piwik no script img

Anti-Aging-Maßnahme der TagesschauDie Wackelbildchenschau

Die „Tagesschau“ veröffentlicht jetzt auch „kurze Internetvideos mit Wiederholungsschleife“ – landläufig besser bekannt als Gifs.

Hier bewegt sich Jan Hofer nicht. Im Netz hingegen schon Foto: NDR/Thorsten Jander

Um das wahre Alter von Tagesschau-Chefsprecher Jan Hofer ranken sich Gerüchte. Im Januar 2010 gratulierte ihm die Saarbrücker Zeitung „zum 58., 59. oder 60.“, denn schon sein Wikipedia-Eintrag wirft Fragen auf. „Investigative“ Bild-Plus-Recherchen, wonach Hofer heute 66 Jahre alt sei, kratzten dann doch an der eitlen Nummer eins im Ersten: Mann ist so alt, wie Mann sich fühlt.

Das gilt erst recht für die „Tagesschau“, die 2012 (und das ist überprüfbar) ihren 60. Geburtstag gefeiert hat. Die will sich im Internet endlich mit diesen Neuland-Kindern anfreunden, damit keiner auf die Idee kommt, man sei tatsächlich reif für die Rente. Deshalb verteilt die ARD nun statt Kinderschokolade Wackelbildchen fürs Web.

„Die Tagesschau führt Gifs ein“, kündigte Das Erste auf Facebook an. Im Kanal auf der Plattform GIPHY finden Fans die Stars aus über 60 Jahren seriöser Sendegeschichte zum liken und teilen: Werner Veigel, Dagmar Berghoff und den „Krawattenmann des Jahres 2013“ Ulrich Wickert, mundgerecht portioniert auf kleine Video-Häppchen, die der Aufmerksamkeitspanne möglicher Nachwuchs-Tagesschauer näher kommen sollten.

Möglich, dass die LeFloid-Generation aufatmet: Wer hat schon Bock, endlose 100 Sekunden lang diesen Opa-Vloggern auf die Krawatte zu stieren, die ihren Abonnenten nicht mal einen guten Jump-Cut servieren?

„Damit können Emotionen ausgedrückt werden“

Jan Hofer hält jedenfalls gerne sein Gesicht hin, wenn es darum geht, die neue Anti-Aging-Maßnahme der „Tagesschau“-Redaktion in den Online-Netzwerken zu präsentieren. Ding, Dong: „Guten Tag meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Tagesschau“, moderiert er einen kurzen Nachrichtenbeitrag zum Facebook-Post an.

Darin erläutert Hofer gewohnt nüchtern, was es mit dieser medialen Modeerscheinung auf sich hat. Die „Tagesschau“ führe „kurze Internetvideos mit Wiederholungsschleife“ ein. Und sollten sich jetzt die Älteren jetzt immer noch fragen, wozu das Ganze: „Damit können Emotionen ausgedrückt werden“, stellt Hofer klar.

Ganz genauso sieht das auch die Redaktion von tagesschau.de. Dort will das Internet-Team mit den Tagesschau-Gifs ganz vorne dabei sein, wenn es um den direkten Kontakt mit Usern geht. Die witzigen Wackelbildchen bieten dazu eine Form, die im Netz „ganz populär“ ist, antwortet Redaktionsleiterin Christiane Krogmann auf die Anfrage der taz.

Mit den Dauerschleifchen, etwa von Ulrich Wickert, der sich eine Sonnenbrille aufsetzt, oder Werner Veigel, der seine Manuskripte durchsortiert, sollen deshalb die „interessanten, besonderen und die emotionalsten Momente“ so aufbereitet werden, dass vor allem die „jüngeren User“ angesprochen werden. Bleibt nur ein Problem: Tagesschau und Emotionen. Gibt es da überhaupt ausreichend Nadeln im Heuhaufen?

Du willst Leine ziehen? Schick einfach die Dagmar

„Emotional“ sei zum Beispiel, wenn Dagmar Berghoff einfach aufsteht und das Studio verlässt. Oder wenn andere die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Will heißen: Kein Bock mehr auf die Party, dann schick dem Gastgeber einfach die Dagmar per Whats-App.

Immerhin: Über 1.000 Likes hat der Post bekommen, über 300 Mal wurde der Link geteilt. tagesschau.de-Chefin Krogmann verweist jedenfalls darauf, in den ersten Stunden nur positives Feedback bekommen zu haben. Die Redaktion werde deshalb die Archive nach weiteren emotionalen Momenten absuchen.

Einen Vorschlag hätten wir: Der Beitrag, in dem es die „feindes-taz“-Ausgabe im September 2003 in den „Tagesthemen“ vor die Kamera geschafft hatte. Als Dank für diesen Share, ist uns das wahre Alter von Jan Hofer für immer egal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!