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Anschläge in BerlinBrandstiftung im Akkord

In Berlin wurden in den vergangenen Nächten über 30 Autos angezündet. Die Opposition kritisiert den Senat - und das mitten im Wahlkampf.

Opfer eines Anschlags mit unklarer Botschaft: ein Mercedes-Benz, ein Opel und ein Motorroller am Mittwoch in Berlin-Charlottenburg. Bild: dapd

BERLIN taz | Der Berliner Wahlkampf hat ein neues Thema: die nächtliche Serie von Brandanschlägen auf Autos. So griff der Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann Innensenator Ehrhart Körting (SPD) scharf an: "Die ganze Stadt diskutiert über die Brandanschläge und vom Innensenator hört die Öffentlichkeit dazu lange nichts", sagte Ratzmann der taz.

In der Nacht zum Mittwoch brannten in Berlin 15 Fahrzeuge, darunter Modelle der Marke BMW, aber auch ein Lkw-Anhänger und ein Mofa. In der Nacht zuvor waren 18 Autos angezündet oder durch die Brände beschädigt worden.

Vertreter aller im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien haben die Brandstiftungen verurteilt. CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel sagte, der Vandalismus habe "unerträgliche Ausmaße" angenommen. Er warf dem Senat Untätigkeit vor. Henkels Forderung nach einer Sonderkommission wies Innensenator Körting zurück. Es gebe im Landeskriminalamt bereits eine eigene Abteilung, die sich mit Brandstiftungen beschäftigt.

Brennende Autos sind in Berlin kein neues Phänomen, seit mehreren Jahren gehen Pkw in Flammen auf, 2009 war das Rekordjahr, danach hat sich die Lage etwas entspannt. In diesem Jahr gab es nach Polizeiangaben rund 250 brennende Autos, bei 135 vermutet die Polizei ein politisches Motiv. Die Ermittlungen verlaufen meist im Sande, denn in der Regel gibt es keine Zeugen und wenige brauchbare Spuren in den ausgebrannten Autowracks.

In Ausnahmefällen kommt es zu einem Prozess. Vor einer Woche erst war ein der linken Szene zugeordneter 43-jähriger Mann wegen Autobrandstiftung zu 22 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Es werde nun auch überprüft, ob dieser Mann wieder zugeschlagen hat, bestätigte ein Polizeisprecher. Es sei auch möglich, dass Nachahmungstäter am Werk seien.

Wechsel ins bürgerliche Viertel

Bislang waren es die Bezirke Kreuzberg und Friedrichshain, in denen die meisten Autos angezündet wurden. Die jüngsten Fälle ereigneten sich jedoch hauptsächlich im bürgerlich geprägten Stadtviertel Charlottenburg. Klaus-Dieter Gröhler, stellvertretender Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, berichtet davon, dass die Bewohner sich Sorgen machen.

"Es herrscht Angst, dass das eigene Auto an der Reihe ist oder dass ein Feuer gar auf ein Haus übergreift", sagte er der taz. Der CDU-Bezirksverband hat die 5.000-Euro-Belohnung, die Polizei und Staatsanwaltschaft für sachdienliche Hinweise ausgelobt haben, um 2.000 Euro aufgestockt.

Dass die Täter aus der linksextremen Szene stammen, diese Vermutung teilt Walter Mayer, Bezirksvorsitzender der Linkspartei Charlottenburg-Wilmersdorf, nicht. "Brandstiftung hat mit dem Begriff ,links' nichts zu tun", sagte er der taz. Es gebe keinen Grund, politischen Protest auf diese Weise zum Ausdruck zu bringen. In der Tat gibt es Hinweise darauf, dass in der linksautonomen Szene das Autoanzünden immer kritischer gesehen wird. Allerdings werde über dieses Thema nach wie vor heftig gestritten, berichtet ein Insider. Manche sähen es durchaus als mögliche Form des Protests, etwa ein Auto des Ordnungsamtes anzuzünden.

Zumindest was den materiellen Schaden angeht, ist die Sachlage klar. "Eine Teilkasko-Versicherung zahlt grundsätzlich einen Brandschaden", sagt Christian Lübke vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Ersetzt werde der Wiederbeschaffungswert. Dass wegen angezündeter Autos die Prämien steigen, glaubt Lübke indes nicht. Bei bundesweit insgesamt 15.000 Versicherungsfällen durch Autobrände im Jahr 2009 entfalle nur ein ganz geringer Teil auf Brandstiftung.

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19 Kommentare

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  • H
    hayalet

    schön: die aufmerksamkeit der öffentlichkeit ist erweckt! und genau DAS wollten diese typen auch. mehr ist nicht drin und das wissen die auch. alles andere ist quark!

  • T
    Tomate

    Soziale Unruhen und Proteste kommen doch fast immer in Form blinder Krawalle und hirnrissiger krimineller Einzeltaten - und die Opfer sind überdies auch noch oft die Schwächsten. Und dann kommen natürlich auch die Trittbrettfahrer dazu, und die Event-Psychopathen.

     

    Das meiste davon ist moralisch völlig verwerflich, keine Frage und keine Rechtfertigung. Aber noch verwerflicher als die Täter sind die, durch deren Politik eine Generation entstanden ist, die soviel Zorn hat und so wenig zielgerichteten Verstand.

     

    Mich nerven die Leute, die auch heute immer noch keine besseren Lösungen haben, als nach mehr Polizei zu schreien - statt sich mal zu überlegen, ob man nicht einfach auch mal Perspektiven bieten müsste. Aber nein, "kein Geld!" Und dann beeilt man sich, den großartigen, weihevollen gesellschaftlichen Konsens der Gewaltfreiheit zu beschwören. Da muss man doch lachen! Als ob das die Verbitterten oder Hasserfüllten noch irgendwie erreichen könnte!

     

    Alles nur Zynismus. Jetzt zeigt sich so langsam, dass der soziale Frieden ein sehr gutes und langfristiges Investitionsziel gewesen wäre.

  • BS
    Bernhard Sesterheim

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    @ Stephan Mirwalt

     

    Mit diesem Kommentar beweisen Sie, daß Sie

    1. nicht der Klügste und

    2. sehr anfällig für faschistisches Gedankengut sind!

  • BS
    Bernhard Sesterheim

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    @Verschwörungstheorie

    Klar doch nutzen so kurz vor der Wahl die Brandanschläge der CDU. Aber darauf zu schließen, daß die Junge Union einen Agent provocateur einsetzt, halte ich für ausgeschlossen; sie denken und handeln zu rational, um das zu wagen. Von den linksextremen Spinnern muß Rationalität nicht erwartet werden; sie reagieren vorwiegend hirnbefreit und sehr bauchlastig, wie die Realität es immer wieder aufzeigt!

  • W
    Wertkonservativliberaler

    @

    17.08.2011 20:36 Uhr

    von Stephan Mirwalt:

     

    "Der deutsche Spießer braucht doch nicht mit dem Auto zu fahren.

    Ich fahre auch nur mit dem Fahrrad und empfinde gegenüber den Autofahrern nichts als Verachtung."

     

     

    Wer andere als Spießer bezeichnet, ist meist selber einer. Was Sie mit Ihrer freudlosen Aussage trefflich bewiesen haben. Vor intoleranten Fundamentalisten wie Ihnen graut es mir.

  • L
    Lars

    @Radfahrer zu seinem Kommentar: "Außerdem schadet es der Linken, wird es doch vom Verfassungsschutz und von der Politik dazu benutzt, die Linke weiter zu kriminalisieren und einen Anstieg rechter Gewalt mit einem vermeintlichen Anstieg linker Gewalt, (obwohl qualitativ extrem anders) aufzuwiegen."

     

    Auch wenn es manchen weh tut... der oben zitierte Kommentar von @Radfahrer zeigt, wie sehr die linke Szene mit der eigenen Nabelschau beschäftigt ist und den Bezug zu ihrer gesellschaftlichen Umwelt verliert hat.

     

    Kein Politiker benutzt und braucht die Linke Gewalt um die schockierende Untätigkeit der Verantwortlichen gegen rechtsradikale zu rechtfertigen.

     

    Als ob die Mehrheit der Menschen in diesem Land die AntiFa- und linke AntiStaat-Szene in Beziehung zur Rechten Gewalt setzt. Nein, die Mehrheit der Menschen betrachtet beide Lager isoliert voneinander. Ich zweifle sogar daran, dass sie die Gewalt in den meisten Fällen irgendeinem politischen Lager zuordnet. In den Augen der meisten, sind es Aktionen einer Ansammlung von Menschen, die zufällig dieselbe Gesinnung haben.

     

    Sowohl die sog. rechtsradikale Ecke als auch die extrem Linke Ecke zerstört Sachwerte, verletzt und tötet Menschen oder nimmt den Tot von Menschen wissentlich in Kauf. (Ja, auch ein Polizist ist ein Mensch und ja, auch ein Brandsatz oder Pflasterstein kann einen Menschen töten.) Beide sind kriminell und niemand außer diesen beiden Lagern ist an deren Rechtfertigungen der Gewaltakte interessiert!!

  • HR
    HP Remmler

    Und das fleischgewordene Sommerloch der SPD faselt von "Vorstufe zum Terrorismus".

     

    Kann es sein, dass der Herr Waffelspütz ganz einfach gewaltig einen an der Wiefel hat?

  • WB
    Werner Berger

    Jaschke: "...werden wohl auch weniger Leute aus politischen Gründen Autos abfackeln."

     

    Das ist ja eine Vermutung wie aus dem Kaffeesatz gelesen! Sozusagen ein Nichtinterview ohne Aussage.

     

    Also, Herr Jaschke, nicht aus dem warmen Hochschulsessel die PolitikerInnen kritisieren und KONKRETES von ihnen einfordern, wenn Sie nicht einmal zu einer konkreten Aussage fähig sind.

  • D
    DerVelokrat

    http://www.spiegel.de/video/video-1138764.html

     

    Herr Mirwalt, Sie fehlen in diesem Beitrag! Auf in die Velokratie!

  • M
    Murat

    Die Grünen müssen sich da endlich mal einschalten. Diese Brandstiftungen sind einfach nur Umweltschädlich, durch den Qualm wird die Umwelt verpestet, und dann durch den Bau von neuen Autos die dann folgt. Einfach erbärmlich!

  • V
    Verschwörungstheorie

    Mal ne ganz irre Vermutung:

    In der linken Szene war das Thema Autos doch schon abgehakt (Stichwort: trifft die falschen, gefährdet Menschenleben, Versicherung zahlt, in der Bevölkerung nicht vermittelbar ...)?

    Was, wenn nicht Autonome sondern die Junge Union dahinter stecken? Diese massenhaften Anschläge auf Otto Normalo und seinen liebsten Gebrauchsgegenstand so kurz vor der Wahl in Berlin spielen doch nur der CDU und ihren law and order Forderungen in die Hände.

  • KH
    Karin Haertel

    Krawalle wie in England soll es bei uns ja niemals geben. Wer das behauptet, der luegt, denn wir sind auf dem direken Weg dahin. Wer fremdes Eigentum - ob Auto oder Kinderwagen - abfackelt, der ist kriminell und gehoert ins Gefaengnis. Unsere Polizei legt anscheinend - ausser in Promigegenden - die Haende in den Schoss und wartet darauf, dass sich die Sache von selbst eledigt. Als Steuerzahler kann ich ewrarten, dass die Polizei 24 Stunden in jedem Stadtteil deutlch sichtbar ist. Das ist naemlich ihre Aufgabe, dafuer werden sie vom Steuerzahler bezahlt und Berln besteht eben ncht nur aus dem Regierungsghetto, wo man sich bequem die ... schaukeln kann.

  • DG
    Dirk Gober

    Na taz, bist Du jetzt stolz auf Deine Klientel?

    Es sind kaum "Luxuskarossen", die brennen, sondern Autos von Leuten, die sich diese hart absparen müssen - um von Deinen Lesern beraubt zu werden.

    Gratuliere zu soviel "Linkssein".

  • R
    Radfahrer

    Ey Leute, das mit dem Autos anzünden ist echt ein Scheiß. Das ist eine total fiese Umweltverschmutzung, was da mit dem Löschwasser alles in der Kanalisation und im Grundwasser landet, denkt doch mal nach?

    Außerdem schadet es der Linken, wird es doch vom Verfassungsschutz und von der Politik dazu benutzt, die Linke weiter zu kriminalisieren und einen Anstieg rechter Gewalt mit einem vermeintlichen Anstieg linker Gewalt, (obwohl qualitativ extrem anders) aufzuwiegen. Was wollt Ihr eigentlich: Einen neuen Radikalenerlass?

    Sollte einen vielleicht nicht abhalten, aber damit ist doch nichts zu holen. Als Protestform taugt es auch deshalb nichts, weil es eigentlich gar nichts formuliert.

  • S
    Stefan

    Erzähl nicht UNS, erzähl DENEN, dass Auto-Brandstiftung nichts mit "links" zu tun hat.

  • G
    grafinger

    Ist Euch "Journalisten" eigentlich schon einmal in den Sinn gekommen dass sich nicht jeder eine "Teilkasko"-Versicherung leisten kann?

    Und selbst wenn wird im Schadensfall nur der Restwert bezahlt. Ob davon ein Wagen angeschafft werden kann ist sehr fraglich.

    "Zumindest was den materiellen Schaden angeht, ist die Sachlage klar" schreibt ihr und glaubt, damit eine Lanze für die Idioten mit den Grillanzündern gebrochen zu haben.

    "Wenn Dummheit quietschen würde müssten sie Euch mit dem Ölkännchen hinterherlaufen!"(SCNR)

  • V
    vic

    So geht das nicht.

    Nicht jeder Fahrzeugbesitzer kann das aus der Portokasse bezahlen.

    Hirn einschalten, bitte.

  • D
    DerDemokrator

    "Deutschland sucht den Topganoven"

     

    "Ersetzt werde der Wiederbeschaffungswert" sagt der Mann von der Versicherung.

    Was wenn die "Mühle" nur noch geringen Wert hat und der Besitzer damit zu einer mies bezahlten Arbeitsstelle fährt?

    Schon mal daran gedacht, liebe "Freiheitskämpfer", so ihr da zündelt?

     

    Verehrte Presse denkt bitte auch an die Blödköppe die unbedingt Schlagzeilen wollen und dafür fast alles tun, ich meine nicht nur die, die "Superstar" werden wollen.

     

    Ciao

    DerDemokrator

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Der deutsche Spießer braucht doch nicht mit dem Auto zu fahren.

     

    Ich fahre auch nur mit dem Fahrrad und empfinde gegenüber den Autofahrern nichts als Verachtung.