Anwälte im NSU-Prozess: Drei für Zschäpe
Heer, Stahl und Sturm: Die Anwälte von Beate Zschäpe werden beim NSU-Prozess die Indizienkette der Anklage infrage stellen.
BERLIN taz | In den letzten Monaten sah man Anja Sturm und Wolfgang Heer, zwei der drei Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe, immer wieder im Europasaal des Bundestags. Sie lauschten dort den Zeugen im NSU-Untersuchungsausschuss, tippten eifrig auf dem Laptop mit. Alles Teil der Vorbereitung auf den großen Prozess.
Keine Frage: Es wird auch für die beiden Strafverteidiger und den dritten in ihrem Team, Wolfgang Stahl, der wichtigste Prozess ihres bisherigen Lebens. Alle drei sind sie einigermaßen junge, ambitionierte Anwälte, die nicht im Geringsten im Verdacht stehen, Rechte-Szene-Verteidiger zu sein. Ihnen geht es um die Prinzipien des Rechtsstaats. Und – natürlich – nebenbei auch um die eigene Anwaltskarriere.
Die drei Zschäpe-Verteidiger werden im NSU-Prozess die von der Anklage dargelegte Indizienkette infrage stellen und vor allem den Vorwurf der Mittäterschaft Zschäpes bei den Morden der Terrorzelle anzweifeln. „Es handelt sich um eine Maximalanklage, der wir jedoch entgegentreten“, sagte Anja Sturm im Vorfeld des Prozesses der taz. „Der Generalbundesanwalt unterstellt unserer Mandantin, an den mutmaßlich durch Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos begangenen Taten beteiligt gewesen zu sein, ohne dass er dafür einen Beweis in den Händen hält.“ Man wird sehen.
Nach Auffliegen des NSU hatten zunächst nur Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl das Zschäpe-Mandat; allein diese Namenskombi hatte in der Öffentlichkeit schon für Erheiterung gesorgt. Doch als dann noch Anja Sturm dazu kam, tobte im Internet der Witzstorm. Doch auch der ist inzwischen abgeebbt.
Erleichterter Zugang zu Zschäpe
Auch abgesehen vom Namen ergibt es Sinn, dass Anja Sturm in dem Verteidigerteam dabei ist: Sie kennt Manfred Götzl, den schwer berechenbaren Vorsitzenden Richter im NSU-Verfahren, aus einem großen Islamistenprozess in München. Und sie ist eine Frau, was den Zugang zu Zschäpe vermutlich erleichtert.
Auf die Frage, warum sie eine mutmaßliche Neonazi-Terroristin verteidige, antwortet Anwältin Anja Sturm: „Ich bin Strafverteidigerin. Es ist mein Beruf, Menschen, denen gegenüber auch schwerste Tatvorwürfe erhoben werden, zu verteidigen, ihnen zur Seite zu stehen.“
Gleichwohl bekam sie vor wenigen Wochen ausgerechnet von Anwaltskollegen einen Dämpfer verpasst. Sturm wollte sich in den Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger wählen lassen – und fiel knapp durch. Eine Zschäpe-Verteidigerin an ihrer Spitze empfanden manche dann doch als falsches Signal.
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