Antinationale Demonstration: "Hör mir uff mit Deutschland"
1.500 Menschen demonstrieren gegen "Staat, Nation und Kapital" die Wendefeiern. Der Aufzug verläuft friedlich und endet vorzeitig - um Nazis zu blockieren.
Rund 1.500 Menschen haben nach Polizeiangaben am Samstag in Mitte gegen die Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag des Mauerfalls demonstriert. Bereits am Hackeschen Markt beendeten die AntinationalistInnen nach zwei Stunden ihren weitgehend störungsfreien Aufzug unter dem Motto "Es gibt kein Ende der Geschichte - Gegen die Herrschaft der falschen Freiheit", um eine Demo von Neonazis im Berliner Osten zu verhindern.
Ein buntes, ungewohnt entspanntes Bild bietet der Checkpoint Charlie, Treffpunkt der Protestierenden, am Samstagnachmittag: Demonstranten verteilen fast ein Dutzend verschiedene Flyer an Familien, die sich mit Kinderwägen durch die Menschenmassen zwängen, und an die vielen Touristen. Die bleiben meist mit offenen Mündern vor dem Mauermuseum stehen, bevor sie ihre Kameras zücken und die Menschen mit Plakaten und Transparenten fotografieren. "Deutschland ist kein Grund zum Feiern", "Etwas Besseres als die Nation" und "Hör mir uff mit Deutschland" steht darauf.
"Es ist grotesk, die 1989 erreichte Reisefreiheit selbstherrlich zu feiern", sagt eine Demonstrantin. Deutschland besitze eines der schärfsten Asylgesetze weltweit und verwehre Flüchtlingen durch die Residenzpflicht die Bewegungsfreiheit. Ein Redebeitrag kritisiert den seit der Fußball-WM 2006 erstarkenden "positiven" Nationalismus. Ganz ohne Fußballstimmung kommen aber auch die Antinationalisten nicht aus: "Schalala, schalalala, Kommunismus" und "Allez, allez, Kommunismus" schallt es in bester Stadionmanier aus der Demo.
Mit der Polizei kommen die Protestler bald in Berührung: Bereits nach wenigen hundert Metern stoppen Beamte den Zug, weil sie die Transparente an dessen Spitze für zu groß halten. In ihren Auflagen hatte die Polizei jedoch ausschließlich das Entfachen von Feuer sowie das Mitführen von Flaschen und Dosen untersagt. Dennoch entwenden Polizeikräfte nach kurzem Handgemenge einige der - wenig später durch neue ersetzten - Banner. Ein Demoteilnehmer wird festgenommen. Ein Beamter erinnert dabei seinen filmenden Kollegen, "wirklich alles, auch, was wir machen" mit der Kamera festzuhalten. Kürzlich war der Polizei vorgeworfen worden, bei einer Demo im September Kameras bewusst vom Übergriff ihrer Beamten auf einen Teilnehmer weggehalten zu haben.
Ansonsten kommt es an diesem Samstag zu keinen weiteren Scharmützeln. Hoffnung auf einen frühen Feierabend dürfen sich die 800 eingesetzten PolizistInnen jedoch nicht machen, als der Aufzug vorzeitig am Hackeschen Markt endet. Die Antinationalisten wollen schnell nach Karlshorst. Dort hatten Neonazis eine Demo angekündigt, nachdem das Konzert der in der rechten Szene beliebten Band "Kategorie C" untersagt worden war.
Gegen 20 Uhr zog der Veranstalter aber nach Polizeiangaben seine Anmeldung zurück, die rund 50 versammelten Nazis wurden nach Hause geschickt. Hintergrund: Der geplante Konzertort, eine Möbellagerhalle in der Nalepastraße, wurde vom Vermieter nicht zur Verfügung gestellt, da er sich über die Veranstaltung "arglistig getäuscht" sah.
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