piwik no script img

Antifeministische RechteMassenmails gegen Abtreibungsrecht

In einem Text in der taz sprachen sich Politiker für eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen aus. Tausende protestieren per Massenmail.

Beim „Marsch für das Leben“ protestieren jährlich christlich-fundamentalistische Abtreibungsgegner Foto: imago/IPON

Der Text der jeweils mehr als 8.000 Mails ist immer derselbe: „Gegen Ihre Bestrebungen, das Verbrechen der Abtreibung (…) zu legalisieren, protestieren wir hiermit auf das Schärfste! Der Mord an unschuldigen, wehrlosen Kindern im Mutterleib (…) ist ein verabscheuungswürdiges Verbrechen, das (…) angemessen bestraft werden muss.“

Die Mails haben Cornelia Möhring, frauenpolitsche Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, und Gesine Agena, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, bekommen, seit sie sich in einem Text Mitte Juni in der taz dafür starkmachten, den Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. „Ganz offensichtlich war der Auslöser der Massenmails, dass wir die Beratungspflicht bei Schwangerschaftsabbrüchen abschaffen wollen“, sagte Möhring.

Anfangs kamen die Mails im Minutentakt, jetzt nur noch alle zwei Stunden eine, heißt es aus dem Büro von Agena. Zudem seien etwa 20 Briefe per Post angekommen, so Cornelia Möhring.

Die Massenmail-Aktion wird von einer Plattform namens patriotpetition.org organisiert, die die Unterzeile „Wir sind das Volk“ trägt. Die Seite ist mit einer Fotomontage illustriert, auf der die Silhouette einer Familie aus Vater, Mutter und vier Kindern zu sehen ist, dazu eine Deutschlandflagge und ein christliches Kreuz.

Gegen Moscheebau und „Gender-Irrsinn“

Die Seite sei eine „Initiative aufrechter Patrioten“, heißt es im Vorstellungstext. Man kämpfe für die christlich-abendländische Kultur des Vaterlands und gegen „die tödliche Ideologie des Islam“, für die traditionelle Ehe, gegen „millionenfachen Abtreibungsmord“, für den Schutz des Privateigentums und für den Erhalt des Erbrechts.

Der Hauptzweck der Seite besteht offenbar darin, Spenden einzutreiben und Unterschriften für Petitionen zu sammeln, unter anderem gegen den Bau von Moscheen, für Schächtverbote und gegen „Gender-Irrsinn“. Wer unterzeichnet, schickt eine Petition an Möhring und Agena. Die Absender der Mails sind Privatpersonen vor allem aus Deutschland und Österreich. Auf eine Anfrage der taz reagierten die anonym bleibenden Betreiber der Seite nicht.

Möhring sagte, sie bekomme zudem Massenmails von der Seite abgeordneten-check.de, einer Initiative der Zivilen Koalition, deren Vorsitzende die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch und ihr Mann Sven von Storch sind. Derzeit macht die Seite auf mit dem Slogan und der Petition „Abtreibung ist kein Menschenrecht – Legalisierung von Abtreibungen stoppen“, die genau wie auf patriotpetition.org online unterzeichnet werden kann.

Anfangs kamen die Mails im Minutentakt, jetzt nur noch alle zwei Stunden eine

In Deutschland seien in den vergangenen drei Jahrzehnten mehr als 8 Millionen Föten dem Abtreibungsarzt zum Opfer gefallen, heißt es auf der Seite. „Der Genozid an Ungeborenen setzt sich mit jährlich über 100.000 Fällen in Deutschland ungebrochen fort.“ Aktueller Stand seien 65.000 UnterzeichnerInnen, das Ziel seien 200.000, wird auf der Seite vermerkt.

Erzkonservative Gruppen

Auf der Seite der Zivilen Koalition wird offen benannt, dass sich die Initiative dem sogenannten Lebensschutz zugehörig fühlt, einer internationalen Bewegung, in der erzkonservative und reaktionäre Gruppen in- und außerhalb der parlamentarischen Ebene unter anderem für Abtreibungsverbote und die traditionelle Ehe kämpfen. „Immer, wenn der Kampf um Selbstbestimmungsrechte sichtbar wird – die Debatte zum Paragrafen 219a im Bundestag, als der Artikel in der taz erschien – versuchen diese Leute, gegenzuhalten und uns einzuschüchtern“, sagte Möhring.

Die juristischen Möglichkeiten zur Gegenwehr sind begrenzt. Solche Methoden seien ihres Wissens legal, sagte Möhring. Aus dem Büro von Agena hieß es ebenfalls, ein juristisches Vorgehen habe man nicht erwogen. Sowohl Agena als auch Möhring filtern die Mails allerdings direkt in Unterordner, so dass ihr Arbeitsablauf nicht beeinflusst wird.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Sich darüber auszulassen, wie man gegen diese e-mail Aktion oder deren Seite zu erörtern, sollte man damit beginnen eine echte Diskussion zu diesem wichtigen Thema anzustoßen!

    Aus eigener Erfahrung weis ich, wie schwer eine solche Entscheidung zu treffen ist!



    Die Entscheidung ist inzwischen wohl auf und erfreut uns jeden Tag.



    Was aber weniger erfreulich ist, ist die Tatsache, dass Kinder in Deutschland Arm machen!



    Wir waren eine Patchwork Familie mit, sage und schreibe 9 Kindern, nach der Geburt des Nachzüglers.



    Die anderen Kinder waren bereits aus dem gröbsten raus, aber eben die Entscheidung nicht abzutreiben hat uns mit dem jüngsten Familienmitglied für eine echte Rolle rückwärts n den Finanzen geführt!



    Als Ernährer der Familie viel ich durch den nicht gewollten, aber unumgänglichen Schritt in die Erwerbsminderungsrente fast völlig aus!



    Wie man sich vorstellen kann, konnte meine Frau auf Grund der Erziehung der anderen Kinder keine Vollzeitstelle annehmen, so das wir absolut auf staatliche Hilfe angewiesen waren!

    Nun einige Zeit später, die älteren sind nun alle in der Ausbildung im Studium, so weit es mir noch möglich war dies zu finanzieren, aber die Jüngste ist nun mal auch noch da, wie wir entschieden haben, auf Grund der Beratungsstelle!

    Die Ehe ist inzwischen beendet, der Kontakt zu den Patchwork Kindern ist fast völlig abgebrochen, alles auf Grund der nicht mehr machbaren finanziellen Unterstützung durch meine Wenigkeit!



    Die Tochter lebt nun bei mir, meine EX ist arbeitlos und ich darf mich mit meiner Tochter unterhalb des Existenzminimums herumschlagen!

    Meine Haupttätigkeit besteht nun darin ständig um die Zuschüsse de Staates für die Entscheidung auf Grund der alles Rosa Rot färbenden Beratungsstelle!

    Für meine Tochter ist es nicht besonders angenehm, dass ich so über diesen Teil ihres Werdegangs schreibe, aber sie ist nun mit 14 in dem Alter, in dem sie alles wissen will und auch soll!

    Der Staat sollte eine echte Diskussion zum Thema anstoßen!!!

    • @urbuerger:

      Ist durchaus freundlich gemeint, mein Vorschlag wäre, über die Versorgung der Kinder nachzudenken, bevor man sie macht. Nur mal so als Vorschlag.

  • Spam.

  • Bitte eine Auskunft, müssen solche Seiten kein Impressum haben?

    • @Eiswein:

      Müssten sie. Wenn die Server der deutschen oder allgemein europäischen Justiz zugänglich wären könnte man dagegen auch was machen.

    • @Eiswein:

      Alle Webseiten, die in Deutschland gehostet sind und "geschäftsmäßig" sind, sind Impressumpflichtig. Im Ausland gehostete Seiten jedoch idR nicht, da es dort meist keine Impressumpflicht gibt.