Antisemitismus in Deutschland: „Die Ängste sind berechtigt“
Der Zentralrat der Muslime hat Verständnis für die Sorgen von Juden in Deutschland. Jeder Angriff auf Juden sei „ein Angriff auf unsere Gesellschaft“, so Aiman Mazyek.
BERLIN afp/kna | Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, hat Verständnis für die Sorgen von Juden im Land geäußert. Die Ängste seien „berechtigt“, sagte er der Berliner Zeitung vom Freitag. Er reagierte damit auf Äußerungen des Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster. Dieser hatte am Donnerstag angesichts des wachsenden Antisemitismus das Tragen der jüdischen Kopfbedeckung Kippa in Problemvierteln in Frage gestellt.
Die Sorge über zunehmenden Antisemitismus in Europa hatte zuletzt unter anderem durch die Anschläge in Frankreich und Dänemark neue Nahrung erhalten. Mazyek sagte der Zeitung, Angriffe auf Juden seien „ein Angriff auf unsere Gesellschaft“. Er plädierte dafür, in einer Zeit, in der auch die Islamfeindlichkeit zunehme, den antisemitischen und antimuslimischen Strömungen gemeinsam entgegenzutreten.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bekräftigte unterdessen seine Warnung etwa vor dem Tragen der Kippa in Problemvierteln deutscher Großstädte. Er warne nicht nur vor Vierteln mit einem hohen Anteil muslimischer Zuwanderer, betonte er in Berlin. Eine Bedrohung gebe es auch dort, wo überdurchschnittlich viele Anhänger rechtsradikaler Gesinnung lebten.
Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), hatte Schusters Mahnung zurückgewiesen. Der Zentralrats-Vorsitzende sagte dazu, Anlass seiner Sorge seien nicht „aktuelle Vorkommnisse“. Immer wieder würden aber Juden, deren Glaube wegen einzelner Kleidungsstücke erkennbar sei, in einzelnen Stadtvierteln angespuckt oder angepöbelt. Das sei Anlass für seine Mahnung, nicht überall eine Kippa oder auch eine Halskette mit Davidstern zu tragen.
Die Bundesregierung hat den in Deutschland lebenden Juden unterdessen umfassende Sicherheit zugesichert. „Juden sollten sich niemals wieder in Deutschland verstecken müssen“, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel. „Wir tun alles, um jüdisches Leben bei uns zu schützen“. Jeder Übergriff gegen Juden sei „einer gegen uns alle“.
Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe (SPD), sagte der Rhein-Neckar-Zeitung vom Freitag unterdessen, wenn sich Juden in Deutschland nicht mehr mit Kippa in bestimmte Viertel trauten, sie das „ein Armutszeugnis und beschämend“. Die Behörden hätten es bislang „dem Zufall und freiwilligen Initiativen überlassen, sich um die Bekämpfung zu kümmern“. Er warf Polizei und Staatsanwaltschaft beim Schutz der jüdischen Minderheit in Deutschland zum Teil Unsicherheit und Überforderung vor. „Nicht nur die Sicherheit Israels sollte deutsche Staatsraison sein, sondern auch der Schutz unserer jüdischen Mitbürger in Deutschland“, sagte er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana