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Appell an schwarz-roten SenatGeflüchtete aufs Tempelhofer Feld

CDU-Fraktionschef Stettner hält weiteren Flüchtlings-Großstandort für nötig und das geschützte Feld für geeignet. Grüne und BUND sehen das anders.

Ohne weiteren Flüchtlingsgroßstandort geht es aus Sicht von CDU-Fraktionschef Dirk Stettner nicht Foto: dpa

BERLIN taz | Kurz vor der ersten Klausurtagung des schwarz-roten Senats am Wochenende macht CDU-Fraktionschef Dirk Stettner Druck bei der Flüchtlingsunterbringung. „Wenn wir nicht wollen, dass die Menschen unter freiem Himmel stehen, dann werden wir ohne eine weitere große Unterkunft oder auch zwei nicht auskommen“, sagte er der taz. Dabei denkt Stettner an das Tempelhofer Feld. Wie viele Flüchtlinge dort unterkommen sollen, mochte er nicht beziffern, doch hält er „temporär“ eine große Zeltstadt für möglich, „auch auf einem großen Teil des Felds.“. Die Senatsverwaltung für Soziales hat solche Pläne aktuell nicht. Kritisch äußerten sich die Grünen und der Naturschutzbund BUND.

„Eine Verschärfung kann nicht die Lösung sein.“

Bettina Jarasch (Grüne)

Unterbringung und Integration von Flüchtlingen sollen ein großes Thema bei der zweitägigen Klausur am Döllnsee bei Joachimsthal nordöstlich von Berlin werden. Dienstag hat der Senat eine Flüchtlings-Task-Force offiziell eingesetzt, die aber schon in der Woche vorher erstmals tagte. Deren Leiter, Regierungschef Kai Wegner (CDU) und Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD), sprachen danach vor Journalisten von modularen Unterkünften und gerechter Verteilung in allen Bezirken, nicht aber von neuen Großstandorten zusätzlich zum Ankuftszentrum in Tegel.

An Tegel, geplant als Kurz­unterkunft für einige Tage, längst aber für viele Flüchtlinge Wohnstätte über Monate, wird man aus Sicht von Stettner bis mindestens 2025 festhalten müssen. Der CDUler betonte gegenüber der taz mehrfach, dass er große Standorte gerne vermeiden würde: „Massenunterkünfte sind die schlechteste Lösung – abgesehen von keiner Lösung.“ Bis die angestrebten Unterkünfte fertig sind, vergehen aber auch bei beschleunigtem Bau laut Senatorin Kiziltepe bis zu zwei Jahre. Zu vermeiden sei auch eine Unterbringung in Turnhallen wie 2015 und 2016.

Beim Koalitionspartner SPD sieht man das ähnlich. Der so­zial­politische Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion, Lars Düsterhöft, schloss sich Stettners Aussage an, dass das Ziel natürlich eine dezentrale Unterbringung sei, die Unterkünfte aber fehlen würden. „Da hat er leider absolut recht – wir müssen unterbringen, können es aber derzeit nicht adäquat.“

Das T-Feld steht seit 2014 unter Schutz

Das 2014 per Volksentscheid beschlossene Schutzgesetz zum Tempelhofer Feld lässt in jetziger Form eine Nutzung mit Unterkünften nicht zu. Bereits für eine vergleichsweise kleine Fläche war im Jahr 2016 eine Gesetzesänderung nötig. Nach einer Verlängerung sind die Container dort nach Senatsangaben bis Ende 2025 geduldet. „Im Zweifel ist mir egal, an welches Gesetz wir rangehen müssen“, sagte Düsterhöft – entscheidend sei für ihn, die Flüchtlinge unterbringen zu können. Kritik, er wolle über eine solche Nutzung des Tempelhofer Felds dessen Schutzstatus dauerhaft aufweichen, nannte er „Quatsch“.

Deutlich anders sieht das Grünen-Fraktionschefin und ehemalige Umweltsenatorin Bettina Jarasch. „Es gibt überall im Stadtgebiet genug bereits versiegelte Flächen, auf denen rasch Leichtbauhallen errichtet werden können“, sagte sie der taz. Sie verwies zudem darauf, dass am Columbiadamm und in den Hangars bereits fast 2.000 Geflüchtete wohnen würden, meistens notdürftig mit sehr wenig Raum und Privatsphäre. „Diese Situation nochmals zu verschärfen kann nicht die Lösung sein“, sagte sie, „ich erwarte mehr Ambition und Anstrengung der neuen Task-Force bei der Unterbringung.“

Für BUND-Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser ist der Vorstoß von CDU-Fraktionschef Stettner überdimensioniert. Allein auf den 23 Hektar des befestigten Vorfeldes ließen sich aus seiner Sicht mehr Flüchtlinge unterbringen als am Ex-Flughafen Tegel, wo derzeit knapp 3.000 Menschen leben – und das ohne Änderung des Schutzgesetzes. Nutze man größere Teile des Feldes, wo es keine Infrastruktur und keine Leitungen gibt, wäre nach seiner Rechnung die Unterbringung zehntausender Menschen möglich. Es sei gut, die Flüchtlingsunterbringung zu planen, aber für vieles „immer gleich das Tempelhofer Feld“ nutzen zu wollen, hält Heuser für falsch.

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