Apfelernte in Brandenburg: Die Apfelernte fällt mies aus
Nachtfrost im April schmälert den Ertrag erheblich. Aber es werden auch immer weniger Äpfel in Brandenburg angebaut. Bitte mehr Streuobstwiesen!
![Ein Apfel hängt an einem Baum, im Hintergrund ist eine Streuobstwiese zu sehen. Ein Apfel hängt an einem Baum, im Hintergrund ist eine Streuobstwiese zu sehen.](https://taz.de/picture/3684594/14/116563498.jpeg)
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Aber in diesem Jahr fällt er bedeutend weniger, jedenfalls in Brandenburg. Seit zwei Frostnächten im April war abzusehen, dass die Apfelernte 2019 in der Mark eine der schlechtesten seit Langem sein wird. Eisige Temperaturen von bis zu sieben Grad minus waren für die Blütenstände zu viel, die Fruchtreife fiel aus.
Den Wetterkapriolen sind vor allem die Kleinbauern hilflos ausgeliefert. Berufsrisiko eben. „Ich haben in diesem Jahr bei den Äpfeln einen Ausfall von 90 bis 95 Prozent“, berichtet Obstbauer Horst Sigeris aus Glindow, das zum traditionellen Anbaugebiet in Werder vor den Toren Berlins zählt. Glück im Unglück: Aprikosen und Birnen, die einige Tage früher oder später blühten, bringen normale Ernten.
Die Schadensgebiete für den Apfel verteilen sich unterschiedlich. In der Summe geht das Potsdamer Landwirtschaftsministerium davon aus, dass in 2019 die Erntemenge bei rund 15.000 Tonnen liegt, auf einer Anbaufläche von 901 Hektar. Im Vorjahr wurden noch doppelt so viele Äpfel, genau 28.928 Tonnen, in Brandenburg gepflückt.
Der schwere Stand des Apfels
Als im vergangenen Monat in den Hallen des Terra Naturkost-Großhandel 60.000 Bio-Brotboxen für die Erstklässler in Berlin und Brandenburg gepackt wurden, da durfte im gesunden Frühstück auch ein knackiger roter Apfel nicht fehlen. Während das Biobrot vom Märkischen Landbrot beigesteuert wurde, hatten die Äpfel einen weiteren Weg hinter sich: Sie kamen aus dem Alten Land vor Hamburg. „Brandenburg kann für diese Aktion nicht genügend Äpfel liefern“, begründeten die Veranstalter die Ausnahme von der Regional-Regel.
Ein Blick in die amtliche Statistik erhellt den Hintergrund. Wurden 1990 in Brandenburg noch Äpfel auf einer Fläche von 10.652 Hektar angebaut, so waren es 2010 nur noch 1.197 Hektar und 2016 lediglich 809 Hektar. Die Lieblingsfrucht der Deutschen hat in der Mark Brandenburg einen schweren Stand. Auch die Zahl der Anbaubetriebe ging zurück. Von 115 im Jahr 2002 blieben 2017 nur noch 88 Brandenburger Obstbaubetriebe übrig.
„Wir befinden uns in der Umstrukturierungsphase“, erklärt der Gartenbauingenieur Thomas Bröcker die Entwicklung. „Viele Betriebsinhaber hören aus Altersgründen auf und finden keine Nachfolger für ihre Höfe.“ Auch die Direktvermarktung in den Städten sei „in den letzten Jahren merklich schwieriger geworden“.
Der Lebensmitteleinzelhandel dominiere stärker denn je den Markt. Und die Supermärkte stellen vor allem Standardware ins Regal: Elstar, Boskoop, Jonagold und Gala Royal sind hier die am häufigsten georderten und verkauften Apfelsorten. Teilweise deckt sich das mit dem Angebot aus der Region, wo Jonagold, Idared und Pinova und Elstar die häufigsten Sorten sind.
Streuobstwiesen: Hort der Artenvielfalt
Größtes Apfel-Event in Brandenburg ist der bereits zum 25. Mal stattfindende Niederlausitzer Apfeltag. Er findet am 29. September von 10 bis 18 Uhr im Pomologischen Lehr- und Schaugarten Döllingen statt. An diesem Tag dreht sich alles um Fachliches zum Thema Obst- und Gartenbau sowie die vielseitige Nützlichkeit von Äpfeln.
Obstsortenbestimmung Neben Kochshows, Theater und musikalischen Einlagen gibt es allerlei Wissenswertes zum Thema Apfel und außerdem einen Festgottesdienst, eine Apfelausstellung und die Obstsortenbestimmung, ein Baumschnittseminar und den Erntewagenkorso. Mehr Informationen unter pomologischer-garten.de. (mr)
Probleme bereitet neben dem Nachtfrost, wenn er kurzfristig zuschlägt, auch der langfristige Klimawandel. „Insgesamt stellen wir fest, dass katastrophale Wettereignisse wie Hagelstürme oder Perioden extremer Trockenheit häufiger auftreten als noch vor 10, 20 Jahren“, berichtet Bröcker. „Statt einmal in zehn Jahren kommen sie mittlerweile fünfmal in zehn Jahren vor.“ Sein Wunsch: „Wir Obstbauern brauchen unbedingt ein paar gute Jahre in Folge und wünschen uns, dass die Brandenburger fleißig brandenburgische Äpfel essen.“ Natürlich sollten auch die Berliner in den hoffentlich nicht sauren Apfel beißen.
Der Weg dahin führt auch über eine neue Wertschätzung der Äpfel und der anderen Kernobstsorten. Daran arbeitet seit dem vorigen Jahr die „Brandenburger Kompetenzstelle Streuobstwiesen“, die vom Landwirtschaftsministerium gefördert und von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) fachlich begleitet wird. Streuobstwiesen gelten als Hort der Artenvielfalt, sowohl bei den Obstsorten wie bei den Insekten, die sich von ihnen ernähren.
Um die Früchte im Herbst einzusammeln und zu Obst-Mostereien zu bringen, werden neuerdings auch freiwillige Helfer eingesetzt. Koordiniert wird die Aktion über eine Webseite vom Verein „Äpfel & Konsorten“. Auf den rund 2.000 Hektar Streuobstwiesen in Brandenburg seien derzeit knapp 90 Erntehelfer im Einsatz, berichtet Vereinssprecher Oliver Exner. Allerdings ist bei den Äpfeln nicht so viel zu tun. „Die Ernte ist relativ gering“, haben die Streuobst-Freunde festgestellt.
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