN taz | An einem weiteren Amazonstandort zeichnet sich ein Arbeitskampf ab. Am Dienstag informierte die Gewerkschaft Ver.di rund 250 Beschäftigte des Verpackungszentrums im hessischen Bad Hersfeld während der Arbeitszeit darüber, dass die Gespräch mit dem Unternehmen über einen Tarifvertrag gescheitert seien.
Damit ist der Weg frei, dass die Arbeitskräfte in der kommenden Woche über einen Streik abstimmen können. In Bad Hersfeld arbeiten insgesamt rund 3.700 Personen für den Versandhandelsriesen.
Ver.di will für die insgesamt rund 9.000 Amazonbeschäftigten, die sich im ganzen Bundesgebiet auf acht Standorte verteilen, einen Tarifvertrag erstreiten. Die Gewerkschaft bemängelt unter anderem, dass der US-amerikanische Konzern seine PackerInnen und ArbeiterInnen im Lager nach Tarifen bezahlt, die sich an der Logistikbranche orientieren – und nicht an Tarifen für den Versandhandel.
Zudem verweigere Amazon seinen Angestellten Urlaubs- und Weihnachtsgeld und gewähre deutlich niedrigere Zuschläge für Nacht-, Feiertags- oder Sonntagsarbeit als sonst im Versandhandel üblich. Amazon war bundesweit in die Schlagzeilen geraten, als eine TV-Reportage im Februar über den Einsatz von billig entlohnten Leiharbeitern und rigiden Kontrollen der zum großen Teil im Ausland angeworbenen Arbeitskräfte berichtete.
Für Bad Hersfeld, wo die Beschäftigten seit 2006 keine Lohnerhöhung erhalten haben sollen, fordert Ver.di einen einheitlichen Lohn von 12,18 Euro brutto pro Stunde. Derzeit bezahlt Amazon seinen Kräften dort je nach Betriebszugehörigkeit zwischen 9,43 Euro und 11,48 Euro. „Die Stimmung bei uns ist gut“, sagte Gewerkschaftssekretär Heiner Reimann. Allerdings habe er vormittags vor allem mit Festangestellten gesprochen.
Nach Redaktionsschluss war ein Zusammentreffen mit hauptsächlich befristeten Kräften am zweiten Amazonstandort in Bad Hersfeld geplant. „Da können Arbeitskampfmaßnahmen schwieriger werden“, sagte Heimann.
Während die Ergebnisse der Urabstimmung für Bad Hersfeld Ende April vorliegen sollen, dürften am Amazon-Standort in Leipzig bereits in den nächsten Tagen erste Streiks beginnen. Dort hatten sich Ende März 97 Prozent der über 500 Gewerkschaftsmitglieder für eine Arbeitsniederlegung ausgesprochen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften