Antidopinggesetz der USA: Streit unter Saubermachern
Die USA planen ein Gesetz, mit dem auch Funktionäre aus dem Ausland verfolgt werden können. Gedroht wird auch der Weltantidopingagentur.
Die Antidopingwelt ist in Aufruhr. Die USA wollen die finanzielle Unterstützung der Weltantidopingagentur Wada einstellen oder zumindest kürzen. Parallel liegt dem US-Kongress ein scharfes Antidopinggesetz zur Abstimmung vor. Es würde US-Ermittlern auch den Einsatz gegen Hintermänner und Dopingnetzwerker aus dem Ausland ermöglichen. Die Wada wiederum, oberste Antidopinginstitution in globalem Maßstab, ist gegen das Gesetz. Verrückt.
Aufklärung kann Travis Tygart bringen. Der Chef der US-Antidopingagentur Usada ist so etwas wie der meistdekorierte Antidopingjäger. Seine Ermittler brachten den Radler Lance Armstrong zur Strecke, hoben das Balco-Labor aus, das Dopingpräparate für die Leichtathletikstars um Marion Jones herstellte. Auch die Machenschaften im Nike Oregon Project der Lang- und Mittelstreckenläufer wurden aufgedeckt.
Tygart selbst ist nicht glücklich über die angedrohten Kürzungen. „Wir alle wollen mehr Geld, niemand will weniger“, sagte er der taz. „Aber wir wollen nicht unter den gegenwärtigen Bedingungen weitermachen“, betonte er auch. Tygart wirft der Wada ein zu langsames Reformtempo vor. Als entscheidende Kritikpunkte nennt er: „unzureichende Athletenbeteiligung, Unabhängigkeit und Transparenz“. Das hatte auch ein Bericht des Büros für Nationale Drogenkontrollpolitik der US-Regierung (ONDCP) angemahnt.
Die Wada wehrte die Kritik ab. Gegenüber der taz betonte ein Wada-Sprecher, dass die Reformen im beschlossenen Tempo vorangingen: „Ein Athletenvertreter sitzt bereits stimmberechtigt im Exekutivkomitee der Wada. In jedem anderen Komitee sitzt mindestens ein Athletenvertreter.“ Das ist ein Fortschritt. In der Vergangenheit hatten Athletensprecher und -sprecherinnen immer wieder Frustration über mangelndem Einfluss geäußert.
Die kanadische Skilangläuferin Beckie Scott, vier Jahre lang Vorsitzende der Wada-Athletenkommission, verabschiedete sich im vergangenen Jahr mit einem Appell für mehr Transparenz und mehr Gehör auch von kritischen Stimmen. Um Reformen in dieser Richtung weiter voranzutreiben, drohen die Washingtoner Drogenjäger des ONDCP mit der Kürzung der jährlich 2,7 Millionen Dollar Zuwendung an die Wada. Man kann darüber streiten, ob Subventionsentzug das beste Mittel zur Beschleunigung von Reformen ist. Das ist aber zumindest der Hintergrund dieses Streits.
Zweiter Streitpunkt ist der „Rodchenkov Act“. Der Gesetzentwurf, benannt nach dem Kronzeugen im russischen Dopingskandal Grigori Rodtschenkow sieht Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren und Geldstrafen bis zu 1 Million Dollar für Hintermänner im Doping vor. Usada-Chef Tygart erläutert den Wert des Gesetzes mit dem jüngsten Skandal im Gewichtheben. Der Ungar Tamás Aján führte 45 Jahre lang den Internationalen Gewichtheberverband, erst als Generalsekretär, dann als Präsident. „Wie der McLaren-Report herausfand, unterschlug Ajan 10 Millionen Dollar und vertuschte 40 Dopingfälle. Dann geht er einfach in den Ruhestand, ohne dass er sich für seine Taten verantworten muss.“ Diese Art Straflosigkeit für Funktionäre könne das neue Gesetz beenden.
Ende der Straflosigkeit für korrupte Funktionäre
Der Fall Ajan hat eine noch pikantere Komponente. Der als Dopingvertuscher aktive Sportfunktionär war Mitgründer der Wada und saß von 1999 bis 2017 in deren Stiftungsrat. Tygart vergleicht diese Konstellation gern mit „dem Fuchs, der den Hühnerstall bewacht“.
Die Wada kritisiert, dass der US-Gesetzentwurf die internationale Antidopinggesetzgebung in ein Chaos brächte. Tatsächlich würden sich Teile von nationaler und internationaler Gesetzgebung überlagern.
Die Vorteile, die der Rodchenkov Act bietet, liegen ebenfalls auf der Hand: ein Ende der Straflosigkeit für korrupte Sportfunktionäre. Die Nationale Antidopingagentur Deutschlands (Nada) lehnt deshalb das Gesetz nicht pauschal ab, sondern mahnt zur Kooperation. „Welche möglicherweise gravierenden Auswirkungen dieser ausgedehnte Anwendungsbereich für andere Länder haben kann, ist derzeit nicht absehbar.
Im Sinne einer international möglichst einheitlichen Antidoping-Arbeit ist es aus unserer Sicht deshalb wichtig, die Rechtsfolgen des sogenannten Rodchenkov Acts vor Inkrafttreten des Gesetzes in den internationalen Antidoping-Gremien, wie dem Europarats und der Wada, umfassend und transparent zu erörtern und mögliche Kooperationsmodelle, zum Beispiel zwischen den USA und Europa, frühzeitig festzulegen“, teilt die Nada mit.
Da ist sie als nationalen Organisation offensichtlich weiter, als die internationale Dachorganisation. Es gibt also noch einiges aufzuräumen im Antidopingbusiness. Die Zeit drängt. Der Rodchenkov Act soll in diesem Jahr verabschiedet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge