Anschlag auf dem Breitscheidplatz: Wenig Interesse an Aufklärung
Auch nach drei Jahren sind wichtige Fragen zu Anis Amri ungeklärt. Mauern die Behörden? Um so wichtiger ist eine vollständige Aufklärung.
![Rosen und Kerzen liegen auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz Rosen und Kerzen liegen auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz](https://taz.de/picture/3868209/14/amri_dpa_18122019-1.jpeg)
D rei Jahre ist es her, dass der Islamist Anis Amri auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz zwölf Menschen tötete und viele zum Teil schwer verletzte. Die Bundesregierung versprach damals umfassende Aufklärung – nicht nur der Tat selbst, sondern auch möglicher Behördenfehler.
Denn die Sicherheitsbehörden kannten Amri, hatten ihn zuletzt aber falsch eingeschätzt – und aus den Augen verloren. Ein verhängnisvoller Fehler, der zum schwersten islamistischen Anschlag bislang in Deutschland führte. Und zu der Frage: Hätte der Anschlag verhindert werden können?
Drei Jahre später ist klar: Die Bundesregierung hat nicht nur ihr Versprechen nicht eingelöst. Noch immer sind wichtige Fragen ungeklärt: Hatte Amri Mittäter? Wie sah seine Flucht genau aus? Und wann haben die Sicherheitsbehörden ihn als möglichen Täter identifiziert?
Hinzu aber kommt: Das Bundesinnenministerium und die Sicherheitsbehörden scheinen wenig Interesse an grundsätzlicher Aufklärung zu haben. Statt zu helfen, machen sie dem Untersuchungsausschuss im Bundestag, der die Missstände aufdecken soll, die Arbeit schwer – mit Verzögerungen, geschwärzten Akten, verweigerten Zeugenaussagen.
Kein „reiner Polizeifall“
Aufklärungshindernisse, die es genau so auch im NSU-Untersuchungsausschuss gab. Die Bereitschaft, eigene Fehler zuzugeben und Lehren daraus zu ziehen, ist in beiden Fällen sehr begrenzt. Man kann auch sagen: Damals wie heute wird nur das zugegeben, was man nicht mehr abstreiten kann.
Derzeit steht vor allem das Bundeskriminalamt in Verdacht, Warnhinweise aus NRW bewusst verharmlost zu haben. Doch falsch ist auch, dass Amri ein „reiner Polizeifall“ war, wie der damalige Verfassungsschutzchef behauptet hatte. Auch das Verhalten seiner Behörde und des Bundesnachrichtendiensts gehören genau überprüft.
Eine vollständige Aufklärung ist die Bundesregierung nicht nur den Opfern und Hinterbliebenen schuldig. Sie ist auch die Grundlage dafür, um Terrorismus künftig besser zu bekämpfen.
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