piwik no script img

Antisemitischer Vorfall in BerlinGanz normale Vernichtungsdrohung

Ein jüdischer Restaurantbetreiber wird minutenlang antisemitisch beschimpft. Die Zahl ähnlicher Straftaten steigt an.

Der Restaurantbesitzer Yorai Feinberg in seinem Restaurant Foto: dpa

Berlin taz | In den Diskussionen über antisemitische Vorfälle kommt Berlin nicht zur Ruhe. Am Dienstag wurde der Betreiber eines israelischen Restaurants in Schöneberg von einem 60-Jährigen aufs Übelste beschimpft.

Ein Video der antisemitischen Verbalattacke wurde am Mittwoch auf Facebook veröffentlicht und dort hunderttausendfach angeschaut. Zwischenzeitlich sperrte Facebook das Video, entschuldigte sich jedoch am Donnerstag dafür. Gegen den Mann ermittelt nun der Staatsschutz.

Dienstag Mittag steht Yorai Feinberg mit einer Freundin vor seinem Restaurant in der Fuggerstraße. Sie rauchen. Ein älterer deutscher Mann spricht den Restaurantbesitzer an, ruhig im Duktus, verletzend in dem, was er sagt. Aufgebracht gestikuliert der Passant in Richtung des Menoras, dem siebenarmiger jüdischen Kerzenleuchter, der im Fenster des Restaurants steht.

Als die Worte „Scheißjude“ und „Gaskammer“ fallen, beginnt die Freundin Feinbergs mit dem Handy zu filmen. Feinberg versucht im Verlauf des Videos argumentativ auf den Mann einzuwirken, bleibt selbst ruhig und beherrscht – ohne Erfolg.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Antisemitismus-Vorfall Berlin

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Der Mann redet sich immer weiter in Rage, wirkt dabei leicht entrückt: Er lamentiert über die Unterdrückung der Palästinenser, über Trumps Jerusalem-Entscheidung, benutzt vor allem jedoch immer wieder offen antisemitische Anfeindungen. Sie gipfeln in der Frage: „Was macht ihr eigentlich nach 1945 noch hier? Haben die Gaskammern nicht gereicht?“

Nach fünf Minuten Hasstirade reicht es Yorai Feinberg, er winkt ein zufällig vorbeifahrendes Polizeiauto heran. Während die Polizei im Anmarsch ist, legt der Mann nochmals nach: „Niemand schützt euch, ihr landet alle wieder in der Gaskammer“. Doch auch das Eintreffen der Beamten stört den Mann keineswegs: Er flucht weiter, kommt einem Platzverweis nicht nach und wird schließlich unter heftiger Gegenwehr in Gewahrsam genommen. So berichtet es zumindest die Polizei.

Auf dem Revier wird dann ein Bluttest angeordnet, es sei „nicht auszuschließen, dass Alkohol, Drogen oder Medikamente im Spiel waren“, so die Pressestelle der Polizei gegenüber der taz. Dies schmälere jedoch nicht das von ihm Gesagte. Gegen den Mann wird nun wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Widerstands ermittelt.

Benjamin Steinitz von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) ist über den Vorfall bestürzt, aber nicht verwundert: Er zeige, „was Juden und Jüdinnen in Berlin erfahren, wenn sie sichtbar sind“. Eine Vielzahl antisemitischer Denkmuster sei in dem Video gut dokumentiert, erschreckend sei, „mit welcher Selbstverständlichkeit der Mann Vernichtungsdrohungen ausspricht“.

Laut Statistik der RIAS gab es 2016 495 antisemitische Vorfälle in Berlin. Die vorläufigen, bis dato unveröffentlichten Zahlen dieses Jahres würden eine Zunahme belegen, so Steinitz. Eine Polizeistatistik für das erste Halbjahr 2017 weist 197 antisemitisch motivierte Straftaten aus, im gleichen Zeitraum 2016 lag die Zahl bei 115.

Am Donnerstagmittag bekam Yorai Feinberg Besuch in seinem Restaurant: Israels Botschafter Jeremy Issacharoff, Bezirksbürgermeisterin Gabriele Schöttler (SPD) sowie Volker Beck (Grüne) sprachen ihm ihre Solidarität aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Minderheiten als Feindbilder und Frustableiter wird es immer geben! Das so etwas passiert ist daher leider nicht zu verhindern. Und die jüdischen-deutschen Mitbürger an sich sind damit nicht allein. Aber wir lernen hier auch was ihnen statt des Mitleids wirklich hilft.

     

    Eine handlungsfähige Justiz, die ihrer Verantwortung und ihrer Aufgabe gerecht wird! In aufgeheizten Zeiten braucht es mehr Polizisten nicht weniger! Diese müssen dann auch konsequent gegen Hetze vorgehen! Und es braucht Richter die in Fällen von Volksverhetzung und religiös oder rassistisch motivierten Straftaten den Strafrahmen ausschöpfen! Das passiert leider viel zu selten in unserem Land ..

  • Übel. Ich habe das Video in fb gesehen und gehört. Es dreht sich einem der Magen um. Ein Alptraum.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Nicky Arnstein:

      Der Kerl bedient ja einige antisemitische Klischees. Aber er scheint auch einen ordentlichen Sockenschuss zu haben. Oder einen im Tee. Oder beides.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Kannst du dir einen antisemitischen Pöbler vorstellen, der noch alle Tassen im Schrank hat? Ich nicht.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @Kunz:

          Sagen wir so, natürlich ist das ganze ein Wahn, ein Wahngebilde. Aber von dem können auch feinsinnige Geister befallen sein.

           

          Antisemitismus gibt es in vielen Varianten, der pöbelnde Idiot ist nur eine davon.

           

          Voltaire, Kant, H.G.Wells. Bei allen finden Sie antisemitische Aussagen. Und keiner hat gepöbelt.