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Arbeitsämter bestrafen Hartz-IV-EmpfängerÜber 800.000 Sanktionen

Im vergangenen Jahr wurden von den Arbeitsagenturen so viele Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger verhängt wie nie zuvor. Bei den meisten geht es nur um einen Grund.

Sanktionen wegen der Weigerung, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder einen 1-Euro-Job anzunehmen. Bild: dpa

BERLIN dpa | Die Arbeitsagenturen haben im vergangenen Jahr nach einem Bericht der Bild-Zeitung so viele Strafen gegen Hartz-IV-Empfänger ausgesprochen wie noch nie zuvor.

Insgesamt wurden 828.708 Sanktionen verhängt, das waren rund 14 Prozent mehr als 2009, wie die Bild am Dienstag unter Berufung auf eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit berichtete. Der Trend hatte sich bereits im vergangenen Jahr abgezeichnet.

Der größte Teil der Strafen habe sich gegen Hartz-IV-Bezieher gerichtet, die sich zu spät arbeitslos gemeldet hätten, nicht zu vereinbarten Terminen in der Arbeitsagentur erschienen seien oder die keine Bewerbungen geschrieben hätten. In 102.631 Fällen seien Sanktionen ausgesprochen worden, weil sich die Betroffenen geweigert hätten, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder einen 1-Euro-Job anzunehmen.

Gestiegen ist laut Bild auch die Höhe der Sanktionen. Im Schnitt habe jeder der Betroffenen 123,72 Euro im Monat weniger Unterstützung bekommen. Im Jahr 2009 habe die durchschnittliche Kürzung noch bei 114,31 Euro gelegen.

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8 Kommentare

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  • U
    upupintothebluesky

    Über 800.000 Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger!

     

    Betrachte ich die Situation der Arbeitslosen seit Einführung der Hartz-IV.Gresetze vor sechs Jahren, überkommt mich mehr und mehr das Gefühl, dass ein Teil unserer Bevölkerung in zunehmenden Masse Opfer einer gesellschaftlichen Veränderung wird, die sich in Richtung "Staatsterror" bewegt.

     

    Aber ab welchem Zeitpunkt mit welchen Inhalten beginnt "Staatsterror"?

     

    Sollte ich Entwicklungen in der Weimarer Republik als Vergleich heranziehen?

     

    Wann konnten "Minderheiten" in dieser Zeit erkennen:"Es wird gefährlich für uns"?

     

    1930, 1932, 1933, 1936?

     

    Und deshalb meine Befürchtung:

    Es wird "gefährlich" für Arbeitslose.

  • H
    Hatem

    Falsche Überschrift.

    Nicht Hartz4-Empfänger werden bestraft, sondern nur Leistungsbezieher, die ihren Pflichten nicht nachkommen (wollen).

  • M
    Mario

    Solange es keine Vollbeschäftigung in Deutschland gibt, bringen diese Sanktionen nichts. Außer, dass die Betroffenen arm und ärmer werden. Was das mit der Integration (zu Deutsch: Arbeitslose finden Arbeit, arbeiten) zu tun hat, hat sich mir bislang nicht erschloßen. Aber das ist ja nach dem Geschmack der Regierung: Arbeitslose an die Wand stellen.

    Dass es sonst bei Hartz-IV nicht läuft, dass es fast nur miese neue Stellen gibt, dass sogar die Einkommenssteuer ständig bei den neuen Stellen sinkt im Vergleich zu alten Arbeitsplätzen ... darüber liest man sehr, sehr wenig.

  • L
    Libertiner

    Der Staat braucht Geld-, und da ist man eben etwas strenger als sonst.Wie wäre es mal mit Sanktionen gegen diejenigen, die den Bedürftigen Zähne und Brille verwehren? Die in den Agenturen haben ihren Job und wollen den auch (auf Kosten anderer) behalten.Fazit: die Klagen vor den Sozialgerichten werden zunehmen und die Einbrüche auch.Ist schon komisch, dass man die Moral stets von denen da "unten" verlangt. Wie wäre es mal mit Sanktionen für Bänker, die Nationen ins Unglück fahren und der Steuerzahler dafür auch noch büßen muss? Die falsche Moral von oben, kommt bereits auch unten an."Wie der Herr so's Gescherr"!

  • G
    guapito

    Das so viele Leute sanktioniert werden ist kein Wunder, denn zumutbar ist nach den Regeln der Jobcenter quasi alles.

    ALG2-Bezieher tun mir einfach nur leid.

  • K
    Kundrie

    Ah ja, es war wieder Volksverhetzungstag bei der BLÖD, da muss man ja mitmachen... und wenigstens ist die taz noch so nett, die Sanktionsgründe aufzulisten. Was aber leider fehlt, ist der Hinweis darauf, dass auf diese Sanktionen seitens der Politik konkret abgezielt wird und die Sachbearbeiter der "Jobcenter" entsprechend instruiert sind. Sprich: es wird so lange schikaniert, bis jemand sich wehrt, und wer sich wehrt, wird "bestraft".

     

    Dass das existentielle Minimum (und Hartz IV ist eh schon weniger als das, ganz abgesehen von der Verfassungswidrigkeit der Regelsätze) eigentlich nicht kürz- und sanktionierbar ist, fällt auch hier wie überall völlig unter den Tisch. Was es für die Betroffenen bedeutet, ebenfalls.

  • HB
    Heiko Bitterhoff

    Leider werden auch diejenigen sanktioniert, die sich intensiv um Arbeit kümmern, jedoch keine Arbeitsangebote in der ausreichenden Zahl der "erforderlichen" Bewerbungszahl finden. In meinen Augen (ich bin selbst betroffen) macht es keinen Sinn, sich auf Stllen zu bewerben, die man ohnehin nicht anzutreten wünscht. Weiterhon gibt es Branchen, in denen schriftliche Bewerbungen nicht unbedingt erwünscht sind (z.T. Handwerk), sondern telefonische Bewerbungen Gang und Gäbe sind. Hier sperrt sich mancher der Arbeitsamtsmitarbeiter eine entsprechende Telefonliste auch anzuerkennen. Nicht alle Sanktionen sehe ich daher als gerechtfertigt an.

  • T
    THOR

    Irgendwo muß die Knete für das Bildungspaket das keiner nachfragt ja herkommen.