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Antisemitismus in Großbritannien„Wir stehen zusammen“

Jüdische Wochenzeitungen in Großbritannien erscheinen mit der gleichen Titelseite. Damit warnen sie vor Antisemitismus in der Labour-Partei.

Dreifache Warnung: Judische Zeitungen in Großbritannien Foto: screenshot: taz

Die drei größten jüdischen Zeitungen in Großbritannien haben sich zu einem ungewöhnlichen Schritt zusammengeschlossen, um vor Antisemitismus in der Labour-Partei zu warnen. „United we stand“ (deutsch: Wir stehen zusammen) heißt es auf der Titelseite der am Donnerstag erschienenen Jewish News sowie auf den Titelseiten der am Freitag erscheinenden The Jewish Chronicle und Jewish Telegraph. Auf allen Covern der Wochenzeitungen erscheint zudem ein gemeinsamer Kommentar der Redaktionen.

Darin heißt es: „Wir machen das wegen der existenziellen Bedrohung jüdischen Lebens in diesem Land, die von einer von Jeremy Corbyn geführten Regierung ausgehen würde.“ Corbyn ist der Parteivorsitzende der Labour-Partei und derzeit Opposi­tions­führer im britischen Unterhaus. „Die Werte und Integrität dieser Partei, die bis vor Kurzem das natürliche Zuhause für unsere Community war, wurde von der Corbyn’schen Verachtung für Juden und Israel ausgehöhlt.“

Dank Corbyn hat der Labour-Parteivorstand kürzlich eine Definition beschlossen, nach der nicht einmal die Gleichsetzung von Israel mit dem Nationalsozialismus grundsätzlich als antisemitisch eingeordnet wird. Eine international anerkannte Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), die auch israelbezogenenen Antisemitismus einschließt und beispielsweise die Dämonisierung, Delegitimierung und Anwendung von doppelten Standards gegenüber Israel verurteilt, wurde damit bestritten.

Auf Israel projizierter Antisemitismus werde so für akzeptabel erklärt, heißt es in dem gemeinsamen Titelkommentar: „Unter den angenommenen Richtlinien steht es einem Labour-Mitglied frei, die Existenz Israels als rassistische Leistung darzustellen und israelische Politik mit der Nazideutschlands zu vergleichen, außer wenn ‚Absicht‘ – was auch immer das heißt – nachgewiesen werden kann.“ Der jetzige Zeitpunkt wurde gewählt, da Labour im September erneut über die Definition entscheiden will.

Die jüdische Labour-Abgeordnete Margaret Hodge soll Corbyn nach dem Vorstandsbeschluss in der vergangenen Woche als einen „fucking anti­-Semite and racist“ bezeichnet haben, wovon sie nur das „fucking“ bestreitet. Die Parteiführung plant deshalb derzeit, ein Disziplinarverfahren gegen Hodge einzuleiten. „Es ist eine reale Gefahr, dass ein Mann, der blind für die Ängste der jüdischen Community ist und nicht versteht, dass hasserfüllte Rhetorik gegen Israel leicht in Antisemitismus münden kann, unser nächster Premierminister wird“, kommentieren Jewish Chronicle, Jewish News und Jewish Telegraph weiter.

Zweitgrößte jüdische Gemeinde in Europa

Die Aktion der drei jüdischen Zeitungen ist durchaus einmalig in der Medienlandschaft. Marcus Dysch, ­Jewish-Chronicle-Mitherausgeber, bezeichnete sie auf Twitter als „absolut beispiellos“. Die drei Blätter sind eigentlich Konkurrenten im umkämpften Zeitungsmarkt. Nach Frankreich hat Großbritannien mit bis zu 300.000 Mitgliedern die zweitgrößte jüdische Gemeinde in Europa. Offenbar ist die Sorge und Wut über die Vorgänge in der Arbeitspartei so groß, dass man sich zu diesem geschlossenen Auftritt genötigt sah. „Nach drei Jahren der unermüdlichen Bericht­erstattung über Antisemitismus in der ­Labour-Partei sagen wir mit einer Stimme: Genug ist genug“, schrieb Dysch weiter.

Paul Harris, Redakteur des Jewish Telegraph, bedauerte im Gespräch mit der taz, dass Corbyn „so viele Manifestationen des Judenhasses innerhalb seiner Partei“ ignoriert habe. „Mit dem Herumpfuschen an der IHRA-Definition hat er die Situation vielmehr verschlimmert, direkt in die Hände der Antisemiten gespielt und viele verwundert darüber gelassen, was seine wahren Gefühle gegenüber britischen Juden sind“, so Harris weiter. „Er verweigert sich weiterhin einer Verdammung von Parteimitgliedern, die sich antisemitisch äußern oder Kritik an Israel mit eklatantem Antisemitismus vermischen. Viele britische Juden sind voller Angst vor einem von ­Corbyn geführten Großbritannien.“

Der Labour-Parlamentarier Ian Austin schrieb auf Twitter, jedes Parteimitglied müsse beschämt über die gemeinsame Titelgeschichte sein. „Antisemitismus in unserer Partei hat der jüdischen Community viel Leid zugefügt. Wir müssen das Pro­blem ernster nehmen.“ Eine Parteisprecherin wies den Vorwurf zurück, dass Labour eine „Bedrohung für Juden“ darstelle. Jeremy Corbyn selbst verweigerte zunächst eine Reaktion. Vom Nachrichtensender Sky Newsangesprochen, sagte er lediglich mehrfach „No“ und fuhr mit dem Fahrrad davon.

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16 Kommentare

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  • rechtszionistische Wahlbeinflussungen mithilfe von Judenhasser- u Antisemitismusbeleidigungen laufen in UK (und in anderen Ländern) schon jahrelang.



    Dies obwohl Juden und Nichtjuden auch in UK seit langem gleiche Rechte haben.

    Der Antirassismus Corbyns macht offenbar Israel Angst, wie eine TV-Doku von Aljazeera kürzlich in UK zeigte.

    Denn Corbyn tritt als Antirassist für gleiche Rechte von Juden und Nichtjuden auch in Nahost ein.

  • Diese massive Propaganda gegen Corbyn läuft seit Jahren. Selbstverständlich ist das so; es wäre schon extrem merkwürdig, um nicht zu sagen verdächtig, wenn es sie nicht gäbe, angesichts seiner sozial- und wirtschaftspolitischen Agenda. Corbyns Aufstieg stellt erstmals eine Abkehr von Labours neoliberaler politischer Linie der letzten Jahrzehnte in Aussicht.



    Aufgabe der Medien ist es natürlich, auch die Kontroversen um Corbyn zu berichten. Wer aber primär und in sensationsheischender Manier Skandale hochschreibt, dabei Kontextualisierung vermissen lässt und politische Hintergründe und Programme gleich ganz verschweigt, trägt lediglich zu seiner Diskreditierung bei und macht sich so mit seiner neoliberalen Gegnerschaft gemein.



    Leider kann ich mich an keinen einzigen Artikel in der taz erinnern, der seine Ideen und Politik auch nur in groben Zügen portraitiert hätte.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Ruhig Blut:

      Wagenknecht, Lafontaine und Corbyn sind aber auch für die spießige. "grün-hedonistisch-versiffte" :-) TAZ Anathema!

      • @849 (Profil gelöscht):

        Ähm, Anathema, ah ja.



        Richtig! :-)



        Und ein Zeichen von großer Bigotterie, in meinen Augen. Konterkariert das linke, solidarische usw. Selbstverständnis, das hier regelmäßig in vielen Artikeln beschworen wird.

        • @Ruhig Blut:

          …ich meinte: Bis vorhin kein Plan was Anathema bedeutet.

  • Die Angst der Konservativen ist riesig, aber nicht vor dem Antisemitismus Corbyns, sondern vor einer echten linken Partei an der Macht....

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Es wurde keine Definition beschlossen, welche die Gleichsetzung von Israel mit dem Nationalsozialismus als nicht antisemitisch einordnet. Es geht um 3 Thesen der Arbeitsdefinition IHRA, welche vom Parteivorstand in Frage gestellt werden:

    1. Accusing Jewish citizens of being more loyal to Israel, or to the alleged priorities of Jews worldwide, than to the interests of their own nations.

    2. Denying the Jewish people their right to self-determination, e.g., by claiming that the existence of a State of Israel is a racist endeavor.







    3. Drawing comparisons of contemporary Israeli policy to that of the Nazis.

    Diese 3 Thesen sind in der Tat fragwürdig. Hat man vom Zentralrat der Juden in Deutschland schon mal Kritik an der Siedlungspolitik der israelischen Regierung gehört oder gelesen? Die gewöhnlich unverdächtige Süddeutsche gibt eine Erklärung, warum öffentliche Kritik eher selten von Diaspora-Juden kommt: www.sueddeutsche.d...diaspora-1.2123305. Der Vorwurf der Parteinahme für Israel ist insofern keineswegs generell von der Hand zu weisen, aus diesem allein Antisemitismus konstruieren zu wollen, insofern intellektuell unredlich.

    Die These, dass der Staat Israel ein rassistisches Unterfangen sei, ergibt sich aus der Ideologie des Zionismus und dem Selbstverständnis Israels. Wenn in unserer Verfassung stünde, Deutscher könne nur sein, wer von einer deutschen Mutter geboren wurde, dann wären wir ein rassistischer Staat. Ob es zudem ein jüdisches Volk gibt, darüber diskutieren die Gelehrten bis heute: www.fr.de/kultur/l...hes-volk-a-1040359

    Dass Vergleiche der israelischen Politik mit jener der Nazis in der großen Mehrheit der Fälle die Untaten der Nazis relativieren, liegt auf der Hand. Das macht aber jene, die solche Vergleiche anstrengen, nicht automatisch zu Antisemiten - wobei natürlich der Verdacht naheliegt, dass es sich um solche handelt.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Der Begriff wurde schon 1879 definiert.

      Die zionistische Propagandadefinition soll die Kritik an Apartheid, Vertreibungen, Folter, Rassismus, ethnischen Säuberungen "abwehren" und kriminalisieren.

      Übrigens: weil alle Araber zu den Semiten zählen, gehört dieser Begriff zu den Fehlbezeichnungen.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Und da sind sie schon. Die möchtegern-Antisemiten, die Juden mehr Loyalität zu Israel unterstellen als zu Deutschland (antisemitisches Stereotyp des internationalen Juden), die Zionismus als generell rassistisch ansehen (dabei ist die weltweite jüdische Gemeinde sehr divers) und die Israelis gerne mit Nazis vergleichen wollen, um als 'Kritiker ' nicht auf der falschen Seite zu stehen. Dabei hat der palästinensische 'Widerstand' so herzige Vorbilder wie SS-Sturmführer Husseini und nen syrischen Wehrmachtsoffizier.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @LesMankov:

        Da gibt's nichts zu unterstellen, das ist ein erwiesenes Faktum, wenn man sich die Zionistenlobby anschaut und die Äußerungen der deutschen Vertreter jüdischen Glaubens hierzulande.

        Die weltweite jüdische Gemeinde ist natürlich sehr divers, aber sie ist eben nicht per se zionistisch, unterliegt aber dem dauerhaften und sehr erfolgreichen Versuch, von der Zionistenlobby vereinnahmt zu werden und wird bei uns - wahrheitswidrig - zu fast 100% so dargestellt, als passte zwischen Israel und sie kein Blatt Papier. Wer das bestreitet, hat einen großen blinden Fleck in seiner "Wahrnehmung".

        Was der palästinensische Widerstand als Vorbilder hat, war nicht das Thema und ist insofern als sogenannter Whataboutisms zu betrachten, also als die Ablenkung von dem, um das es wirklich geht. Wenn Sie das brauchen: nur zu. Das ist - wenigstens noch - ein freies Land!

  • United you fall.



    Partikulargrüppler kochen - noch - ihr ganz eigenes Süppchen.



    Für Theresa May.

    Labour sollte gegen diese - sehr kleine - Lobby nun klare Kante zeigen.



    Und die betreffenden Finanziers hinterfragen.



    Das könnte interessante Zusammenhänge zutage fördern.

  • Wie irre ist das denn ?

    Die Abgeordnete Hodge betreibt in ihrem Wahlkreis oft genug die Politik der britischen Nazi-Partei BNP. Aber sie bezichtigt Jeremy Corbyn, ein Antisemit und Rassist zu sein. Ausgerechnet Corbyn, der sein ganzes (!) Leben lang jede Form von Rassismus aktiv bekämpft hat.

    Die taz bejubelt die Frau.

    Drei rechte und zionistische jüdische Blätter betreiben unverhohlen und schamlos das Geschäft der Tories und verlieren dabei jeden Maßstab. Die britischen Medien (vom Guardian bis zu den Murdoch-Blättern) springen begeistert auf.

    Die taz bejubelt diese Propaganda.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @W.T.:

      Ist nicht verwunderlich, wenn man akzeptiert, dass es eine mächtige Zionistenlobby gibt. Aber wer das öffentlich sagt, gerät ja regelmäßig in den Verdacht, Antisemit zu sein.

      Es gibt ein generelles Problem mit der Definition der Verschwörungstheorie wie auch mit dem Antisemitismus. Der Antisemitismus wird von wirklichen Anti-Antisemiten, aber auch Verschwörungstheoretikern, die sich als Anti-Antisemiten tarnen, überall dort denunziert, wo er ist. aber auch



      oft dort, wo er nicht ist.

      Wenn man nun diese Methode als Verschwörung denunziert, wird man von ihnen als Antisemit und Verschwörungstheoretiker gebrandtmarkt, auch wenn man sich intellektuell redlich mit dem Thema auseinanderzusetzen versucht.

      Jene, die Antisemitismus unterstellen, sind hingegen über den Verdacht, selbst Antisemiten oder gar Verschwörungstheoretiker zu sein, erhaben, weil sie ja ein Thema, das von allen als prekär angesehen wird und das man sich - ob der von der Mehrheit vorgetragenen Ausgrenzungstendenzen - nicht anzusprechen traut, an(zu)sprechen (wagen).

      Es bleibt zu hoffen, dass sich die öffentliche Meinung zu diesem Thema ändert - tut sie ja meiner Einschätzung nach schon. Leider. aber unvermeidlich, wird dabei wirklichem Antisemiten mehr Raum gegeben. Aber das ist ohnehin schon länger der Fall.

      Eine Verschwörung ist im übrigen geheim. Das kann man von der Zionistenlobby und ihren Aktivitäten nicht sagen. Es wird nur meistens von der öffentlichen Meinung so getan, als gäbe es diese gar nicht und als würde sie demzufolge auch nicht in Aktivitäten verstrickt sein. Lobbyismus ist im Kapitalismus "normal". Ihn aufzudecken, wenn er von der Öffentlichkeit verschwiegen wird, ebenso, ganz gleich wer der Adressat ist.

      Dass Corbyn Antisemit ist, halte ich im Übrigen auch für reine Propaganda.

      • @849 (Profil gelöscht):

        1+

        ja, rechtszionistische Beleidigungen, Schimpfworte, Diffamierungen zu Propagandazwecken.

  • Man muss isch vergegenwärtigen, dass dieser Antisemitismus darin liegen sollte, dass Labour nicht die Antisemitismus-Definition übernehmen wollte, die fast jegliche Kritik an Israel für tabu erklärt.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @agerwiese:

      Man muss der "Definition" zugut halten, dass sie selbst im beschreibenden Text Einschränkungen macht:

      "Manifestations might include the targeting of the state of Israel, conceived as a Jewish collectivity. However, criticism of Israel similar to that leveled against any other country cannot be regarded as antisemitic. Antisemitism frequently charges Jews with conspiring to harm humanity, and it is often used to blame Jews for “why things go wrong.”

      Wobei es natürlich vollkommen unredlich ist, hier den zulässigen Grad der Israelkritik im Vergleich zur Kritik an anderen Ländern als Messlatte für Antisemitismus hinstellen zu wollen.

      Der letzte Satz ist hingegen nicht widerlegbar, aber zugleich eine Binsenweisheit, die den Sachverhalt vernebelt. Es geht ja schließlich darum, die Bedingungen aufzudecken, unter welchen diese häufigen Anschuldigen getätigt werden und die zutreffenden von den unzutreffenden zu scheiden. Der Vorwurf der Verschwörung macht das von vornherein zu einem sinnlosen Unterfangen.

      Die drei Punkte, die sich Labour heraus"gepickt" hat, sind auch m.E. die schwächsten in der Liste der Manifestationen des Antisemitismus. Sie zu konkretisieren, müssten sich die "Definitoren" vornehmen, um nicht der Voreingenommenheit geziehen zu werden.