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Anwalt über Demos in Chemnitz„Höckes Traum ist aufgegangen“

Jürgen Kasek rief zu Protesten am Samstag gegen die rechten Demonstrationen auf. Die Vereinigung von AfD mit Nazihooligans hält er für strategisches Kalkül.

Bernd Höcke (neben dem Auto) Foto: dpa
Christian Jakob
Interview von Christian Jakob

taz: Herr Kasek, ihr Bündnis hat dazu aufgerufen, am Samstag in Chemnitz gegen die rechten Aufmärsche zu protestieren. Die konnten am Ende nicht wie geplant stattfinden. Sind Sie zufrieden?

Jürgen Kasek: Dem Aufruf des Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ sind so viele Menschen nachgekommen, dass die Züge nicht nur völlig überfüllt waren, sondern Hunderte Menschen auf den nächsten und übernächsten Zug warten mussten.

Wie viele waren denn am Ende in Chemnitz auf der Straße?

Ich bin mit Zahlen sehr vorsichtig, die Lage war schwer einzuschätzen. Insgesamt würde ich denken 4.000 bis 4.500.

Und wie viele waren davon aus Chemnitz?

Etwa die Hälfte würde ich schätzen.

Ist das viel oder wenig?

Traurigerweise ist das ein bisschen zu gering. Ich hätte mir noch mehr gewünscht. Die Chemnitzer Strukturen haben ihr Bestes versucht und man muss unbedingt anerkennen, dass sie es geschafft haben, in wenigen Tagen alles zu stemmen. Mehr als 70 Organisation haben aufgerufen. Aber man muss feststellen, dass breite Teile der Bevölkerung dem eben nicht gefolgt sind. Der Altersdurchschnitt beim Gegenprotest war sehr niedrig. Es waren viele junge Menschen unterwegs, denen es um ihre Zukunft geht, während auf der anderen Seite, bei AfD und Pegida vor allem die Rentnergeneration überwog, unterstützt durch die Naziszene.

Im Interview: Jürgen Kasek

Jürgen Kasek ist Rechtsanwalt in Leipzig, Grünen-Mitglied und bloggt unter https://juergenkasek.wordpress.com/

Die Polizei hat deren Zug nach weniger als der Hälfte der Strecke gestoppt, weil die Straße durch einige Hundert GegendemonstrantInnen blockiert wurde. Die Polizei hätte diese Blockade räumen können, aber darauf verzichtet. Hat sie das überrascht?

Von der Gegenkundgebung sind Menschen im Laufe des Nachmittags auf die Straße gelaufen, irgendwann hat man gemerkt, dass die Polizei das nicht offensiv unterbindet. Zwischendurch gab es kurz Unruhe, weil eine Polizeikolonne durchgefahren ist und viele dachten, nun wird womöglich geräumt. Stattdessen ist es gelungen, das als Spontanversammlung anzumelden.

Gab es eine politische Weisung, nach den Ereignissen am Montag den Gegenprotest nicht hart anzugehen?

Am Johannisplatz bei der Gegenkundgebung war die Polizei relativ entspannt. Das bayrische Unterstützungskommande (USK), dass die Menschen umstellt hat, hat sich nach 45 Minuten zurückgezogen. Man war offensichtlich darauf bedacht, keine Fehler zu machen. Ich glaube, dass die Maßgabe galt, beide Seiten weitgehend zu trennen und vorsichtig miteinander umzugehen. Als dann die Leute auf der Straße waren, fiel die Entscheidung so aus: Wir lassen das Ganze hier stehen und senden keine Bilder einer größeren Auseinandersetzung, die dann wieder den Eindruck vermitteln, man wolle den Gegenprotest offensiv verhindern. Als einmal ein Demonstrant eine Ansage machte und mit dem Megafon von „Bullen“ sprach, wurde er zwar von Bundespolizisten aus Rheinland-Pfalz umstellt, aber nur verwarnt, nicht angezeigt. Das kannte ich so nicht. Ich hab dann den Beamten gesagt, dass die Wortwahl eben auch damit zu tun hat, dass das Vertrauen in die sächsische Polizei nicht so groß ist. Dann haben die auch nur genickt.

Entgegen der angemeldeten Planung hat sich der offen nazistische Aufzug der Pro Chemnitz-Initiative mit dem bis dahin eher bürgerlichen Zug der AfD vereinigt. War das eine gewollte, symbolische Zäsur bei der Annäherung der AfD an die extreme Rechte?

Ja. Der Traum von Björn Höcke ist am Samstag aufgegangen: Die Verenigung der immer noch nach außen bürgerlich erscheinenden AfD mit dem harten Hooligan-Spektrum. Es ist eine strategisches Kalkül, dieses Milieu einzugliedern. Dann hat man am Ende eine Partei, die offen in den Parlamenten gegen die Minderheiten hetzt und die auf der Straße von Schlägertrupps unterstützt wird. Die Bilder, die wir da gestern gesehen haben, haben mich äußerst beunruhigt.

Welche Bilder genau?

Wie sich bürgerliche Menschen mit organisierten Neonazis und Hooligans offensiv aufeinander zu bewegen, zusammen stehen, keine Annäherungsprobleme und Zweifel haben – nicht einmal, wenn der Hitlergruß gezeigt wird.

Von wem geht diese Annäherung aus – vom Nazispektrum oder von der AfD?

Das ist die Zielrichtung des nationalistischen so genannten „Flügels“ in der AfD um Björn Höcke. Gemeinsam mit den Identitären und auch dem neurechten Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek stecken sie den Rahmen ab. Und dieser Rahmen sieht vor, die AfD halbwegs bürgerlich erscheinen zu lassen, aber auf der Straße alle anderen Spektren einzubeziehen. Es gab ja mal einen Abgrenzungsbeschluss der AfD zu Pegida, Identitären und Organisationen der Nazis. Das gilt nicht mehr. Auf der Straße vereinigt man sich und Gewalt ist dabei mit einkalkuliert.

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25 Kommentare

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  • Jeder weiß, dass Höcke Hitler-Anhänger ist und dafür locker Deutschland in den Abgrund stürzen lässt.



    Ein Schwerstverbrecher.

  • Der 'Erfolg' Höckes könknte auch zum Bumerang werden: Damit verläßt die AfD nun auch offiziell den demokratischen Pfad. Die hohe Hürde des BVG für ein Parteiverbot wäre genommen. Im Gegensatz zur NPD mit ihren weniger als 5% ist die AfD mit fast 20%, in manchen Kommunen mit fast 50% und ihrem Erfolg, Menschenjagden herbeizuhetzen, staatsgefährdend.



    Ein Verbot ist unumgänglich!

    • @Unvernunft:

      Eine Partei mit 20% bis 50% der Wählerstimmen zu verbieten, macht sich überhaupt nicht gut und ist nicht mehr demokratisch. Das wäre ein Bürgerkrieg mit Ansage. Den soll ruhig die AfD und ihre Unterstützer anfangen, dann kriegen sie was auf die Mütze.

      • @Mustardman:

        NPD verbieten ging nicht wegen zu wenig Wählern, AfD verbieten geht nicht wegen zu viel Wählern? Außerdem heißt es doch immer, ganz viele würden die nur aus Protest wählen, also zählen die doch nicht als echte Anhänger. Ich finde, bei eindeutiger Beweislage (hat BVerfG zu entscheiden) wäre ein Verbot ganz einfach angebracht.

        • @Ewald der Etrusker:

          Ja, es gibt Dinge, für die es immer zu früh ist, bis es für sie zu spät ist. Das sind dann Lösungen, die man einfach aus dem Repertoire der Möglichkeiten streichen sollte.

          Wenn man eine Partei verbietet, die von bis zu 50% der Wähler gewählt wird, dann darf man sich nicht wundern, wenn bis 50% der Leute diesen Staat für nicht mehr demokratisch halten und dann hat man bestenfalls nur noch eine wohlmeinende Diktatur und die ist nicht besser als alle anderen Diktaturen auch.

          Dass die AfD überwacht gehört, finde ich aber auch. Die treten das Grundgesetz gewohnheitsmässig mit den Füssen, das ist dann ganz klar ein Job für den Verfassungsschutz.

          • @Mustardman:

            Ohne Verbotsmöglichkeit ergibt Überwachung nicht besonders viel Sinn.

  • Es heißt "Traum ist wahr geworden" und nicht "aufgegangen". Eine Rechnung kann aufgehen.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Nicky Arnstein:

      Unser Mann für´s Wesentliche.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Ich empfehle Ihnen vor der eigenen Türe zu kehren bzw. etwas Selbstreflexion und Selbstkritik. Wenn ich mir Ihre Ergüsse über "die Breiten Teile der Bevölkerung" anschaue, lese ich nur Unwesentliches.

        • @Nicky Arnstein:

          Nachzulesen in Ihrem heutigen Beitrag von 16:30

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @Nicky Arnstein:

            Kommunikation. Das letzte große Abenteuer.

            • @76530 (Profil gelöscht):

              Wer aber im Glashaus sitzt, sollte sich nun mal im Dunkeln ausziehen.

  • "Als einmal ein Demonstrant eine Ansage machte und mit dem Megafon von „Bullen“ sprach, wurde er zwar von Bundespolizisten aus Rheinland-Pfalz umstellt, aber nur verwarnt, nicht angezeigt. Das kannte ich so nicht."

    Das geht doch auch schwerlich noch als Beleidigung durch, will ich hoffen, so sehr hat es einfach Eingang in den normalen Sprachgebrauch gefunden. Sogar von Polizisten habe ich es schon gehört, dass sie (außerhalb ihrer Dienstzeit) sich selbst bzw. ihren Beruf so bezeichneten.

    • @Existencielle:

      Das AG Bremen hat am 02.02.2018 entschieden, dass der die Bezeichnung als Bulle nicht unbedingt (muss nicht kann aber) eine Beleidigung ist. Z.B. sind der "Bulle von Tölz" und der "letzte Bulle" richtig knorke. Achtung: Einzelfallentscheidung

    • @Existencielle:

      Tiervergleiche können sicherlich immer als Beleidigung verstanden werden, ganz egal, wie manche Leute sich selbst bezeichnen. Und wer Polizisten in deren Anwesenheit Bullen nennt, ist m.E. an Deeskalation und einer friedlichen Demo nicht besonders interessiert.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Zum Thema Demokratie vielleicht noch dies: "Danny Dzuik, Ja, man darf", bei youtube.de.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Auch wenn hier nicht "Die Wahrheit" ist ... Ich habe bei der Formulierung "... breite Teile der Bevölkerung ... " inne gehalten.

    Selbst alles andere als ein Leichtgewicht, habe ich mir dies bildlich vorzustellen versucht. Und musste lachen - trotz ernstem Anlass. Breite Teile der Bevölkerung können - auf unterschiedliche Art und Weise - breit sein. Dass sie es dann nicht auf die Straße schaffen: kein Wunder.

  • Das hatten wir doch schon mal, die SA als Schlägertruppe und die SS als bürgerliche Elite.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    "Dann hat man am Ende eine Partei, die offen in den Parlamenten gegen die Minderheiten hetzt und die auf der Straße von Schlägertrupps unterstützt wird."

    Die AfD sollte ihre Schlägertrupps Sturmabteilung nennen und einheitlich kleiden.

  • Trauermarsch mit Hitlergruß,



    für Höckes Mannen stets ein Muß

    Trauermarsch mit Hitlergruß,



    da geht auch Gauland gern zu Fuß.

    Naziblock beim Trauermarsch,



    so mancher hat 'nen Stock im Ar....

    Trauermarsch mit Nazirecken,



    die „männlich“ hinter Hecken höcken.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    "Ja. Der Traum von Björn Höcke ist am Samstag aufgegangen."

    So muss man das wohl leider sehen. Womöglich ist das der größere Erfolg des Tages. Und nicht die gelungene Blockade. Die letzte Mauer ist gefallen. Pack, Bürger und Nazis einig auf der Straße.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      Der heiß Bernd.

      • @60440 (Profil gelöscht):

        Lucke oder das Brot?

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @60440 (Profil gelöscht):

        Ach ja stimmt ja. Ich hatte doch gleich so ein Gefühl, dass da was falsch ist.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Er heisst Adolf und Höcke ist sein Künstlername.

          Leider.