Antifaschismus in Berlin: Nie mehr wegsehen
Von Reinickendorf bis zu den kurdischen Gebieten muss gelten: es gibt kein „minderwertiges“ Leben. Hier einige Termine.
D er Abend des 23. Juli 1994. Drei Neonazis erwürgen die 32-jährige Beate Fischer und legen sie an eine Reihe von Mülltonnen in Reinickendorf. Zuvor war ihnen die Sexarbeiterin in eine Wohnung gefolgt, nach einer Misshandlung will sie aber gehen. Die Nazis hindern sie daran und vergewaltigen die Frau. Dann töten sie die Mutter zweier Kinder.
Rechtes Überlegenheitsdenken war das Motiv der Täter. Dass Beate eine Sexarbeiterin, die bloße Tatsache, dass sie eine Frau war, machten sie in den Augen der Nazis „minderwertig“. Im Urteil gegen die Neonazis heißt es, die drei haben „nach ihrer Wolfsmoral Sex als die Bühne ihrer Macht benutzt“.
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„Gegen Frauen*morde! Gegen die Stigmatisierung von Sexarbeiter*innen! Niemand ist vergessen!“, heißt es im Aufruf zu einer Gedenkdemo am Todestag Beate Fischers (Freitag, 23. Juli, 17.30 Uhr, S- und U-Bahnhof Gesundbrunnen).
Eine Frau, die ebenfalls rechte Entmenschlichung erleiden musste, doch überlebte, war Esther Bejarano. Mit 18 Jahren wurde die Jüdin vom „Sammellager“ in der Großen Hamburger Straße aus nach Auschwitz deportiert.
Nie mehr wegsehen
Die Mitgliedschaft im Lagerorchester bedeutete für sie das Überleben. Im November 1943 wurde Bejarano in das KZ Ravensbrück verlegt und musste Zwangsarbeit leisten. Auf dem Todesmarsch gelang ihr gemeinsam mit Freundinnen die Flucht.
„Aus der Erfahrung unseres Lebens sagen wir: Nie mehr schweigen, wegsehen, wie und wo auch immer Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit hervortreten!“, wurde zum Motto ihres fortwährenden antifaschistischen Engagements, unter anderem in der VVN-BdA.
Esther Bejarano verstarb am 10. Juli 2021 im Alter von 96 Jahren. Eine Gedenkveranstaltung unter dem Motto „Erinnern heißt Handeln“ will ihren Einsatz ehren und fortführen (Samstag, 24. Juli, 15 Uhr, Große Hamburger Straße 25).
Der deutsche Faschismus ist an Barbarei unübertroffen. Gleichgültig dürfen uns die Entwicklungen in anderen Teilen der Welt aber gerade deshalb nicht lassen.
Es gibt kein „minderwertiges“ Leben
„Recep Tayyip Erdoğan deutete mehrfach an, dass es das Ziel sein muss, dass in hundert Jahren niemand mehr von KurdInnen spricht und dass die Natur in Kurdistan so zerstört werden muss, damit nichts lebendiges mehr auf den kurdischen Bergen existiert“. So heißt es im Aufruf zu einer Protestkundgebung gegen den türkischen Präsidenten unter dem Titel „Schluss mit Isolation, Faschismus und Besatzung“ (Mittwoch, 28. Juli, 11 Uhr).
Denn von Reinickendorf bis zu den kurdischen Gebieten muss gelten: es gibt kein „minderwertiges“ Leben!
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