„Apotheken Umschau“: Von wegen „Rentner-Bravo“

Das Magazin hat sich modernisiert, schreibt über Gendern und Body-Shaming. Denn auch Diskriminierung sei ein gesundheitliches Thema.

Eine Frau liest eine Exemplar der Apotheken Rundschau

Die „Apotheken Rundschau“ hat sich mordernisiert

Schlechtes Grafik-Design, unzählige Rezepte, Themen, die anscheinend nur ältere Menschen interessieren: Die Apotheken Umschau hat einen verstaubten Ruf. Viele bezeichnen sie deshalb als „Rentner-Bravo“. In der breiten Öffentlichkeit trifft die Publikation, die in einem Großteil der Apotheken in Deutschland ausliegt, meistens entweder auf Spott oder Ignoranz.

Doch die Zeitschrift, die zu den auflagenstärksten und meistgelesenen Deutschland zählt, hat sich modernisiert. Im April veröffentlichte die Apotheken Umschau in der Rubrik „Gesund Leben“ etwa einen Text mit dem Titel „Die Wissenschaft hinter dem Gender-Sternchen“. Darin wird unter Verweis auf knapp zwei Dutzend wissenschaftliche Studien sowohl mit dem Mythos aufgeräumt, dass nur diejenigen gendern, die Sternchen, Unterstriche oder Binnen-Is verwenden, als auch sehr sachlich dargelegt, warum geschlechtergerechte Sprache sinnvoll und gar nicht so voraussetzungsvoll ist, wie oft behauptet wird.

Im Mai folgte ein Interview mit den „Omas gegen Rechts“, im Juli wieder eines mit der Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes, Ferda Ataman, über den Zusammenhang zwischen Diskriminierung und Gesundheit. Im August erschien ein Kommentar zu Body-Shaming am Strand, in dem die Autorin dafür plädiert, den eigenen und die Körper anderer einfach mal sein zu lassen. Und diesen Monat erschien eine Ausgabe zum Thema „Warum unser Gesundheitswesen Vielfalt braucht“.

Klar, es gibt auch weiterhin Rezepte, Kreuzworträtsel und Texte über Krankheiten. Aber wer mit dem Klischee einer verstaubten Zeitschrift im Kopf durch die Apotheken Umschau blättert, darf sich wundern. Woher kommt die neue Themensetzung? Ist die Apotheken Umschau plötzlich „woke“ geworden?

Alte Klischees

„Wir sind ein ganz normales feministisches Magazin“, sagt Dennis Ballwieser, Chefredakteur der Apotheken Umschau, im Gespräch mit der taz und grinst dabei, als sei er ein bisschen stolz darauf. Seit 2015 ist er auch Geschäftsführer des Verlags Wort & Bild, der die Zeitschrift herausgibt, zuvor war er beim Spiegel.

Er und seine Kollegin in der Chefredaktion, Julia Rotherbl, sind sich der öffentlichen Meinung über ihr Blatt sehr bewusst: „Es ist ein Klischee, dass wir leider nicht loswerden“, sagt Rotherbl, die seit 2021 ebenfalls Chefredakteurin ist. Die beiden erklären, warum es für sie vollkommen logisch ist, dass die Apotheken Umschau sich mit Themen wie Diskriminierung oder geschlechtssensibler Medizin auseinandersetzt.

„Diskriminierung beeinflusst die Gesundheit“, sagt Julia Rot­herbl. Und „selbst wenn wir nicht denken würden, dass diese Themen wichtig sind, müssten wir trotzdem darüber schreiben, um alle Le­se­r*in­nen fundiert zu informieren“, ergänzt Dennis Ballwieser. Der publizistische Anspruch der Apotheken Umschau sei, wissenschaftlich geprüfte und umfassende Gesundheitsinformationen zu vermitteln.

Die Apotheken Umschau finanziert sich unter anderem über Werbung, ist aber kein Anzeigenblatt. Die Apotheken bezahlen dafür, um sie dann an ihre Kun­d*in­nen zu verschenken. Die Zielgruppe? „Das sind bei einer Verbreitung von 3 Millionen Exemplaren eigentlich alle“, sagt Dennis Ballwieser. Ihre monatlichen Le­se­r*in­nen schätzt die Zeitschrift, die zweimal im Monat erscheint, auf circa 15,9 Millionen Menschen.

Mit Reichweite komme Verantwortung

„Wir haben mit der Reichweite eine gewisse Verantwortung“, sagt Rotherbl. 2021 unterzog das Chefredaktionsduo die Apotheken Rundschau einem Relaunch und strukturierte das Heft neu. Seither gibt es eine Rubrik, in der medizinische Trends geprüft werden, eine Karikatur, eine Kolumne des ehemaligen Titanic-Chefredakteurs Moritz Hürtgen und mehr Berichterstattung über Gesundheitspolitik.

Ziel sei es gewesen, dass die Zeitschrift „mehr Spaß macht und lockerer in der Ansprache wird“, so Julia Rotherbl. Der Prozess sei aber nicht „top-down“ verlaufen, sondern im Konsens mit der gesamten Redaktion, sagt sie. Die Redaktion sei sehr jung, bestehe zu 70 Prozent aus Frauen und habe einen hohen „Frauenmachtanteil“. Und man bemühe sich, auch Nicht-Akademiker*innen, die etwa gerade frisch aus der Pflegeausbildung kommen, für die Redaktion zu gewinnen.

Dabei gehe es der Redaktion aber nicht nur darum, welche Themen umgesetzt werden, „sondern auch, wie“, sagt Rotherbl. Konkret heißt das, dass die Redaktion auch bei Fotos und Illustrationen die Geschlechterverteilung zum Beispiel bei Ärz­t*in­nen oder Pfle­ge­r*in­nen repräsentativ abzubilden versucht. Gleiches gilt für die beratenden medizinischen Expert*innen.

Die Entwicklung der Apotheken Rundschau sei auch unter Stamm­le­se­r*in­nen gut angekommen, sagen Rotherbl und Ballwieser. „Es ist kein Automatismus, dass eine Zielgruppe über einem bestimmten Alter es nicht gut findet, wenn wir über Diskriminierung schreiben“ so Rotherbl. Denn „auch eine ältere Zielgruppe wird diesbezüglich immer sensibler“. Mehr negative Reaktionen habe es während der Covid-Pandemie auf Themen wie Corona-Impfungen und Empfehlungen zum Maskentragen gegeben, sagt sie.

Eine Sensibilisierung für Diskriminierungsformen ist auch bei anderen Titeln des Verlags spürbar. Seit 2023 teilen Ballwieser und Rotherbl die Chefredaktion auch mit Tina Haase und Stefan Schweiger. Gemeinsam verantworten sie auch die Zeitschrift Eltern und den Senioren Ratgeber. Auch dort kommen Themen wie „Ist mein Kind trans?“ oder das Porträt eines schwulen Senioren-Paares ziemlich unaufgeregt und selbstverständlich vor.

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