Anwohner im Widerstand: „Wir sind nicht gegen Flüchtlinge“
In Hamburg- Billstedt will eine Bürgerinitiative die Unterbringung von Flüchtlingen in einer Schule verhindern. Warum, sagt Mitbegründer Björn Gröning.
HAMBURG taz | Wir lehnen die Unterbringung von Flüchtlingen auf dem Schulgelände am Oststeinbeker Weg in Billstedt ab, weil dieser Stadtteil, wie Zahlen belegen, bereits sehr solidarisch mit einer hohen Anzahl von Unterkünften an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligt ist. Wir sehen somit andere Stadtteile vorrangig in der Pflicht, weitere Flüchtlinge aufzunehmen.
Wir sind weder gegen Ausländer noch gegen Flüchtlinge. Es geht darum, dass eine gesamt solidarische Aufgabe für Gesamt-Hamburg gestellt ist. Der Punkt den wir monieren ist folgender: Von insgesamt 104 Stadtteilen schaffen es zur Zeit tatsächlich nur 26, Flüchtlingsunterkünfte und Plätze zur Verfügung zu stellen, während sich 78 Stadtteile gar nicht beteiligen.
Wenn hier auf dem Schulgelände eine Zwischennutzung geschaffen werden soll, sehen wir die Einhaltung des Bebauungsplanes gefährdet. Seit 2005 wird geplant, auf dem Schulgelände Einfamilien- und Reihenhäuser sowie für einkommensschwächere Familien sozial gefördertes Wohneigentum zu schaffen.
Sollte eine Zwischennutzung des Schulgeländes erfolgen, gehen wir nicht davon aus, dass der von der Sozialbehörde zugesicherte Rückbau zum Ende 2014 stattfinden wird. In diversen Ausführungen weist das Amt darauf hin, dass sie die Unterkünfte drei bis fünf Jahre betreiben will. Das steht in klarem Widerspruch zu der Aussage, dass hier Ende 2014 mit dem Abriss des Schulgebäudes begonnen wird. Sollte dem doch so sein, ist es für uns unverständlich, warum für eine Zwischennutzung von 16 Monaten eine Summe von 530.000 Euro für den Umbau investiert wird, um das Ganze 16 Monate später mit einem Sprengsatz wieder abzureißen.
Wir sorgen uns auch um die konkrete Unterbringung der Flüchtlinge. Es werden kleine Räume geschaffen, in denen die rund 60 Menschen, die da rein sollen, auf engstem Raum zusammengepfercht werden. Dazu soll es eine Gemeinschaftsküche und Gemeinschaftsduschen geben. Wenn man diese Menschen von vornherein in so eine menschenunwürdige Situation bringt, sind Konflikte vorprogrammiert. Für die Betreuung ist, unserem Kenntnisstand nach, nur eine Dreiviertel-Betreuungsstelle vorgesehen.
Wenn es um die Flüchtlingsunterbringung geht, stellen wir uns zwei Fragen. Erstens: Warum muss es immer in einer Ballung stattfinden? Und zweitens: Warum werden immer sozial schwache Stadteile ausgewählt? Das spiegelt die Anzahl der Flüchtlingsunterkünfte über die jeweiligen Stadtteile sehr genau wieder. Das lässt nur einen Schluss zu: Es ist politisch gewollt. Hier wird mit wenig bis gar keinem Widerstand gerechnet, schon gar nicht aus einem sozial benachteiligtem und schwierigem Viertel wie Billstedt. Viele Menschen in diesem Stadtteil sind so sehr damit beschäftigt, überhaupt über die Runden zu kommen, dass da der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus etwas schwer fällt.
Wir sind uns der Flüchtlingsproblematik sehr wohl bewusst und sehen darin eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Die Flüchtlingsströme werden vermutlich auch in Zukunft wachsen, deswegen ist die Stadt selbstverständlich darum bemüht, so viele Plätze wie möglich zu schaffen und somit sicherzustellen, dass alle Flüchtlinge eine entsprechende Unterkunft bekommen.
Die Stadt Hamburg ist aber auch im Besitz von über 900 leer stehenden Wohnungen, die unseres Erachtens nach eine wesentlich sozial gerechtere Unterbringung von Flüchtlingen ermöglichen würden. Man hätte sofort eine Integration dieser Menschen in die Gesellschaft, man hätte keine Ballung auf engstem Raum, somit auch kaum Konfliktpotenzial.
Wir halten die Nutzung von leer stehendem Wohnraum und die Unterbringung in kleinen Wohngruppen für den wesentlich sinnvolleren Weg. Das hat die Stadt Hamburg in den letzten Jahren einfach nicht zu Wege gebracht. Hier werden kurzsichtig und kurzfristig Entscheidungen ohne Nachhaltigkeit getroffen.
Das Problem hier sind nicht die Anwohner oder Not leidende Menschen, die Hilfe benötigen, das Problem ist auf Behörden- und Senatsebene zu suchen. Auch die Lokalpolitik hat eindeutig die Pläne der Sozialbehörde abgelehnt und die Suche nach Alternativstandorten in anderen Stadtteilen forciert.
PROTOKOLL: MIRIAM KERN
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