piwik no script img

Antrag soll noch diese Legislatur kommenGrüne drücken bei AfD-Verbot auf die Bremse

Trotz Neuwahl: Eine Gruppe Bundestagsabgeordneter will noch diese Legislatur einen AfD-Verbotsantrag einbringen. Anderen Grünen geht das zu schnell.

Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) fordert ein abgestuftes Vorgehen in Sachen AfD-Verbot Foto: Britta Pedersen/dpa

Berlin taz | Eins ist klar nach dem Platzen der Ampel-Regierung: Es wird nur noch sehr wenige Bundestagssitzungen geben, bevor es zu Neuwahlen kommt. Viele geplante Gesetzesvorhaben werden damit auf der Strecke bleiben. Ein Projekt aber will eine überfraktionelle Gruppe unbedingt noch in der Restlegislatur in den Bundestag einbringen: einen AfD-Verbotsantrag.

Der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz, einst Ostbeauftragter der Bundesregierung, treibt das Vorhaben seit Monaten voran. Er sagte nun der taz, dass der Antrag auf Prüfung der Verfassungswidrigkeit der AfD vor dem Bundesverfassungsgericht unbedingt noch in einer der letzten Bundestagssitzungen eingebracht werden soll. „Die AfD ist eine ernste Gefahr für die Demokratie – das erlaubt keinen Aufschub.“ Man werde die Einbringung des Antrags nun „beschleunigt“ vornehmen.

Auch die Linken-Abgeordnete Martina Renner drückt aufs Tempo. „Angesichts der Gefahren, die von der AfD ausgehen, ist der aktuelle Bundestag in der Verantwortung, das Verfahren in Gang zu setzen“, sagte sie der taz. „Mit Blick auf das baldige Ende der Legislatur werden wir nun den Weg hin zur Abstimmung unseres Antrags beschleunigen.“

Renner wie Wanderwitz verweisen auch auf die gerade unter Terrorverdacht festgenommenen rechtsextremen „Sächsischen Separatisten“, unter denen sich mehrere AfD-Funktionäre befanden. Das werfe abermals ein bezeichnendes Licht auf die AfD, sagte Wanderwitz. „Da kommen mutmaßlich Rechtsterroristen aus der Mitte der AfD. Es sind Hass und Ideologie dieser Partei, die sie antrieben.“

Ein Scheitern wäre „fatal“, warnen die Grünen

Aber das Vorhaben ist zeitlich ambitioniert – umso mehr, da insbesondere die Fraktionsspitzen von Union und SPD das Vorhaben kritisch sehen. Auch die FDP sieht ein AfD-Verbot reserviert, das BSW ist gänzlich dagegen. Und nun fordern auch einige Grünen-Abgeordnete um Renate Künast, Irene Mihalic und Lukas Benner ein anderes, ein abgestuftes Vorgehen in Sachen AfD-Verbot und haben einen eigenen Antrag vorgelegt.

Es gebe zwar „erhebliche Anzeichen“ dafür, dass die AfD gegen die demokratische Verfassungsordnung vorgehe und die Voraussetzungen für ein Verbot erfülle, heißt es in dem Antrag. Auch sei es die politische Pflicht des Bundestags, sich ernsthaft mit der Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens zu beschäftigen. Zuvor aber müsse Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) Gutachten zu den Erfolgsaussichten eines solchen Verbotsantrags in Auftrag geben. Ebenso müssten die Sicherheitsbehörden eine umfassende Materialsammlung über die AfD dem Bundestag vorlegen. Erst auf dieser Grundlage könne ein Verbotsantrag gestellt werden.

„Ein Parteiverbot ist ein sehr scharfes Schwert der Verfassung, mit dem wir verantwortungsvoll umgehen müssen“, sagte Künast der taz. Auch seien die juristischen Hürden für ein Verbot sehr hoch. „Wie wir die AfD politisch einschätzen, ist das eine. Ob ein Verbotsantrag in Karlsruhe aussichtsreich ist, ist das andere.“ Selbst wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD demnächst bundesweit als gesichert rechtsextreme Vereinigung hochstufen würde, wäre das noch keine Erfolgsgarantie, so Künast. Umso mehr, da die AfD sich in ihrem Programm und auch sonst bemühe, verfassungsfeindliche Ziele zu verstecken.

„Wir sollten vorgehen wie in anderen Fällen auch: Erst das Material sammeln, dann den Antrag stellen“, betonte Künast. „Gerade in diesem Fall wäre es fatal, wenn dieser schon in der obligatorischen Vorprüfung des Bundesverfassungsgerichts scheitert.“ Und sie betont, dass es auch bei einem sofort gestellten Antrag viele Monate dauern werde, bis dieser so ausformuliert und begründet sei, dass er in Karlsruhe vorgelegt werden könne.

Gruppe um Wanderwitz bleibt bei ihrem Plan

Die Gruppe der AfD-Verbotsbefürworter um Wanderwitz und Renner ist über den Vorstoß nicht erbaut. „Grundsätzlich ist die Initiative zu begrüßen, denn sie ist besser als Nichtstun“, sagte Wanderwitz der taz. Das Problem sei nur, dass mit diesem Vorgehen in der nur noch kurzen Wahlperiode kein Gang mehr vor das Bundesverfassungsgericht möglich wäre. „Und leider steht zu befürchten, dass die AfD nach der nächsten Wahl noch stärker sein wird. Politische Klugheit ist dieser Zwischenschritt also nicht“, so Wanderwitz. „Wir brauchen jetzt einen sehr zügigen Antrag vorm Bundesverfassungsgericht, deshalb bleiben wir bei unserem Antritt.“

Auch die Linken-Abgeordnete Renner betonte, dass nur der eigene Gruppenantrag die Chance biete, angesichts der „erdrückenden Belege“ für die Verfassungswidrigkeit der AfD noch in dieser Legislatur ein Prüfverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht auf den Weg zu bringen, das dann unabhängig vom Wahlausgang laufen würde. „Es gibt nicht nur Argumente, es gibt ausreichend öffentliches Material. Und es gibt die Zusage, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz den Bundestag in Karlsruhe im Rahmen der Organtreue unterstützen wird.“ Das sei bei dem Antrag von Künast, Mihalic und Benner nicht gegeben, so Renner.

Um den AfD-Verbotsantrag im Bundestag einzubringen, braucht es 37 Abgeordnete – fünf Prozent aller Parlamentarier*innen. Wanderwitz hatte bereits vor Monaten verkündet, dass diese Zahl erreicht sei. Mitte Oktober ging die Gruppe um ihn dann in die Offensive, sammelt seitdem weitere Unterstützer*innen. Wie viele Abgeordnete den Antrag von Künast, Mihalic und Benner unterstützen, ist noch offen: Das Trio begann gerade erst, Gleichgesinnte zu suchen. Nach taz-Informationen sollen es bisher rund 20 Abgeordnete sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • „Wie wir die AfD politisch einschätzen, ist das eine. Ob ein Verbotsantrag in Karlsruhe aussichtsreich ist, ist das andere.“

    -->Mit anderen Worten: Die Grünen gehen selbst davon aus, dass die AfD juristisch gesehen nicht verfassungswidrig ist, sie wollen sich aber gern das Argument im Wahlkampf behalten und auch die Union damit triezen.

    Genau deshalb bin ich für ein Verfahren, denn am Ende gibt es nur Gewinner. Entweder die AfD ist verfassungswidrig, dann wird sie verboten. Oder die AfD ist nicht verfassungswidrig, dann ist das Argument zur Dämonisierung weg und die AfD ist eine normale Partei mit der man normal umgehen muss.

    In beiden Fällen gewinnt die Demokratie. Von daher: Verbots Antrag. Am besten noch heute!

  • In Diktaturen werden mögliche Konkurrenten verboten.



    In rechtsstaatlichen Demokratien setzen sich bessere Argumente beim Wähler durch.



    Sichtbar an Zustimmungswerten.

    Wo stehen wir?

  • Warum stellen die dann den Verbotsantrag nicht einfach??



    Gibt es keine 37 (!) Unterstützer???



    Unfassbar.

  • Nur auf dem Arsch sitzen und labern ohne Ende aus Angst was falsches zu tun. Schisser!

    • @Andreas J:

      Und nicht ganz grundlos.

      Wenn es schiefläuft, ist die AfD eine zertifiziert demokratische Partei.

      Es gibt also durchaus was zu verlieren.

      Markige Worte helfen nicht immer.

      • @rero:

        Das Verfassungsgericht erteilt Zertifikate?

        • @Andreas J:

          Na klar.

      • @rero:

        Nein, es gibt eben nichts zu verlieren. Wenn das Verbot scheitert, dann ist die AfD eine zertifiziert demokratische Partei. Ganz genau. Dann kann und muss man sich endlich politisch mit ihr auseinandersetzen und kann nicht ständig die Nazikeule schwingen.

        Daher kann man nur gewinnen. Wenn die AfD verfassungswidrig ist, wird sie verboten. Wenn sie nicht verboten wird, dann ist sie offensichtlich nicht verfassungswidrig. Ist quasi ein Parteien TÜV.

        Von daher: Verbotsantrag jetzt!

        • @Kriebs:

          Ok, von der Perspektive aus haben Sie recht.