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Antifa reagiert auf NazischlägerLinke lassen ihrer Wut freien Lauf

Rund 200 Linke zerdeppern Fenster der Diskothek "Jeton" an der Frankfurter Allee. Dort waren laut Polizei die vier am Sonntag verhafteten Rechten zu Gast.

Die zerdepperte Leuchtreklame der Disko Jeton Bild: AP

Rund 200 Schwarzgekleidete haben am Dienstagabend nach 23 Uhr die zu diesem Zeitpunkt geschlossene Diskothek "Jeton" an der Frankfurter Allee mit Steinen angegriffen. Sechs Scheiben an der außen liegenden Showtreppe und die Leuchtreklame gingen zu Bruch. Bei einem vorbeifahrenden Polizeifahrzeug wurden Fenster eingeworfen. Nach wenigen Minuten seien die Teilnehmer der Spontandemo in Seitenstraßen der Frankfurter Allee verschwunden, berichten Augenzeugen.

Die Polizei hatte nach eigenen Angaben zunächst nur Zivilkräfte vor Ort. Nach zehn Minuten seien 60, nach weiteren zehn Minuten insgesamt rund 200 Beamte im Einsatz gewesen. Viel ausrichten konnten sie nicht mehr. Lediglich ein Tatverdächtiger sei wegen schweren Landfriedensbruch vorübergehend festgenommen worden.

Seit der brutalen Schlägerei am Sonntagmorgen gibt sich die linke Szene aktionistisch. Für viele ist das Fass voll, sie sind wütend und wollen das zum Ausdruck bringen - auch mit der Attacke gegen das Jeton. Es liegt nur rund hundert Meter vom Tatort am Sonntag entfernt. Antifa-Gruppen kritisieren schon lange, dass der Betreiber sich nicht an seiner rechten Klientel stört. Auch die vier Rechtsextremisten, die am Sonntag festgenommen wurden, waren nach Erkenntnisstand der Polizei Gäste des "Jeton".

Der Geschäftsführer Ronny Berkahn weist den Vorwurf, einen Treff für Neonazis zu betreiben, dennoch vehement zurück: "Auch Schwarze und Autonome feiern bei mir." Der Vorfall am Sonntagmorgen sei "definitiv Scheiße", sagt Berkahn. Er distanziere sich von jeder Gewalt. Politik interessiere ihn nicht. Eher schon der Schaden an seinem Laden. Das neue Glas koste 2.100 Euro - plus Arbeitslohn.

"Wir bemühen uns um Schadensbegrenzung", sagt Patrick Technau, der für Samstag, 18 Uhr, eine Demonstration unter dem Motto "Nazis aus dem Viertel jagen!" angemeldet hat. Ob sie wie geplant vom Bersarinplatz am "Thor Steinar"-Laden in der Petersburger Straße und am "Jeton" vorbeiziehen darf, hat die Polizei noch nicht entschieden.

Der Angriff auf das "Jeton" sei genauso wenig die Lösung des Problems wie das Verprügeln von Nazis, sagt Technau. Aber man müsse Nazis etwa auf ihre rechtsextreme Kleidung ansprechen. "Auch wenn man sich über die Folgen bewusst ist", sagt Technau. Viele Neonazis hätten nicht das intellektuelle Niveau, darüber zu reden. "Die schlagen dann los." GEREON ASMUTH

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5 Kommentare

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  • H
    Hageljupp

    @askos

     

    ..Sie verwechseln Ursache und Wirkung, wenn Sie behaupten, dass beide das Gleiche tun.

     

    Gruß H.

  • A
    askos

    Das ist das schöne an der TAZ, wenn zwei das Gleiche tun ist es noch lange nicht Dasselbe. Wenn sich rechte Schläger treffen, rotten sie sich zusammen und wollen töten, wenn dies linke tun lassen sie "ihrer Wut freien Lauf" und veranstalten eine "Spontandemonstration"...

  • GA
    Gereon Asmuth

    @caro

    Ronny Berhahn hat exakt all das gesagt, was ich geschrieben habe.

    Tägliches Problem eines Journalisten ist es jedoch, aus dem jeweils Gesagten das vermeintlich Wichtigste auszwählen. Den ersten Text habe ich am Mittwoch für die bundesweit in der taz erscheinende Inlandsseite geschrieben. Dafür habe ich das aussagekräftigste Zitat von Herrn Berkahn ("Selbst Türken und Fischis feiern hier") gewählt, weil ich denke, das schon seine Wortwahl für sich spricht. Bei Redaktionsschluss für diesen Text hatte sich die Polizei leider noch nicht dazu geäußert, ob die vier festgenommenen Rechtsextremisten im Jeton Gäste waren.

     

    Diese Info lag mir erst für den zweiten Text vor, der nur auf den Berlin-Seiten der taz erschienen ist, die einen späteren Redaktionsschluss haben. Dort hatte ich mehr Platz, um Berkahn ausführlicher zu Wort kommen zu lassen. Schon um das Zitat aus dem ersten Text nicht zu wiederholen, habe ich im zweiten Text ein anderes, allerdings nicht weniger stimmendes Zitat gewählt. Ob man diese Darstellung von Berkahn für glaubhaft hält oder nicht, bleibt in jedem Fall den mündigen LeserInnen überlassen.

     

    Sie fragen, ob Berkahn mit "Autonome" etwa "Autonome Nationalisten" gemeint haben könnte? Berkahn war in dem Gespräch sichtlich bemüht, sich als offen für alle Seiten zu präsentieren. Die Betonung, dass er autonome Nationalisten als Gäste haben, würde diesem Bild ja widersprechen.

     

    Dass auch Rechtsextremisten Gäste des Jeton sind, wird nicht bestritten. Und wie ja nun auch die Polizei mittlerweile bekräftigt, waren zumindest nach derzeitigem Ermittlungsstand die vier Sonntagfrüh Festgenommenen zuvor im Jeton.

     

    Mit freundlichen Grüßen,

    Gereon Asmuth

  • C
    caro

    Lieber Gereon Asmuth,

     

    "Der Betreiber der Disco streitet das ab. Sein Laden sei offen für alle, selbst "Türken und Fidschis feiern hier", sagte Geschäftsführer Ronny Berkahn der taz. Mittlerweile habe ihm die Polizei mitgeteilt, dass die vier rechten Schläger nicht Gäste seiner Diskothek waren. Die Polizei hat sich noch nicht dazu geäußert."

    [http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/angriff-auf-berliner-nazi-disco/]

     

    und hier in dem (auch von Ihnen geschriebener) Artikel steht:

    "Der Geschäftsführer Ronny Berkahn weist den Vorwurf, einen Treff für Neonazis zu betreiben, dennoch vehement zurück: "Auch Schwarze und Autonome feiern bei mir." Der Vorfall am Sonntagmorgen sei "definitiv Scheiße", sagt Berkahn. Er distanziere sich von jeder Gewalt. Politik interessiere ihn nicht. Eher schon der Schaden an seinem Laden. Das neue Glas koste 2.100 Euro - plus Arbeitslohn."

     

    Ich bin verwirrt. Was hat er Ihnen genau gesagt?

     

    Und ich finde Sie stellen den Jeton-Betreiber ganz schön kumpelmäßig dar. Dass das "Jeton" ein Szenetreffpunkt Rechtsgesinnter und/oder gewaltbereiten Hooligan-/Rockermilieu ist, ist wohl relativ offen bekannt. Sind Sie da schonmal abends langegangen? Ich habe ehrlich gesagt, jedes Mal wenn ich diese bulligen Typen sah, die Straßenseite gewechselt. Und während der WM...waren da nicht nachgewiesenermaßen Gäste dieses Etablissements auf die Hatz gezogen? Ich kann mich nicht mehr genau entsinnen.

     

    Jedenfalls wundere ich mich über Ihre zweite, sehr viel positivere Darstellung des Herrn Betreibers. Und auch darüber, dass Sie es nicht infrage stellen, wenn der Herr Betreiber sagt auch "Autonome" würden bei ihm feiern. Könnte es nicht sein er sprach von den "Autonomen Nationalisten"?!

     

    Auch wenn ich der Überzeugung bin, dass Gewalt nur Gegengewalt hervorruft und damit kein sinnvolles Mittel im Kampf gegen den Faschismus ist, so fällt es mir doch sehr schwer, Mitleid wegen der hohen Reparaturkosten zu empfinden.

     

    Wenn ich im "Tagesspiegel" im Grundtenor lese, dass das Opfer im Grunde genommen selbst Schuld am Angriff war, dann könnte ich direkt kotzen. Aber auch von der taz wäre eine ausgewogenere Berichterstattung wünschenswert. Siehe zB den Titel eines anderen Berichts zum Thema Naziangriff am Sonntag früh: "Battlefield Friedrichshain" plus das reißerische Foto der Skinheads - das zwar Stereotypen bedient, aber mitnichten auf das Profil moderner "Autonomer Nationalisten" passt. Sie sind in den letzten Jahren hauptsächlich durch ihre extreme Gewaltbereitschaft und durch die Übernahme vieler links-extremer Codes aufgefallen und zeichnen sich nicht mit Glatzen aus. Wie wäre es damit, diesen Umstand medial zu verbreiten, damit Hinz und Kunz auch endlich verstehen, dass nicht alle schwarze Kapuzenträger "linke Autonome" sind!

     

    Danke trotzdem fürs Berichten.

     

    Viele Grüße.

  • S
    stute

    diese attake auf vermutlich rechtsradikale strukturen in friedrichshain ist nichts als ein dumpfer wutausbruch nach einer unfassbar brutalen tat, mit der ermittlungsbehörden und große teile der konservativen berliner presse ebenso unfassbar umgehen, nämlich relativierend bis beinahe verständnisvoll. sie, die tat, ist undemokratisch und regressiv, weil sich in ihr der mob und die wut in form von lynchjustiz und pöbel bahnbricht. diejenigen in den medien, die immer wieder und wieder auf unfassbar hetzerische weise gegen linke vorgehen, können nun garnicht anders als noch vor abschluss irgendwelcher ermittlungen, ihre parteinahme rechtfertigen, indem sie dem opfer eine täterschaft andichten. denn ihre beinahe tägliche hetze ist nicht unschuldig an der gewalt. und auch die polizei bestätigt einmal mehr den eindruck, wenn nicht der parteinahme, dann doch der fragwürdigkeit, indem sie widerspruchliche meldungen in der öfentlichkeit verbreitet. jene linken aktivisten, die einen rechtentreff angreifen müssen sich fragen lassen, ob sie racheakte der rechten provozieren, die sich wiederrum gegen unschuldige richtet.