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Anti-Gewerkschaftspolitik in Wisconsin„Right to Work“ durchgeprügelt

Gouverneur Scott Walker ernennt Wisconsin zum 25. „Right to Work“-Staat der USA. Die Gewerkschaften kommt das teuer zu stehen.

Nehmt das, Gewerkschaften! Scott Walker im Kreise seiner Liebsten. Bild: ap

NEW YORK taz | Wer sehen will, wie ein fortschrittliches Erbe demontiert wird, sollte nach Madison schauen. Dort hat Gouverneur Scott Walker in dieser Woche seinen zweiten erfolgreichen Schlag gegen die betriebliche Demokratie gelandet. Vier Jahre, nachdem er die Gewerkschaften aus dem öffentlichen Dienst verdrängt hat, macht er nun dasselbe in der Privatwirtschaft. Per Gesetz ernannte er Wisconsin zum 25. „Right to Work“-Staat der USA.

Das Gesetz hat die Ziele, die Gewerkschaften kurzfristig finanziell auszuhungern und langfristig loszuwerden. Gouverneur Walker verspricht, sein Gesetz werde „mehr Freiheit für Arbeiter und Unternehmer“ bringen. Und mehr Investoren nach Wisconsin holen. Präsident Barack Obama hingegen kritisiert, es handele sich um ein „Anti-Arbeiter-Gesetz, das die Beschäftigten schwächen wird“.

Der Gewerkschaftsverband AFL-CIO und zwei lokale Gewerkschaften haben am Dienstag Klage eingereicht, um das Inkraftreten des Gesetzes vorübergehend zu stoppen. Sie argumentieren, es sei verfassungswidrig. Doch nachdem die Gouverneure von Michigan und Indiana ähnliche „Right to Work“-Gesetze durchsetzen konnten, stehen die gewerkschaftlichen Chancen vor Gericht nicht gut.

Die Bezeichnung „Right to Work“ – Recht zu arbeiten – ist semantischer Bestandteil eines konservativen Feldzugs. So benannte Gesetze verbieten es Gewerkschaften, Mitgliedsbeiträge von sämtlichen Beschäftigten eines Betriebs einzutreiben. Zugleich bleiben die Gewerkschaften weiterhin verpflichtet, sämtliche Beschäftigten – auch in individuellen Konflikten – zu vertreten.

Auch deutsche Unternehmen lieben „Right to Work“

Seit den späten 40er Jahren haben zahlreiche Bundesstaaten des Südens „Right to Work“-Gesetze eingeführt. Damit lockten sie Unternehmen aus dem damals noch hochindustrialisierten und stark gewerkschaftlich organisierten Norden sowie aus dem Ausland an. Auch zahlreiche deutsche Unternehmen – darunter BMW, Mercedes, Siemens, Thyssen, VW – folgten dem Ruf in „Right to Work“-Staaten.

In diesen Staaten sind die Gewerkschaften extrem schwach und die Löhne niedriger als im Norden. In den letzten Jahren haben Gouverneure vom rechten Rand der republikanischen Partei das Modell auch in die Bundesstaaten des Nordens der USA ausgedehnt. In Wisconsin nutzt Walker seinen Sieg über die Gewerkschaften dazu, seine Präsidentschaftskandidatur für 2016 vorzubereiten.

Die demokratische Partei hat jahrzehntelang auf die Unterstützung der „organisierten Arbeit“ gesetzt – die Gewerkschaften. Als sie noch stark waren, griffen sie der Partei finanziell unter die Arme und stellten in Wahlkampfzeiten die Basis, die Klinken putzte.

Doch in Wisconsin hat die Demokratische Partei sich zuletzt nicht mehr mit Ruhm bekleckert. Als Walker 2011 seinen Kampf gegen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst begann, verließen die demokratischen Abgeordneten noch demonstrativ den Bundesstaat, um die Abstimmung über Walkers Gesetzt zu verhindern.

Gleichzeitig besetzten AktivistInnen und GewerkschaftlerInnen wochenlang das Kapitol in Madison. Seit der Niederlage hat die Demokratische Partei in Wisconsin die Verteidigung der betrieblichen und gewerkschaftlichen Recht weitgehend aufgegeben.

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12 Kommentare

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  • Wenn ich das richtig verstehe, dann darf in Wisconsin jetzt jeder Mitarbeiter entscheiden, ob er in die Gewerkschaft eintritt (und damit Mitgliedsbeiträge bezahlt) oder nicht.

    Wie bei uns, oder verstehe ich da etwas falsch?

  • @Mowgli

    Die Folge ist doch vor allem, dass die Gewerkschaften dann tatsächlich auf die SOLIDARITÄT der Beschäftigten angewiesen sind. Sie müssen erkennen, dass sie ihre gemeinsame Interssenvertretung brauchen und die sie braucht, um funktionieren zu können, ohne zu ihrem Beitrag obrigkeitlich gezwungen zu werden. Ist es nicht genau dieser Geist, den die verbliebenen Sozialisten so gerne beschwören?

  • Ehrlicher wäre es, das Gesetz "Right to skimp" zu nennen – "Das Recht zu geizen". Frei nach dem Werbe-Motto "Geiz ist geil", dürften sich nämlich die meisten Beschäftigten die Kosten für ihre Vertretung lieber sparen. Und zwar so lange, bis sie keine Vertretung mehr haben. Spätestens aber, wenn es so weit ist, haben sie kein ganzes RECHT mehr auf Arbeit, sondern eine halbe PFLICHT dazu. Wobei die Konditionen, zu denen gearbeitet wird, allein vom "Arbeitgeber" (Boss) diktiert werden. Wer diese Konditionen nicht akzeptieren will, der kann sich vorerst immer noch erwerbslos melden...

  • Ich bitte um eine bessere Researche, dieser Text lässt das Gesetz als etwas typisch asozial-amerikanisches darstehen. Sie schreiben "So benannte Gesetze verbieten es Gewerkschaften, Mitgliedsbeiträge von sämtlichen Beschäftigten eines Betriebs einzutreiben." Hört sich ja komisch an, aber nur in einem deutschen/europäischen Ohr. Denn das Gesetz verbietet es Gewerkschaften von Mitarbeitern, unabhängig davon ob sie Gewerkschaftsmitglied sind oder nicht, Beiträge einzufordern. Eine Tatsache welche in Deutschland bereits durch die Koalitonsfreiheit im GG verankert ist. In der ganzen EU ist eine solche Praktik zurecht verboten. Schließlich ist der Austritt aus der Gewerkschaft und die damit verbundene Verwehrung von Beiträgen eine Sanktionsmöglichkeit der Mitglieder. Auch in Deutschland ist nur eine Minderheit gewerkschaftlich organisiert, unsere Gewerkschaften machen nicht gerade den Eindruck, dass sie finanziell ausbluten würden. Auch würde hier niemand auf die Idee kommen, dass eine derartige Auslegung der Koalitionsfreiheit gewerkschaftsfeindlich ist oder die Rechte der Arbeitnehmer einschränkt. Eher ist es eine Selbstverständlichkeit. Kein Wunder also, dass auch die hier skurpellos erscheinenden deutschen Konzerne ein solches Gesetz "lieben". Dass VW mit dem von sich heraus eingeleiteten Versuch in der US-Tochter einen Betriebsrate einzurichten bei eine Abstimmung durch die Belegschaft scheiterte, das ist da nur nebensächlich... so schürt man Vorurteile

    • @Julius92:

      Sie schreiben: ".. typisch asozial-amerikanisches ..." Was ist denn noch so 'typisch a(nti)sozial-amerikanisch'?

      Ich suche immer nach dem Sozialen in den usa, aber ich finde nix!

      Gerade der Beitrag hier von der taz, dass die Rechte von Gewerkschafter_innen (und damit von Arbeiter_innen) in Unternehmen in Wisconsin massiv beschnitten worden sind, hält mich massiv davon ab, je in die usa zu reisen, um mir mal vor Ort ein Bild von den Zuständen zu machen. Menschenfeindlichkeit schreckt auch ab, die Länder zu besuchen, in denen Menschenfeindlichkeit praktiziert wird. Mich (als Touristin) sind die usa schon mal los.

    • @Julius92:

      Unsere Gewerkschaften haben ja auch aufgegeben, die Rechte der Arbeitnehmer zu unterstützen.

      • @BigRed:

        Dann seien Sie bitte Gast auf dem nächsten verdi-Journalistentag. Von Politik war beim letzten verdi-Journalistentag (bezeichnet mit Deutscher Journalistentag) im Dezember 2014 keine Spur.

        Inhaltlich spärliche Reden, Ganztagsverpflegung unter Null (Essen aus der Thermophore und aus der Dose). Ärmlich. Inhaltlich ärmliche Diskussionen, teilweise vom Niveau einer Diskussion an der Grundschule her; nur mit dem Unterschied, dass die Grundschüler_innen noch nicht so viel wie die 'Großen' wissen können. Keine Mitschreibemöglichkeit, da die Sitzplätze wie im Kino die Sitzreihen aufgestellt waren und es an Tischen zum Ablegen von Stift und Papier mangelte. Der Veranstaltungssaal war mangelhaft beheizt; es war angeraten, in dicker Jacke rumzusitzen. Da kann man(n) als Gewerkschafter davonlaufen und den Mitgliedsausweis auf den Tisch knallen.

        Die verdianer_innen scheinen tatsächlich die Journalist_innen, die bei ver.di organisiert sind, vergessen zu haben. Anders kann ich mir den (vom Inhalt her, wie oben geschildert) und vom ganzen Drumherum her (wie oben geschildert) Journalistentag vom Dezember 2014 nicht erklären. Beim Journalistentag 2015 bin ich besser vorbereitet und bringe mir mein Essen und die Getränke mit. Allerdings werde ich wieder vorzeitig den Journalistentag verlassen, wenn das inhaltliche Niveau erneut unter Null sinkt.

      • @BigRed:

        Woran machen Sie das fest? Eine Gewerkschaft ist nur so willensstark wie seine Mitglieder. Außerdem gibt es bei uns auch Betriebsräte, diese nehmen den Gewerkschaften oft schon viel Arbeit ab.

    • @Julius92:

      "Denn das Gesetz verbietet es Gewerkschaften von Mitarbeitern, unabhängig davon ob sie Gewerkschaftsmitglied sind oder nicht, Beiträge einzufordern. " Genausso habe ich den Text verstanden. Gerade wegen des von dir zitierten Satzes, wo ja steht "von sämtlichen Beschäftigten" Was soll da besser recherchiert werden?

    • @Julius92:

      Wenn ich den Text richtig verstanden habe, begründen diese Gesetze aber auch Leistungspflichten der Gewerkschaften gegenüber Nichtmitgliedern, die es in Deutschland nicht gibt. So wird gleichzeitig der persönliche Anreiz zum Austritt erhöht (kost' ja nix) und die Gewerkschaften daran gehindert, ihre Leistungen bei Austritten herunterzufahren. Dieses Problem haben deutsche Gewerkschaften nicht.

      • @Normalo:

        Tut es nicht, die Pflicht der Gewerkschaft bestimmte Dienstleistungen zur Verfügung zustellen ergibt sich aus anderen Gesetzen die auch in nicht- "right-to-work" Bundesstaaten gelten. Das ist die "Duty of fair representation", diese Dienste beschränken sich aber auf bestimmte Beschwerderechte, nicht auf individuelle Lohnverhandlungen. Bei uns wird sowas über den Betriebsrat auf Kosten des Arbeitgebers geregelt und ist somit schon im Lohn aller Arbeitnehmer berücksichtigt. Trotzdem gehen die Rechte amerikanischer Gewerkschaften viel weiter als die der deutschen.

        • @Julius92:

          Dann sind es halt andere Gesetze, die die Gewerkschaften verpflichten, Leistungen für Nichtmitglieder zu erbringen. Das dürfte aber nichts daran ändern, dass sie das auf eigene Kosten machen müssen und diese Kosten eben nicht im Gehalt der Beschäftigten eingepreist sind oder über entsprechend verpflichtende Mitgliedsbeiträge refinanziert werden - wie in Deutschland bzw. in den Nicht-"Right to Work"-Staaten.

           

          Was ihre sonstigen Rechte betrifft, wäre es vielleicht angebracht, die zielgerichtet zu beschränken, wenn sie wirklich zu weit gehen (also im Zweifel eher Arbeitsplätze vernichten). Aber das hier schädigt sie finanziell und damit potenziell in der ganzen Bandbreite ihres Wirkungsbereichs. Es ist auch unwahscheinlich, dass sie gerade an ihren größten Eingriffsmöglichkeiten zuerst sparen werden.