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Anreise zur Männer-EMZauber Europas in Charlottenburg

Berliner Jungs fahren nach Dänemark, um ihre Kroaten zu sehen. Aber darf man sich eigentlich freuen, wenn man in der Pandemie zu einem Spiel fährt?

Ein Superspreaderevent? Im Stadion in Kopenhagen Foto: Martin Meissner/dpa

Ist das die Magie einer Europameisterschaft? Am Berliner Hauptbahnhof stehen fünf junge Männer in kroatischen Trikots. Sie tänzeln breitbeinig von einem Fuß auf den anderen. Wie ich machen sie sich auf den Weg nach Kopenhagen zum Achtelfinale zwischen ihrem Team und Spanien. Ihre Masken haben sie zur Stabilisierung ihres Kinns weit unter Nase und Mund gezogen.

„Zwei Straßen weiter, dann ist die Grenze. Aber ich bin noch Charlottenburg“, sagt einer und fügt an: „Charlottenburg ist bester Bezirk. Ich würde nie woanders wohnen.“ Bald wird er 18, sagt er, zwei Tage vor seinem Geburtstag macht er die Führerscheinprüfung. Er ist aufgeregt. Erst soll das mit Spanien erledigt werden, dann das mit der Fahrprüfung. Das wäre so schön. Seine Freunde nicken. Berliner Jungs auf dem Weg nach Dänemark, um ein Spiel ihrer Kroaten zu sehen. Ist das dieses Europa, von dem immer alle reden?

Ich rücke meine Maske zurecht und entferne mich von den jungen Nasenmännern. So richtig wohl ist mir sowieso nicht bei meiner ersten Reise ins Euro-Ausland während dieses Turniers. Kamen mir die ständigen Hinweise, doch bitte sehr auf den empfohlenen Sicherheitsabstand zu achten in der Münchner EM-Arena, die mit 14.000 Zuschauern nun wahrlich nicht besonders voll war, bisweilen übertrieben vor, begebe ich mich an diesem Tag auf völlig neues Terrain. 25.000 Zuschauer dürfen in das Stadion von Kopenhagen. 73 Prozent der Plätze wären dann besetzt.

Ich mag die Musik, die von einem gut gefüllten Fußballstadion erzeugt wird. Bei Welt- und Europameisterschaften gibt es diesen speziellen Sound, der für mich bei jedem Turnier zum Ohrwurm wird. Dieses Begleitgeräusch zu den Ereignissen auf dem Platz gibt es im Klubfußball mit den akustisch dominanten Fangesängen nur selten. Die Stadiongeräusche sind ein Teil des Zaubers einer EM. Darf ich mich wirklich darauf freuen? Oder bin ich nicht eigentlich des Wahnsinns, dass ich mich auf den Weg zu einem Superspreaderevent mache? Den vorgeschriebenen Antigentest führe ich mit mir. Natürlich ist er negativ.

„Garantiert negativ!“

Ich habe ihn bei einem Straßenhändler bei uns in der Vorstadt gemacht, der einen Partypavillon vor einer ehemaligen Trinkerkneipe aufgestellt hat und auch sonntags so lange testet, bis die Kiste leer ist, die unter dem Biergartentisch steht, hinter dem er sein mobiles Office aufgebaut hat. „Ohne Schmerzen, ohne Termin, ohne Geld. Rein und wieder raus“, steht auf der Werbeplane vor seinem Pavillon. „Garantiert negativ!“ – würde dazu gut passen, denke ich mir. Einen Antigentest, der nicht älter ist als 72 Stunden ist, verlangt die Uefa von mir für den Einlass in Kopenhagen. Der Straßenhändler mit seinem Freischankflächenbüro ermöglicht mir ein kleines Stück Europa. Ist das nicht zauberhaft?

Die kroatische Reisegruppe, der ich am Hauptbahnhof begegnet bin, sitzt im Wagen vor mir. Es ist noch nicht acht Uhr morgens, da fangen die fünf an zu trinken.

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